Loft:Reizende Ausmaße

Lesezeit: 2 min

Vor hundert Jahren wechselten alte Fabriken Funktion und Namen: Als Loft eroberten sie den Immobilienmarkt.

Eike Schrimm

Will der Regisseur seinen Darsteller ohne Worte porträtieren, zeigt er einfach sein Zuhause: Der amerikanischen Durchschnitts-Familie fehlt zum Beispiel immer Platz. Der erfolgreiche Single-Amerikaner dagegen wohnt großzügig, gern in einem Loft: früher Fabrik, heute ein ausgefallenes Vorzeigeobjekt.

Früher wurden hier Schiffe groß. Heute beherbergt die Halle das Kultur- und Werkzentrum für das Zürcher Schauspielhaus. (Foto: Fotos: Callwey Verlag)

In "Eine verhängnisvolle Affäre" bringt Regisseur David Lyne seine beiden Hauptdarsteller nach genau diesem Motiv unter: Michael Douglas findet mit seiner Kleinfamilie in einer engen, aber gemütlichen Stadtwohnung ein passendes Zuhause. Glenn Close als erfolgreiche Lektorin lebt in einer ehemaligen Fabriketage. Unterschiedliche Wohnsituationen drücken unterschiedliche Lebensziele aus: Der Familienvater eingebetet im liebevollen Chaos, die Karrierefrau passend zwischen rauer Industrie und weichen Kissen.

Lofts im deutschsprachigen Raum

In der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert entdeckten Künstler leer stehende Industriebauten als Wohnraum und Atelier.

Noch heute reizen Fabrikgebäude mit ihren Maßen: Höhe und Weite des Raumes reduzieren Lebensraum nicht auf die kleinstmögliche Fäche, sondern erlauben größtmögliche Freiheit.

Thomas Drexel - Architekt und Autor - verkettet die Anziehungskraft der Industrieanlagen: Loft - Luft - Lust.

Drexel greift den Reiz der alten Fabriken auf und veröffentlicht sein Buch "Loft. Wohnen und Arbeiten in umgebauten Fabriketagen".

Zu Beginn beschreibt er unterhaltsam den Prozess, wie Maschinen verschwinden und Möbeln Platz machen. Drexel beschreibt aber nicht nur die Faszination der Klötze, sondern nennt auch ihre Tücken: "Weit ab von Großstädten, findet Wohnen in ehemaligen Gewerbebauten noch nicht jedermanns Beifall."

Die Einführung nimmt sich 14 Seiten Zeit, um den Loft-Liebhaber vorzubereiten auf Kauf, Sanierung und Einrichtung.

Gesicht wahren

Anschließend folgen 25 Lofts in großen Bildern von drinnen und draußen. Ein Info-Kasten fasst Daten zusammen über Standort, Architketen, Baujahr, Umbauzeitraum, Maßangaben oder Umbaukosten. Ausführliche Porträts vollenden den Gesamteindruck.

Drexel verspricht, dass seine auserwählten Beispiele vorbildhaft das Leitmotiv umsetzen: "Den Charme der alten Fabrikhallen bewahren." Leider schaffen das aber nicht alle. Klicken Sie auf das Bild mit dem Schornstein und die Lofts stellen sich bildlich vor.

Backsteinmauern einer Seifenfabrik mutierten zu einer glatten, modischen terrakotta-farbenen Fassade, gekrönt mit einem modischen Glasaufbau. Nichts blieb vom alten Charakter, verloren die Faszination der alten Fabrik.

Auch innen vergaßen Architekt und/ oder Bewohner manchmal den Ursprung, glätteten Wände, verlegten neue Holzböden, zogen Zwischendecken. Die Geschichte des Gebäudes ist verschwunden. Das Innenleben unterscheidet sich kaum mehr von einem gewöhnlichen Dachausbau.

Aber es gibt auch gelungene Sanierungen, die lehren, wie unverwechselbar ein Loft aussehen kann. Architekten und Bauherren putzten ein Kraftwerk heraus, passten es dem heutigen technischen Anspruch an, ohne aber die Herkunft zu vergessen. Selbst Hängeleuchten aus Aluminium deuten auf vergangene Zeiten hin.

Fazit

Thomas Drexel zeigt auf 160 Seiten, 186 Fotos und 20 Grundrissen, was aus einer Schürzen-, Polster-, Fass- oder Zigarrenfabrik, aus einer Weberei oder einer Kupferschmiede geworden ist.

Obwohl nicht alle Beispiele die Stimmung treffen, lohnt sich das Buch. Schon allein wegen der gelungenen, professionellen Aufnahmen, aber auch weil man aus den Fehlern lernt und die guten Ideen für sich behält.

Thomas Drexel: Loft. Wohnen und Arbeiten in umgebauten Fabriketagen. 48 Euro, Callwey Verlag.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: