Mietalltag:Der ganz normale Wahnsinn

Lesezeit: 3 min

Der Mietalltag überschreitet manchmal die Grenze des Erträglichen: Wie die Parteien miteinander umgehen.

Andreas Lohse

"Der Hof ist stets frei und rein zu halten und darf nicht durch Auswerfen von Abfällen, Knochen oder Lumpen aus den Fenstern verunreinigt werden." Klauseln einer Hausordnung aus dem Jahr 1927, die - jener Zeit geschuldet - bierernst gemeint waren. Wobei niemand annehmen sollte, dass das moderne Mieterleben frei von Kuriositäten wäre.

Korrekte Schuhe

Eine wahre Fundgrube sind Mietverträge. So wurde einer Mieterin untersagt, in der Badewanne Wäsche zu waschen und in der Wohnung Pfennigabsätze zu tragen. Mehr noch: "Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass kein feines Klopapier verwendet wird, wegen der Verstopfungsgefahr des Abflusses."

Mieterverein verboten

Fast überflüssig, darauf hinzuweisen, dass diese Klauseln ebenso ungültig sind wie ein Passus, worin ein Vermieter in Mühlhausen seinem Mieter - nach offenbar schlechten Erfahrungen mit dem Vormieter - verbieten wollte, die "Unterstützung des Mietervereins bei Problemen des Mietrechts" wahrzunehmen.

Eine schon betagte hessische Vermieterin hatte von ihren Mietern endgültig die Nase voll. Auf ein Schreiben des Mieterberaters, der die Richtigkeit einer Betriebskostenabrechnung in Frage stellte, reagierte sie prompt: "Schreiben zurück. Die Abrechnung ist in Ordnung, daran wird sich nichts ändern. Möchte nicht mehr belästigt werden."

Hausschwein ist in Ordnung

In Berlin durfte eine Frau kein Hausschwein in ihrer Mietwohnung halten - nur allzu verständlich, wird mancher denken. Der Richter sah das anders. Ein Mieter sei durchaus berechtigt, in seiner Mietwohnung ein Schwein zu halten, wenn es im Treppenhaus nicht nach Schwein stinke. Der Mieter habe in diesem Fall gar einen Anspruch auf Zustimmung des Vermieters auf Schweinehaltung. Inzwischen ist das Tier Zeitungsberichten zufolge verstorben. Die Todesursache ist nicht bekannt.

Auto verkaufen, um Miete zu zahlen

Kurz vor der Mietrechtsreform erhielt ein Mieter von seiner hessischen Hausverwaltung eine Mieterhöhung mit dem Hinweis, die Bundesregierung würde, "wie Sie wissen", mit Hochdruck daran arbeiten, die Situation für Vermieter unverantwortlich und grundgesetzwidrig zu verschlechtern. Deshalb sehe man sich gezwungen, die Kaltmiete von 508 auf 660 Mark monatlich zu erhöhen. Die Verwaltung zeigte überdies, dass sie mitgedacht hatte: Die Mieterhöhung sollte doch eigentlich kein Problem sein, wenn die Mieter einfach ihr Auto verkaufen würden. Damit spare man zudem die Parkplatzmiete.

Mieter raus, sonst trifft den Vermieter der Schlag

In einem anderen Fall hatte ein Mieter in Baden-Württemberg seinen Vermieter wegen Mietwuchers angezeigt. Der kündigte dem daraufhin prompt die Wohnung, denn durch die Anzeige sei das Mietverhältnis "blitzartig, vollkommen und unhaltbar zerstört". Der Vermieter stellte dem Mieter frei, auch "schon an jedem beliebigen Tag auszuziehen. Jeder Tag, jede Stunde zählt". Kurze Zeit später kündigte er das Mietverhältnis vorsichtshalber erneut: "Zur Wiederherstellung meiner natürlichen Lebenserwartung und Gesundheit muss dies raschestmöglich beendet werden." Damit nicht genug. Kaum eine Woche danach drohte er mit Herzschlag - und den Mietern, sie seien für Arztbesuche und Medikamente haftbar zu machen. Im schlimmsten Fall müssten sie gar die Beerdigungskosten, ein Schmerzensgeld und Witwenrente zahlen.

Dackel erhöht die Nebenkosten

Im Vertrag eines anderen Hausbesitzers war festgelegt, dass die Nebenkostenabrechnung pro Kopf umgelegt werden sollte. Allerdings erhielt eine dreiköpfige Familie eine Abrechnung, der vier Köpfe zu Grunde lagen: Als vierten Bewohner hatte der Eigentümer kurzerhand den Familiendackel angesetzt.

Im Stehen pinkeln

Auch Richter tragen manchmal zur Erheiterung bei - naturgemäß freut sich immer nur eine der beiden Streitparteien. In Wuppertal fühlte sich ein Ehepaar durch das laute Urinieren des Nachbarn derartig gestört, dass es dem Mann untersagen lassen wollte, Selbiges im Stehen zu tun. Die Richterin: Dem Mieter Vorschriften zu machen, welche Technik er beim Urinieren anzuwenden habe, sei ein abzulehnender Eingriff in dessen Intimsphäre. Lebensäußerungen in einem hellhörigen Haus seien am besten "mit Gelassenheit" zu ertragen - der Mann durfte weiterhin stehend pinkeln.

Explosion droht

Weniger lustig und in der Konsequenz auch nicht wirklich durchdacht zeigte sich ein Kölner Mieter. Nachdem der Vermieter wegen anstehender Umbauten die Wohnung gesetzeskonform gekündigt hatte, erhielt er einen Zeitungsausschnitt: mit einem Bericht über eine Gasexplosion mit Todesfolgen in einem Mietshaus. Der Vermieter erkannte darin eine akute Bedrohung. Er klagte auf Räumung und gewann.

Richter nicht neutral

Ganz und gar verantwortungsbewusst verhielt sich ein anderer Richter: Er lehnte sich selbst als Gericht ab. Der Grund: Der Beklagte war sein eigener Vermieter. Das lasse "zumindest die Möglichkeit nahe liegen, der Richter werde den Parteien nicht völlig unbeeinflusst gegenüberstehen", erkannte wohl nicht zu Unrecht das Landgericht Berlin.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: