Bei einem Beratungsgespräch einer 85-Jährigen ist zunächst anzumerken, dass es stets von Vorteil ist, eine Vertrauensperson mit einzubeziehen. Dies schafft für die ältere Person eine angenehmere Gesprächsatmosphäre.
Die Risikominimierung und die Gewinnrealisierungsabsicht ist grundsätzlich richtig. Falls ein Depot nur aus einem einzigen Aktienfonds existiert, kann man nicht von einer Diversifikation sprechen.
Die Vermutung, dass es in diesem Gespräch primär um die Gewinnerzielungsinteressen der Bank und nicht um das Wohl einer älteren Kundin ging, lässt sich Ihren Schilderungen nach nicht von der Hand weisen.
Reine Abschlussvermittlung
Der Verkäufer hat den Verkauf wahrscheinlich so abgewickelt, als ob die Depotinhaberin die neuen Wertpapiere selber kaufen wollte und er nur die Anweisung ausgeführt hat - also keine Beratung, sondern reine Abschlussvermittlung.
Falls die Wertentwicklung und die Risikostreuung des Depots gestimmt hätte, wäre man als Kundin wahrscheinlich mit angemessenen Gebühren einverstanden gewesen. Eine weitere Frage ist, was die Bank in den vorherigen 36 Jahren gemacht hatte.
Der Bundesgerichtshof gibt in seiner jüngsten Rechtsprechung Finanzberatern und Banken die Maßgabe, ihre Kunden zukünftig über die mit dem Geschäft unmittelbar und in der Folge verbundenen Provisionszahlungen vor Vertragsabschluss aufzuklären.
Dies zeigt ein jüngst bekannt gewordenes Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH - Az.: XI ZR 56/05). Begründung: Der Kunde müsse beurteilen können, ob die Anlageempfehlung allein im Kundeninteresse erfolgt ist, "oder im Interesse der Bank".
A. Sabri Ergin ist Vorstandsvorsitzender der Ergin Finanzberatung in München.