Leben mit Technik:Haus mit Hirn

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Das "intelligente Haus" erleichtert einige Handgriffe, braucht aber viel technische Ausstattung.

Rita Lauer

(SZ vom 9.11.2001) Eine schöne Vorstellung: Im nasskalten November auf dem Heimweg von der Arbeit per Handy Order geben, das Badezimmer anzuwärmen und den vorbereiteten Gratin im Ofen anzusetzen. Aber nicht den Dienstboten ruft man dafür an, sondern den Bus - die Steueranlage des hausinternen Netzwerks. Endlich zuhause, kann man sich erst in der Badewanne entspannen, um danach dem Gratin zu frönen - wenn denn die visuelle Sicherungsanlage am Eingang den Hausherrn auch erkennt und ihn einlässt. Denn "intelligentes Wohnen" ist noch nicht in Serie und vor gewissen Risiken nicht gefeit.

Konzept klingt schlüssig

Ein sogenannter Steuerbus verbindet die Sensoren der einzelnen elektrischen Geräte, regelt ihr Zusammenspiel und überprüft ihr Funktionieren. So kann beispielsweise Energie gespart werden: Wenn gelüftet werden soll, dann geht automatisch die Heizung aus, bevor sich das Fenster öffnet. Die Waschmaschine schaltet sich selbsttätig nachts ein, zum günstigeren Stromtarif. Sobald man einen Raum verlässt, geht darin das Licht automatisch aus. Der Bus warnt, sollte man vergessen haben, den Wasserhahn zuzudrehen oder den Herd auszuschalten.

Auch für die persönliche Sicherheit hat der Bus was zu bieten. Die elektronische Anlage am Hauseingang erkennt den Hausherren und setzt bei ungebetenen Besuchern den Alarm in Gang. Ist der Hausherr im Urlaub, kann der Superbus Anwesenheit simulieren, in dem er nach Zufallsprinzip in verschiedenen Räumen das Licht angehen lässt oder Fenster öffnet.

Hilfe auf Knopfdruck

Sicherheit offeriert er aber auch älteren Menschen: mit einem Notrufsystem, bei dem ein Kranker mit nur einem Knopfdruck Hilfe anfordern kann. "Somit bleibt die Selbstständigkeit von Senioren länger gewahrt", meint Professor Friedrich Schneider, vom Lehrstuhl Sensortechnik an der TU München. Er ist Leiter des Projektes "Heimautomatisierung", das ein Forschungshaus in Neubiberg betreibt.

Der Soziologie-Professor Wolfgang Glatzer von der Uni Frankfurt spricht gar von einem "revolutionären Sprung" der Technik. Auch er glaubt, dass diese Sensortechnik Senioren eine längere Autonomie erlaubt. Da sich diese Neuerungen erst in 30 bis 40 Jahren als Standard durchsetzen würden - zu Massenprodukten wie heute Fernseher und Telefon - müsse man keine Zweifel an der Technikfreundlichkeit der künftigen Älteren hegen.

Dagegen ist Hans Ulrich-Raithel vom Umweltinstitut München skeptisch: "In ein so genanntes 'intelligentes Haus' würde ich nicht im Traum einziehen", sagt der Physiker.

Risiko des intelligenten Hauses

Und er nennt Probleme und Risiken: Allein die Gefahr von Stromausfall oder Viren im Datensystem sei nie auszuschließen. Auch am Sicherheitsaspekt zweifelt Ulrich-Raithel: "Notrufsysteme für Senioren gibt es doch schon längst!"

Doch diese sollten lieber in betreuten Wohnanlagen Verwendung finden. Denn wenn ein älterer Mensch kaum noch die Kraft hat, mehr als einen Knopf zu bedienen, sollte er eh nicht mehr allein leben, so Ulrich-Raithel.

Und ein Haus effektiv vor Einbrüchen zu sichern, sei auch mit herkömmlichen Alarmanlagen möglich. Auch gesundheitlich ist es nicht unbedenklich, wenn permanent Daten durch die Luft übertragen werden. Es entsteht ein elektromagnetisches Feld - die Folge: Elektrosmog.

Gefahr: Elektrosmog

Dieser kann den menschlichen Organismus enorm belasten: Kopfschmerz, Schlafstörungen, Schwächung des Immunsystems, und selbst das Risiko für Krebserkrankungen wird von der Wissenschaft nicht ausgeschlossen. "Wenn ich den Sinn darin erkenne, etwa beim Mobilfunk, nehme ich das technisch notwendige Risiko der elektromagnetischen Spannung in Kauf. Aber wo ist der Sinn bei einer handybetriebenen Mikrowelle?", fragt Ulrich-Raithel.

Dagegen argumentiert Professor Schneider mit den Erfahrungen am Forschungshaus in Neubiberg. Dort habe der TÜV sehr genau gemessen, aber außer der 1,5 Kilometer entfernten U-Bahn-Station keine elektromagnetische Strahlung festgestellt.

Bessere Lebensqualität?

Und worin liegt nun die entscheidende Verbesserung der Lebensqualität? Der Soziologe Glatzer glaubt: "Die technischen Netzwerke werden mehr Freiraum lassen für die Pflege sozialer Kontakte." Auch wenn sich der Bewohner eines intelligenten Hauses nicht mehr vor die Tür begeben muss - Arbeiten, Einkaufen, Kommunizieren geht ja alles über Internet - werde er nicht asozial.

Letztlich ist es eine grundsätzliche Frage nach der Lebensart der Zukunft - das technisch Machbare als Maß der Dinge oder sinnvolles Abwägen von Risiken und Nutzen. Einig sind sich Gegner und Befürworter aber dennoch: Der Forschungsbedarf ist noch groß, und nicht alle Spielereien werden sich durchsetzen.

Und eines ist sicher: Der Hauptteil der Hausarbeit wie Putzen und Kochen bleibt weiterhin den Menschen überlassen. Oder man hofft wieder auf die Heinzelmännchen - aber um die anzulocken, braucht es schon mehr als einen intelligenten Bus mit Handy.

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