Moderner Sonnenschutz:Schlaue Grad-Messer

Lesezeit: 3 min

Automatisierte, mit einer Wetterstation kombinierte Jalousien-Systeme helfen beim Energiesparen.

Von Michael Gneuss

Wenn Gerhard Rommel in die Sonne blickt, dann hat er doppelten Grund, gut gelaunt zu sein: Denn was für viele ganz einfach gut für das Gemüt ist, beflügelt in seiner Branche auch das Geschäft. "Heiße Sommer heizen den Absatz unserer Mitglieder an", sagt Rommel, technischer Leiter des Bundesverbands Rolladen+Sonnenschutz (BVRS). So schön die Sonne auch ist - wenn sie Räume auf 30 Grad und mehr aufheizt, ist ein gutes Abschirmungs-System gefragt.

Sonnenschutz mit Chic: MGF Architekten aus Stuttgart entwarfen drei Erweiterungsbauten der Hochschule von Aalen, die von flexiblen Lärchenholzfassaden umhüllt sind. Die Sonnenschutzanlage beruht auf einer dreigeschossigen feuerverzinkten Stahlrohrkonstruktion mit angeschraubten geschosshohen Holzlamellen. (Foto: Foto: MGF Architekten)

Zu den effizientesten Lösungen zählen Außen-Jalousien. Sie können im Sommer verhindern, dass die Hitze in den Raum eindringt. In kalten Winternächten helfen sie beim Isolieren. Und generell können sie tagsüber den Lichteinfall steuern und helfen auf diese Weise, Beleuchtungsenergie zu sparen. Neben diesem dreifachen Energieeffizienz-Effekt tragen die Jalousien zudem zur Behaglichkeit in den Räumen bei, indem sie eben Temperatur und Lichtverhältnisse positiv beeinflussen.

Die Hersteller von Sonnenschutz-Systemen erfreuen sich auch aufgrund des Anstiegs der Energiepreise steigender Wertschätzung. Eine aktuelle Umfrage im Auftrag der Deutschen Energie-Agentur (Dena) hat gezeigt, wie wichtig den Deutschen das Stromsparen ist: 64 Prozent haben in den vergangenen Monaten etwas unternommen, um ihre Stromkosten zu senken.

Millionen Tonnen CO2 einsparbar

Vor allem die Tatsache, dass 47 Prozent der Energie in Deutschland in Gebäuden verbraucht wird, lenkt die Diskussion in den Immobiliensektor. Der BVRS verweist in diesem Zusammenhang auf die Studie "Escorp-EU 25", derzufolge durch den gezielten Einsatz von Rollläden und Sonnenschutz das Potential zur Einsparung von Kohlendioxid europaweit bei immerhin 111 Millionen Tonnen pro Jahr liegt.

Und das sei 22 Mal mehr als die Wirkung der EU-Glühbirnen-Gesetzgebung, so der Verband. "Allein im Winter sind so Heizkosteneinsparungen von zehn Prozent möglich", erklärt Gerhard Mader, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Energiesparende Sonnenschutztechnik (A.E.S.). Die Wärmeverluste über die Fenster können so um bis zu 40 Prozent reduziert werden. Und tagsüber lässt sich die solare Wärme nutzen. Wird der Sonnenschutz geöffnet, können die wärmenden Strahlen ungehindert in den Raum gelangen.

Während bei privaten Eigentümern von Ein- und Zweifamilienhäusern das Einsparen von Heizenergie als Motiv für den Kauf eines Sonnenschutzsystems im Vordergrund steht, sind es im gewerblichen Bereich insbesondere das Senken des Energiebedarfs der Kühlsysteme. Denn je besser ein Gebäude gedämmt ist, umso mehr kommt es auf eine wirkungsvolle Klimaanlage an.

"Bei einer gezielten Abstimmung von Sonnenschutzmaßnahmen und Klimatechnik lassen sich die Betriebskosten von Klimaanlagen deutlich reduzieren", erklärt Diana Müller, Sprecherin des Herstellers Warema Renkhoff in Marktheidenfeld bei Würzburg. So dringt bei handelsüblichem Wärmeschutzglas etwa 60 Prozent der Sonnenenergie in Räume ein.

Wieviel Wärme erlaubt ist

In Verbindung mit einem innenliegenden, hochreflektierenden Sonnenschutzbehang lässt sich der Wärmeeintrag auf 30 Prozent reduzieren. Bei einem Außen-Sonnenschutz gelangen nur noch fünf Prozent der Wärmeenergie in den Raum. "Klimaanlagen müssen also deutlich weniger leisten, um behagliche Temperaturen zu erzielen", sagt Müller.

In Büroräumen kommt die Wärmebelastung durch die Computer hinzu. Und im Sommer muss gekühlt werden. Denn in der Arbeitsstätten-Verordnung und -Richtlinie wird gefordert, dass bei einer Außentemperatur von bis zu 32 Grad Celsius die Raumtemperatur nicht auf mehr als 26 Grad Celsius steigen darf. Bei noch höheren Außentemperaturen darf die Differenz zur Innentemperatur am Arbeitsplatz nicht mehr als sechs Grad betragen. In Büros muss zudem für Blendschutz gesorgt werden, schon aufgrund der Bildschirmarbeitsplatz-Verordnung.

Bei den Energiekosten ist der Anteil, der auf die Kühlung entfällt, deutlich größer als der Wärmeanteil. Experten schätzen das Verhältnis auf zwei Drittel zu einem Drittel. Die Energieeinsparverordnung (EnEV) fordert daher auch den Nachweis eines Sonnenschutzes im Gebäude-Energiepass.

Auch die Nutzung des Tageslichts zur Absenkung des Bedarfs für Beleuchtungsenergie geht in die Bewertungsnorm des Passes ein. Intelligente Jalousien-Systeme sind in der Lage, das Sonnenlicht an die Decke zu reflektieren und damit eine maximale Ausleuchtung des Raums zu gewährleisten.

Eine Alternative zur Außen-Jalousie sind Doppelfassaden, bei denen die Jalousie zwischen den Scheiben angebracht wird. Diese Variante bietet eine Reihe von Vorteilen, erklärt Rommel. So kann das Innenfenster geöffnet werden, um aus dem Zwischenraum der beiden Fassaden Frischluft zu beziehen. Außerdem verschmutzen die Lamellen weitaus langsamer.

Komplexe Anlagen

Eine elegante Lösung ist das Einbinden des Sonnenschutzes in die Gebäudeautomation: Eine Wetterstation wird auf dem Dach installiert, die Informationen an eine zentrale Steuerung weitergibt. Je nach Sonneneinstrahlung können die Lamellen geöffnet oder geschlossen werden. Bei großen Bürogebäude-Neubauten werden solche Systeme heute fast immer von Anfang an eingeplant. Aber auch bei privaten Ein- und Zweifamilienhäusern schätzt Rommel die Quote auf 30 bis 50 Prozent.

Bei 20 Quadratmetern Fensterfläche beziffert der BVRS die Einsparung durch eine effiziente Sonnenschutzvorrichtung auf 288 Euro. Das sind die Kosten, die sonst ein Klimagerät in einem heißen Sommer über einen Zeitraum von drei Monaten verursachen würde.

© SZ vom 22. 05. 2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: