Mehrwertsteuer:Schweigen oder doch lieber reden?

Lesezeit: 3 min

In wenigen Wochen gilt ein neuer Steuersatz. Doch viele Unternehmen fragen sich: Wie sag ichs meinem Kunden?

Ulrike App

Eine hässliche 19 spaziert durch die Straßen und verbreitet dabei reichlich Schrecken. Doch: "Keine Angst!" suggeriert Skoda ironisch-einfühlsam im TV-Spot, für die Kunden der VW-Tochter wird's noch nicht so schnell ernst. Wer bis Ende 2006 ein Auto bestellt, sichert sich bei der Lieferung im nächsten Jahr trotzdem den alten Preis - ohne den Steueraufschlag.

In einem Skoda-Werbespot versucht eine lebende 19, Konsumenten Angst einzujagen. (Foto: Foto: WuV/Skoda)

Die 19 ist in diesen Tagen schwer beschäftigt. Denn wie Skoda befassen sich etliche Unternehmen - von Saturn bis Bacardi - mit dem mehr oder weniger furchteinflößenden Thema: der Mehrwertsteuer-Erhöhung.

Nun gilt es für Werber wie Leagas Delaney (Skoda) oder Jung von Matt (Saturn) keinen Zweifel daran zu lassen, dass der richtige Zeitpunkt für ein letztes Schnäppchen gekommen ist.

Vorgezogene Käufe

Die Zahlen geben den Marketing-Strategen recht: 22 Prozent der Befragten eines Online-Panels des Marketingdienstleisters eCircle gaben Anfang November zu Protokoll, sie würden Anschaffungen vorziehen und noch schnell 2006 zum Shoppen gehen. Weitere 15 Prozent sind unentschlossen.

"Es ist sogar davon auszugehen, dass sich weitere Konsumenten dem Trend anschließen werden, da die Mehrwertsteuer-Diskussion in der Öffentlichkeit bis zum Jahresende zunehmend an Bedeutung gewinnen wird", prognostiziert Volker Wiewer, Vorstandsvorsitzender der eCircle AG.

Freuen dürften sich laut der Studie vor allem Hersteller von Haushaltsgeräten, Möbeln und Unterhaltungselektronik. Auch Autos, Kleidung und Computer stehen auf den Last-Minute-Einkaufslisten.

Doch den ungewollten Zuschlag ab 2007 müssen die Unternehmen den Verbrauchern noch während des Schlussspurts näher bringen. "Gegenüber den Kunden sollte eine Anhebung der Preise nicht kommuniziert werden. Auf Nachfrage sollte das Unternehmen jedoch konkret angeben können, warum und um wie viel eine Erhöhung stattfindet", rät Georg Tacke, Senior Partner bei der Unternehmensberatung Simon Kucher & Partners, Bonn.

Schweigen als Strategie

Oder doch lieber schweigen? So handelt zumindest ein Teil der Unternehmen. Manche greifen zu Tricks wie "Mogelpackungen" - weniger Inhalt, gleicher Preis - und Produkt-Relaunches. Doch diese Strategien sorgen schon jetzt für reichlich Misstrauen bei den Kunden.

Schadensbegrenzung via PR-Offensive betreiben deshalb nicht zuletzt Unternehmen mit preissensibler Klientel wie Hornbach oder Ikea. In der klassischen Werbung spielen die drohenden 19 Prozent zwar keine Rolle.

Dafür "outen" sich die Firmen: Albrecht Hornbach, Vorstandsvorsitzender der Baumärkte, will die Mehrbelastungen an die Verbraucher "exakt" weitergeben - über das gesamte Sortiment hinweg, teilte er in einem Statement mit. "Unser Unternehmen setzt nicht auf die Theorie der optischen Preise", versichert Hornbach.

Ikea-Geschäftsführerin Petra Hesser geht einen ähnlichen Weg: "Ein Niedrigpreisunternehmen, das eine realistische und transparente Preissetzung hat, kann drei Prozent Steuererhöhung nicht ohne Kompensation verkraften", stellt sie fest.

Der im September erschienene Katalog des Möbelhauses enthält noch die "alten" Preise, eigentlich gültig bis August 2007 - hier allerdings schon mit dem Zusatz: Mehrwertsteuer-Änderungen vorbehalten. Im Januar locken die Schweden wie üblich mit Aktionsangeboten.

Ikea wird ab Februar teurer

Ab Februar schlägt das Möbelhaus dann auf: Damit fällt so mancher Schwellenpreis. Gerundet wird nach unten, wie Ikea versichert. Für die Kunden liegen Info-Broschüren in den Filialen bereit.

Verfechter gleichbleibender Preise gibt es aber natürlich auch - denn das Lob von allen Seiten scheint hier (fast) sicher: Mit Vehemenz meldet sich unter anderem E-Plus zu Wort.

CEO Michael Krammer profiliert sich als Vorkämpfer. Er verkündete Mitte Oktober via offenen Brief an andere Unternehmen: "Die Bruttopreise bleiben unten." Krammer fordert "keine vorgezogenen Werbekampagnen mit dem Thema der Mehrwertsteuer-Erhöhung, die die Verbraucher nur irritieren und verunsichern". Auszüge aus dem Schriftstück gingen exklusiv an Bild. Von hier aus machte das Bekenntnis Karriere durch alle Medien hindurch.

Die Aufdecker

Die Düsseldorfer treten zudem als Partner von Teuerfahnder.de auf. Hinter der Internet-Seite steht die E-Plus-Agentur Wunderknaben, Erkrath. Die Website will laut eigenem Auftrag den Tricksern auf die Spur kommen.

Eine textlastige Anzeige zur "großen Aktion gegen Preisabzocke" schaltet das Duo seit 12. November in Bild und Bild am Sonntag - mit der Aufforderung, Unternehmen an den Internet-Pranger zu stellen. Parallel dazu starten die Düsseldorfer eine breite Banner-Kampagne.

Dass solche Bekenntnisse jedoch ins Lächerliche abgleiten können, demonstriert Kik. Teurer will der Textil-Discounter 2007 nicht werden. Doch die kommunikative Umsetzung ist gewöhnungsbedürftig: "Ich scheiß' auf die Mehrwertsteuer-Erhöhung" krakelt im TV-Spot ein wandelndes rotes T-Shirt - und sitzt dabei auf einer Toilette.

© Quelle: Werben&Verkaufen - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: