Merkels Wirtschaftsberater Weidmann:Der Parteilose

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Als Angela Merkel Jens Weidmann zu ihrem Wirtschaftsberater machte, rümpfte die Mehrheit noch die Nase über ihre Personalauswahl. Das ist heute anders.

Stefan Braun

Wirtschaftsberater der Kanzlerin - das klingt nach Status, nach Wichtigkeit, nach großer Bedeutung. Und weil das so ist, klingt es auch nach Eitelkeit, nach Lust auf Öffentlichkeit und Fernsehauftritten. All das aber gibt es beim wichtigsten Wirtschaftsberater von Angela Merkel nicht.

Wirtschaftsberater der Kanzlerin: Dr. Jens Weidmann. (Foto: Foto: CDU/CSU)

Jens Weidmann, vierzig Jahre alt, ist weder ein Marktschreier noch ein Wichtigtuer. Er ist das, was sich die Kanzlerin im Idealfall von einem Berater erwartet: ruhig, sachlich, stressresistent und ohne jedes Bedürfnis, sich in Szene zu setzen.

Anfängliches Naserümpfen

Er selbst beschreibt seine Rolle zurückhaltend: "Ich lege das Für und Wider dar und mache deutlich, welche Argumente aus meiner Sicht schwerer wiegen." Er entscheidet also selten selbst, sondern hilft der Kanzlerin, ihre Entscheidung zu finden. Was freilich auch bedeutet, dass man selten weiß, wie viel Einfluss er wirklich hat, wenn sie einen Beschluss fasst.

Als Merkel ihn Anfang 2006 zum Abteilungsleiter im Kanzleramt machte, kannte so gut wie niemand in der Hauptstadt den damals 37-jährigen. In Expertenkreisen hatte er sich zwar einen Namen gemacht, weil er an einem Gutachten der fünf Wirtschaftsweisen maßgeblich mitformuliert hatte.

Die große Mehrheit allerdings rümpfte die Nase, lächelte über Merkels Personalauswahl und spekulierte munter, wann sie wohl auf einen erfahreneren Experten zurückgreifen würde. Diese Spekulanten warten noch immer. Und sie werden nicht mit einem Erfolg belohnt werden.

Weidmann hat sich, so heißt es überall, viel Ansehen erarbeitet. Als er sein Amt antrat, wusste er um seinen geringen Bekanntheitsgrad und setzte darauf, dass sich das durch das Amt selbst ändern werde. Er hat recht behalten. Im politischen Umfeld der Hauptstadt hat er sich zu einem respektierten und einflussreichen Mann der Regierungszentrale entwickelt.

Doktorarbeit über europäische Geldpolitik

Auch bei den Damen und Herren der Wirtschaft ist das milde Lächeln des Anfangs verflogen. Selbst die SPD schätzt ihn als ehrlichen Partner. Damit ist eingetreten, was Bundesbankchef Axel Weber und offenbar auch Bundespräsident Horst Köhler Merkel im Herbst 2005 voraussagten: dass Weidmann der passende Mann sein könnte.

In der aktuellen Finanzkrise erscheint der promovierte Volkswirt ohnehin als der geeignete Berater. Seine Doktorarbeit schrieb er über die europäische Geldpolitik; einige Jahre seines Berufslebens verbrachte er in der Bundesbank. Eines allerdings hat auch er in drei Jahren im Kanzleramt nicht verhindern können: Dass Merkel noch immer der Ruf anhaftet, in der Wirtschaftspolitik nicht eben einer geraden Linie zu folgen.

Der zweifache Vater hat sich im übrigen eine Unabhängigkeit bewahrt: Er ist ein parteiloser Mitarbeiter der Kanzlerin, und er will das auch bleiben. Merkels wichtigster Mann in der derzeitigen Krise weiß, dass sein Job als Kanzlerberater nicht für die Ewigkeit sein wird.

Würde Merkel 2009 abgewählt werden, müsste auch er sich etwas Neues suchen. Sorgen bereitet ihm das bislang nicht. Er ist selbstbewusst genug, davon auszugehen, in der Wirtschaft oder in internationalen Institutionen wie Weltbank oder EU-Kommission einen neuen Posten zu bekommen.

© SZ vom 08.10.2008/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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