Lehman-Pleite:"Menschen werden weiterhin gierig sein"

Ernst-Wilhelm Händler, Autor des Kapitalismus-kritischen Buchs "Wenn wir sterben" erzählt, wie er vom Lehman-Kollaps erfuhr.

Wo erfuhren Sie von Lehmans Pleite?

Ernst-Wilhelm Händler: "Ich glaubte damals, dass die Finanzkrise lediglich eine Wachstumspause für die Weltwirtschaft zur Folge haben würde" (Foto: Foto: oH)

Ich saß über Kalkulationen.

Was war Ihr erster Gedanke?

McCains Berater haben im Weißen Haus angerufen. McCain brauchte Rückenwind für seine Kampagne, die Republikaner und ihre Wählerschaft sind grundsätzlich im Zweifel gegen Staatseingriffe, die republikanische Position sollte ein schärferes Profil bekommen.

Seien Sie bitte ehrlich: Ahnten Sie, was da auf uns zukommt?

Bereits vor dem Ausbruch der Finanzkrise war die Weltkonjunktur im Zurückgehen begriffen. Zum Zeitpunkt der Lehman-Insolvenz war die Datenlage wohl nur für die unmittelbar befassten Wissenschaftler entsprechend lesbar. Ich glaubte damals, dass die Finanzkrise lediglich eine Wachstumspause für die Weltwirtschaft zur Folge haben würde. Insbesondere hatte ich das Wachstum der Schwellenländer viel robuster eingeschätzt.

Wie haben die vergangenen sechs Monate die Welt aus Ihrer Sicht verändert?

Die Menschen werden weiterhin gierig sein, aber nicht nur, Vermögenswerte werden weiterhin immer fiktiv sein, niemals wird es dazu kommen, dass alle Märkte reguliert werden. Was sich ändern sollte: Der Glaube, dass eine menschliche Gesellschaft mit der neuesten IT und mit den aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnissen dazu in der Lage ist oder sein könnte, den Prozess der Erzeugung von ständig verbesserten Gütern und Dienstleistungen ohne Härten für immer wieder andere Menschen zu kontrollieren.

Die Lehman-Pleite erschütterte vor einem halben Jahr die Finanzwelt. Eine Woche lang erzählt jeden Tag ein Prominenter, was er dachte, als er es erfuhr.

© SZ vom 17.03.2009/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: