Krise in Deutschland:Jetzt retten, später zahlen

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Können wir unseren Wohlstand nur erhalten, wenn es den Banken gut geht? Die Politik täuscht die Bürger über die Kosten der Bankenhilfspakete.

Cerstin Gammelin

Bundeskanzler Konrad Adenauer prägte einst den Begriff der Deutschland AG: Was gut ist für deutsche Unternehmen, nutzt auch dem Bürger. Im Laufe der Jahre verlor sich das Diktum, später verkehrte es sich sogar ins Gegenteil. Deutsche Konzernchefs feierten steigende Gewinne; immer mehr Arbeiter und Angestellte hatten dagegen Mühe, ihr Leben zu finanzieren.

Sie gibt das Geld der Steuerzahler aus, weil sie glaubt, nur so ließe sich die Kernschmelze des Finanzsystems verhindern. (Foto: Foto: AP)

Die globale Finanzkrise setzte dem Treiben ein abruptes Ende und bescherte der Bundesregierung ein neues Leitmotiv. Was für Adenauer die Deutschland AG war, ist für Merkel die systemrelevante Bank: Nur wenn es unseren Banken gut geht können wir unseren Wohlstand erhalten.

Unter dieser Annahme eilt die Regierung einer Bank nach der anderen zu Hilfe. Sie spannt einen nationalen Rettungsschirm auf, sie lässt die Bilanzierungsregeln lockern und breitet ein Netz aus, in das die Institute ihre Schrottpapiere abwerfen sollen. Sie gibt das Geld der Steuerzahler aus, weil sie glaubt, nur so ließe sich die Kernschmelze des Finanzsystems - und damit ein Absturz der gesamten Wirtschaft - verhindern.

Und stets heißt es: Die Hilfsaktionen seien gar nicht so teuer. Der größte Teil der Milliarden, die der Staat bereit stelle, seien ja Garantien - also gar kein richtiges Geld. Zahlen müsse der Staat nur dann, wenn die Sache schief gehe. Und die staatlichen Retter tun so, als ob sie diesen "worst case", diese denkbar schlechteste Entwicklung, tatsächlich verhindern können.

Doch können sie das wirklich? Oder übernimmt der Staat sich nicht mit seinen Rettungspaketen? Und täuschen die Politiker nicht die Bürger, wenn sie versprechen, dass all die Milliarden, die sie in die BayernLB, die WestLB, die Hypo Real Estate oder die Commerzbank gesteckt haben, auch irgendwann zurückfließen werden?

Geschäfte unterm Schirm

Tatsächlich würde es viele Banken heute gar nicht mehr geben, wäre der deutsche Staat ihnen nicht finanziell zur Seite gesprungen. Dennoch kann die Politik nicht so weitermachen wie bisher. Das Vertrauen, das sie vom Bürger permanent für sein Krisenmanagement fordert, ist erschüttert.

Denn über die Risiken der Rettungspläne sagen die Retter nur wenig, zudem werden unter dem Schutz der staatlichen Rettungsschirme längst wieder kräftig Geschäfte gemacht - in Deutschland ist das nicht anders als in den USA. Und so entsteht der Eindruck, als werfe der Staat werfe den Banken das Geld nach. 155 Milliarden Euro hat die Bundesregierung schon in die Hand genommen. Weitere 60 Milliarden sind als Staatsgarantien beantragt. Von den 400 Milliarden des Rettungsfonds Soffin sind gerade noch 188 Milliarden übrig.

Und auch dieses Geld ist praktisch weg. Denn nach dem ersten Rettungspaket im Herbst haben Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Peer Steinbrück jetzt ein zweites Hilfsprogramm auf den Weg gebracht: Die Banken sollen, unterstützt mit Milliardengarantien vom Staat, viele kleine Bad Banks schaffen, also spezielle Finanzgesellschaften, in die sie einen Teil ihrer riskanten (und zum Teil wertlosen) Schrottpapiere auslagern.

Diese Schrottpapiere vergiften die Bilanzen, sie sorgen für Misstrauen bei Anlegern und Investoren und verhindern, dass Banken ihrer Bestimmung nachgehen, mit Krediten Unternehmen und Geschäfte zu fördern. Um den Schrott aus den Bilanzen herauszuholen, muss wieder der Steuerzahler ran. Und wieder, so behauptet die Politik, soll die Aktion fast nichts kosten.

Die halbe Wahrheit

Tatsächlich hat die Regierung eine Zeitbombe geschaffen. Ursprünglich sollten über einen komplizierten Mechanismus allein die Steuerzahler für alle Verluste haften, die am Ende entstünden, falls die Schrottpapiere nicht wieder zu einem bestimmten Preis verkauft werden könnten.

Das Risiko für künftige Generationen wäre nicht zu kalkulieren gewesen. Inzwischen sollen die Banken diese Verluste selbst abstottern. Doch auch dem neuen Konzept haftet ein gefährlicher Zeitzünder an. Schließlich muss der Staat zunächst alle Schrottpapiere über staatliche Garantien sichern. Zudem verheimlicht die Bundesregierung, wie hoch die Summe der toxischen Papiere ist, für die der Bund bürgen soll - zum Schutz der Banken, wie es heißt.

Nur die halbe Wahrheit mutet die Bundesregierung ihren Bürgern auch bei der geplanten strengen Finanzaufsicht zu. Sie verspricht, den Managern künftig streng auf die Finger zu schauen. Kein Produkt, dass sie verkaufen, soll unkontrolliert bleiben, kein Finanzmarkt ohne Aufsicht.

Alle Anleger sollen sich geschützt fühlen. Die Kehrseite der strengen Aufsicht erklärt sie nicht. Die jetzt unverkäuflichen Papiere haben die Banken herausgegeben, als die Märkte unkontrolliert waren und die Gewinnaussichten hoch. Werden die Geschäfte risikoärmer, sinkt auch die Rendite. Für Schrottpapiere bedeutet das, dass sie kaum an Wert gewinnen und wahrscheinlich unverkäuflich bleiben.

Die Bundesregierung betreibt also vor allem Seelenpflege. Doch dazu gibt es auch andere Methoden, die weniger kosten, etwa der Stresstest, dem sich gerade die amerikanischen Banken unterwerfen mussten.

Obwohl die Kapitaldecke der US-Geldhäuser immer noch dünn ist, reagierten die Börsen darauf gelassen. Offensichtlich reichen 37 Seiten an Listen, Tabellen und Grafiken aus, um Hoffnung zu wecken. Die simple Bankprüfung wurde zu einer Nagelprobe des Vertrauens für den Kreditmarkt. Es kostet die Bundesregierung kein zusätzliches Geld, diese Blaupause zu nutzen, um den Finanzmarkt transparenter - und damit wieder stabiler - zu machen.

© SZ vom 09.05.2009/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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