Märkte & Trends:Der Osten im Aufwind

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Der anhaltende Rohstoffboom, die Entwicklung der Infrastruktur, der private Konsum sowie eine engere Integration mit umliegenden Wirtschaftregionen bilden beste Voraussetzungen für ein anhaltendes Wachstum in Osteuropa und Russland.

Die Aufholjagd von Ost- gegenüber Westeuropa ist in vollem Gange und wird sich in den kommenden Jahren fortsetzen. Die Zahlen sind beeindruckend. So lag das durchschnittliche Wirtschaftswachstum der neuen osteuropäischen EU-Mitglieder in den Jahren 2001 bis 2007 zwischen 4,0 und 6,4 Prozent pro Jahr. Zum Vergleich: Die westlichen Staaten, die EU 15, brachten es im gleichen Zeitraum dagegen lediglich auf ein durchschnittliches Plus zwischen 0,5 und 2,8 Prozent. Dabei wird der Boom Osteuropas von verschiedenen Faktoren getrieben: steigende Investitionen ausländischer Unternehmen, eine starke Zunahme des privaten Konsums und ein massiver Ausbau der Infrastruktur; um nur drei zentrale Punkte zu nennen. Und spätestens seit der Vergabe der Fußball-EM 2012 an Polen und die Ukraine sollte es keine Zweifel mehr daran geben, dass unsere osteuropäischen Nachbarn in der Mitte Europas angekommen sind.

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Rohstoffhausse als Inititalzündung Eine zentrale Rolle in der gesamten Region spielt Russland. Es profitiert vor allem von hohen Öl- und Gaspreisen, die auf die rasant steigende weltweite Nachfrage zurück zu führen sind. Zu Beginn des Jahrzehnts erwiesen sich vor allem ein niedriger Wechselkurs und steigende Ölpreise als willkommene Starthilfe für die damals am Boden liegende russische Wirtschaft. Ab dem Jahr 2003 trugen auch der private Konsum und Investitionen zunehmend ihren Teil bei. So steigerten die Russen ihre privaten Ausgaben zwischen 2000 von damals 88 Mrd. Euro auf 423 Mrd. Euro in 2007 (Quelle: Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche). Hauptgrund hierfür ist eine stetige Verringerung der zuvor grassierenden Armut sowie eine sich langsam bildende Mittelklasse. Die wieder gewonnene Stärke ermöglichte im August 2006 die Rückzahlung der Restschuld aus der Sowjet-Ära. Sprudelnde Einnahmen aus den Ölexporten ließen die Kassen der Zentralbank von 12 Milliarden US-Dollar im Jahre 1999 auf 315 Milliarden US-Dollar Ende 2006 (Quelle: Internationaler Währungsfonds) anwachsen. Russland verfügt inzwischen über die drittgrößten Devisenreserven der Welt.

Weltweiter Energiebedarf sorgt für Wachstum Die wichtigsten Devisenbringer Russlands sind die Erlöse aus dem Öl- und Gasgeschäft. Im vergangenen Jahr entfielen fast 65 Prozent der Exporte auf diese Segmente. Dank zahlreicher Neuemissionen in den letzten Monaten erhöhte sich die sektorale Diversifikation des russischen Marktes und eröffnet neue zusätzliche Optionen. Die anhaltend starke Abhängigkeit vom Energiesektor stellt zwar ein gewisses Risiko dar. Angesichts des weltweiten Energiehungers ist in den kommenden Jahren allerdings kaum mit sinkenden Einnahmen aus den wichtigsten Exportträgern zu rechnen. Erhalten die Vertreter der Peak-Oil-These Recht, wonach die weltweite Förderung von Erdöl demnächst die maximale Förderkapazität erreicht hat, dürften die Preise des schwarzen Goldes ihren Aufwärtstrend auf Sicht fortsetzen. Im Quervergleich zu anderen Börsenbarometern der Welt ist das eurasische Riesenreich mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis für 2008 von 12 unvermindert preiswert. Die Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Präsidentschaftswahl im März dieses Jahres haben sich als unbegründet erwiesen. Der neue Präsident Dmitri Medwedew wird allein schon aus wirtschaftlichen Gründen die Reformpolitik weiterführen. Zudem wird Wladimir Putin auch in den kommenden Jahren, sei es nun als Ministerpräsident oder in anderer Funktion, eine wichtige Rolle spielen

Das Wirtschaftswachstum wird sich zwar in naher Zukunft wegen Kapazitätsengpässen, einer teilweise nur schleppenden Änderung der institutionellen Rahmenbedingungen und der realen Aufwertung des Rubels leicht abschwächen. Dennoch ist auch 2008 in Russland und den osteuropäischen Kernländern noch mit realen Zuwachsraten von durchschnittlich rund 5 Prozent zu rechnen. Das ist gut doppelt so hoch wie das erwartete Plus der EU-15.

Polen und Rumänien mit enormen Potenzial Neben Russland erwarten Experten vor allem für Polen und Rumänien in den kommenden Jahren eine sehr positive wirtschaftliche Entwicklung. Polen bietet mit seinen 38 Millionen Einwohnern einen riesigen Binnenmarkt. Ein immer größerer Teil der Bevölkerung rückt in die Mittelschicht auf und steigert seinen Konsum kontinuierlich; in 2006 um 5,1 Prozent und in 2007 um rund 6 Prozent. Für 2008 und 2009 sehen Prognosen ähnlich hohe Werte voraus. Und auch die Fußball-EM 2012 treibt die polnische Wirtschaft an. So beziffert die polnische Regierung alleine die Ausgaben für den Ausbau der Infrastruktur auf 18 Mrd. Euro. Davon werden etwa neue Straßen in einer Gesamtlänge von 4.700 Kilometern gebaut. Neben diesen positiven Impulsen für den inländischen Markt, entwickelt sich auch der Export sehr positiv. Bis 2008 erwarten Experten einen Anstieg auf knapp 160 Mrd. US-Dollar. Dies entspricht einer Steigerung von rund 65 Prozent in nur drei Jahren.

Mit knapp 22 Mill. Einwohnern stellt Rumänien ebenfalls eines der Schwergewichte unter den osteuropäischen EU-Staaten dar. Das Land trat erst 2007 der Europäischen Union bei und hat einen entsprechend großen Aufholbedarf. Wie in Polen treibt auch die rumänische Bevölkerung mit ihrem Konsum das Wirtschaftswachstum voran. So legte dieser in den Jahren 2005 bis 2007 zwischen 9,6 und 14,0 Prozent zu. Damit war das Land europäischer Spitzenreiter. Zudem herrscht in Rumänien ein regelrechter Investitionsboom, der 2007 seinen Höhepunkt erreichte. Davon profitiert besonders die Bauwirtschaft. Und aufgrund der günstigen Arbeitskosten sowie der steuerlichen Rahmenbedingungen errichten immer mehr ausländische Unternehmen Produktionsstätten im Land des EU-Neulings. Unter ihnen sind Weltkonzerne wie Continental, Siemens und Nokia; um nur ein paar Namen zu nennen.

Auch wenn die aktuelle Eintrübung der Weltwirtschaft nicht völlig spurlos an den osteuropäischen Ländern und Russland vorbei geht, stehen die Zeichen in den ehemaligen Sowjet-Staaten auf Wachstum. Die Aufholjagd gegenüber den westlichen Staaten lässt sich nicht mehr umkehren. Von diesem Prozess sollten Anleger in den kommenden Jahren profitieren.

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