Mietmarkt:Aussichtslose Wohnungssuche

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Münchner Mieter bekämpfen die Wohnungsnot mit Schmiergeld, Attest oder Vorsingen.

Die Wohnungsnot in München hat sich in den vergangenen Wochen drastisch zugespitzt. Mittlerweile kann die Stadt keine Obdachlosen mehr unterbringen; Mieter müssen mit Abschluss neuer Verträge zwischen 30 und 50 Prozent ihres Netto-Einkommens für die Wohnung einplanen - laut Mieterbund der mit Abstand höchste Anteil in Deutschland.

Das Ergebnis vieler Münchner Mieter nach dem Besichtigungstermin. (Foto: Foto: Photodisc)

Glückloses Inserieren

Am Freitag stand die Anzeige schon zum zweiten Mal in der Zeitung, doch angerufen hat bisher noch niemand: "23-jähriger Polizist sucht günstige Bleibe in München-Milbertshofen."

Immerhin vier Anrufe gab es auf die Anzeige: "Junge Fernsehredakteurin sucht Wohnung in und um München. Preis und Lage sind egal." Doch die potenziellen Vermieter sind für Inserentin Julia Schmelter "die total verrückten Leute". Für eine 48 Quadratmeter große 2-Zimmer-Wohnung sollte sie 2200 Mark zahlen, für zwei Zimmer in einem Wohnhaus mit Gemeinschafts-Bad sogar 2500 Mark.

Wohn-Alternativen

Die Zeitungen in der bayerischen Landeshauptstadt bringen derzeit täglich neue Schlagzeilen vom umkämpften Wohnungsmarkt: da ist das Paar aus den neuen Bundesländern, das zwar Arbeit gefunden hat, aber keine Unterkunft und deshalb auf dem Campingplatz im Wohnwagen haust.

Ein Züricher Architekt konnte als einzige Bleibe vorübergehend ein leeres Zimmer im Altenheim beziehen.

Schlüssel zum Erfolg

Nach den Berichten von Vermietern stehen vor den wenigen freien Wohnungen oft über hundert Interessenten zur Besichtigung Schlange.

Wer den Zuschlag bekommen will, muss nicht nur ein gesichertes Einkommen nachweisen, sondern zum Teil auch Gesundheitsatteste vorweisen oder einen Kinderwunsch verneinen.

Und wer der Entscheidung des Vermieters ein wenig nachhelfen möchte, zahlt wohl oder übel ein Schmiergeld von mehreren tausend Mark.

Zwei junge Studentinnen bekamen ein Apartment, weil sie dem Vermieter vorsangen.

Wohnungsmarkt nicht mitgewachsen, Preise schon

Der Engpass auf dem Wohnungsmarkt ist die Schattenseite des großen wirtschaftlichen Erfolg Münchens. Mit über 18.000 Unternehmen aus der Informationstechnologie in der Stadt und ihrem Umfeld gilt die Isar-Metropole als führendes europäisches Zentrum.

Microsoft hat hier ebenso seine deutsche Zentrale wie Siemens, der Telefon-Konzern Group 3G will aus München den UMTS-Mobilfunkmarkt erobern und stellt permanent Personal ein. "

Die wirtschaftliche Entwicklung hat die Nachfrage sprunghaft steigen lassen," sagt Johannes Schneider, Landesvorsitzender des Rings Deutscher Makler (RDM). In den vergangenen zwei Jahren sind nach Angaben des RDM die monatlichen Mieten um gut ein Viertel gestiegen, der Quadratmeterpreis liegt bei 26 Mark kalt und darüber.

Doch während die Konzerne ihren hochqualifizierten Mitarbeitern bei der Suche helfen, sieht die Lage bei "einfachen" Arbeitnehmern trostlos aus. "Viele müssen einfach nach außerhalb ziehen," sagt Sibylle Färber vom bayerischen Mieterbund.

Die aktuelle Lage sei gerade für Menschen im Dienstleistungsbereich sehr schwierig. "In der Gastronomie, bei der Post oder im Sicherheitsbereich liegt der Verdienst zwar über dem Sozialhilfesatz. Aber er ist doch so gering, dass es nicht für eine normale Wohnung reicht." Ein beliebter Ausweichort für Pendelwillige sei das etwa 100 Kilometer entfernte Ingolstadt.

Die Münchner Post hat schon vor einigen Monaten die Notbremse gezogen und 860 Wohnheimplätze angemietet. Weil es in München entgegen dem Bundestrend kaum Arbeitssuchende gibt, wirbt sie in den neuen Ländern Männer und Frauen an. "Damit die einen zusätzlichen Anreiz haben, können sie ein Jahr umsonst im Wohnheim wohnen und derweil in Ruhe eine Wohnung suchen," sagt Post-Sprecher Gert Hilger. Knapp eine Million Mark im Jahr lässt das Unternehmen sich diese Zusatzleistung kosten.

Stadtpolitik

Für Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) ist der Wohnungsmarkt im bevorstehenden Kommunalwahlkampf 2002 ein brisantes Thema. Zuletzt musste Ude eine bittere Schlappe einstecken. Weil es für Obdachlose keine Zimmer mehr gab, beschloss der Stadtrat das Aufstellen von vier Wohncontainern. Die Kosten aus dem Stadtsäckel dafür betragen vier Millionen Mark, weshalb die Stadt-CSU bereits über den von Rot-Grün "an die Wand gefahrenen Wohnungsmarkt" jubiliert.

Quelle: AFP

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