Maklerdeutsch:Chiffrierte Botschaften

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Die Euphemismen der Makler:

Antje Schweitzer

Zum Beispiel bei den "Ortsangaben": So steht "in unberührter Natur" wahrscheinlich für "mitten auf dem Acker". Ähnlich wie "dörflich gelegen", was wohl in Wirklichkeit bedeutet "wo Fuchs und Hase sich gute Nacht sagen".

Und wer sich für eine Immobilie in "ruhiger Randlage" entscheidet, darf künftig mit drei Kilometern Feldweg zum nächsten Dorf vorlieb nehmen.

Das Gegenteil gibt's natürlich auch. So weist eine "lebhafte Umgebung" verschämt darauf hin, dass Schlaf erst im Morgengrauen möglich ist. Ebenso wie "jugendliches Ambiente". Übersetzt könnte das heißen: "Kneipenviertel, in dem man bis tief in die Nacht kein Auge zutun kann."

Umgekehrt sollte man ein als "seriös" bezeichnetes Umfeld genauer in Augenschein nehmen. Das kann ein Bankenviertel sein, in dem abends absolut tote Hose ist. "Wenige Autominuten von der City" ist schlimmstenfalls eine Stadtrandlage ohne Bahn-/Busanbindung.

Auch bei Angaben zur Beschaffenheit von Haus oder Wohnung sollten Käufer zwischen den Zeilen lesen können. Bei einer "außergewöhnlichen Architektur" könnte es sich um eine geschmackliche Verirrung handeln.

"Perfekte Wohnung" heißt übersetzt "hier kann nichts mehr geändert werden" und "gut erhalten" steht möglicherweise für "renovierungsbedürftig".

Mit "halb freistehend" wird häufig ein gewöhnliches Doppelhaus charakterisiert.

Wenn das auch noch "für Schnellentschlossene" offeriert wird, verbirgt sich dahinter: "wird seit langem angeboten".

"Offener Wohnstil" meint: nur das Bad ist durch Wand und Tür abgetrennt. So schön die Information "großzügige Räume" anfangs klingen mag - gemeint sein könnten riesige Zimmer mit enormen Heizkosten.

Was für das Innenleben einer Immobilie gilt, hat auch für das Drumherum seine Bewandtnis. Wer für eine "idyllische Hanglage" schwärmt, bekommt möglicherweise Feuchtigkeit gratis.

Und bei einem schlichten "Garten" ohne den Zusatz "schöner Garten", muss die Planierraupe wahrscheinlich erst einmal für Ordnung sorgen. Ein "großes Naturgrundstück" impliziert hohe Kosten für die Gartenpflege.

Vorsicht ist auch geboten, wenn Selbstverständlichkeiten wie "sehr gute Wohnungsaufteilung" oder "Schallschutz nach DIN" gesondert erwähnt werden. Außer dem Minimum an Ausstattung darf der Käufer hier offensichtlich nicht viel mehr erwarten.

Sicher darf der Interessent angesichts der typischen Floskeln, die häufig in Immobilienanzeigen zu finden sind, auch nicht zu misstrauisch werden. Doch die Tendenz stimmt: Wer den Geheimcode der Anzeigensprache knacken will, muss zwischen den Zeilen lesen können. Nicht alles, was sich auf dem Papier phantastisch anhört, ist in Wirklichkeit genauso schillernd. Die Wahrheit liegt eben doch oft in der Mitte.

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