Kreditkrise:Die Fehler der Banken

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Die Politik ereifert sich über die Unfähigkeit und Hochnäsigkeit der Banken. Doch die Ursachen der Kreditkrise sind komplex - und auch die Politiker tragen Verantwortung.

Martin Hesse

Nie sind einfache Antworten so beliebt wie in Krisenzeiten. Wann immer etwas schiefgeht, suchen die Menschen nach schlichten Erklärungen und Sündenböcken. In der Welt der Banken ist zuletzt viel schiefgegangen.

(Foto: Foto: dpa)

Seit die Krise am amerikanischen Hypothekenmarkt im Sommer begann, sich weltweit auszubreiten, haben Banken Milliarden Dollar und Euro abgeschrieben, Tausende Mitarbeiter entlassen, und einige Institute konnten nur knapp vor dem Zusammenbruch bewahrt werden.

Dreiste Politiker

Dazu zählen mit der IKB und der SachsenLB zwei deutsche Banken. Deshalb gelten zwei Ansichten zur Krise als mehrheitsfähig: Erstens sind gierige und unfähige Manager schuld an dem Debakel und zweitens ist es kein Zufall, dass es vor allem (halb-)staatliche Banken trifft. Beides ist zum Teil richtig, greift aber viel zu kurz. Die Ursachen für die Krise der Banken sind komplexer und die Verantwortung tragen auch Aufseher und Politiker.

"Die Hochnäsigkeit der Manager endete in einem Desaster", ereifert sich angesichts neuer Schreckensmeldungen aus der IKB in dieser Woche Finanzminister Peer Steinbrück (SPD). "Sträflichen Leichtsinn" erkennt Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) in dem Verhalten der Bankiers.

Wer würde den beiden nicht recht geben? Ist es nicht offensichtlich, dass eine Bank wie die IKB mit 1,4 Milliarden Euro Eigenkapital nicht 14 Milliarden Euro am US-Immobilienmarkt aufs Spiel setzen sollte?

Ja, es ist offensichtlich. Ein Institut, dessen Kerngeschäft die Finanzierung des deutschen Mittelstandes ist, sollte sich mit spekulativen Anlagen in komplizierte Finanzkonstrukte zurückhalten. Und eine Landesbank, die vornehmlich die Wirtschaft ihrer Region mit Finanzdienstleistungen versorgen sollte, hat am Markt für zweitklassige amerikanische Hypothekenkredite nichts verloren.

Doch wer sind Glos und Steinbrück, dass sie sich über solche Missstände empören? Als Politiker kontrollieren sie jene Bankmanager, die sie jetzt mit Inbrunst kritisieren. Steinbrück und Glos sitzen dem Verwaltungsrat der KfW vor, die als Großaktionärin die Krisenbank IKB dominiert. Über seinen engsten Mitarbeiter Jörg Asmussen ist der Finanzminister sogar im Aufsichtsrat der IKB präsent. Selten haben Politiker dreister von ihrer Mitverantwortung abgelenkt.

Zwar ist es richtig, dass die Verlustrisiken der IKB und auch der SachsenLB außerhalb der Bilanz in Zweckgesellschaften versteckt waren. Doch dass die IKB mit bis zu zwölf Milliarden Euro für diese Spezialfonds geradestehen muss, falls diese in Geldnot kommen, das stand schwarz auf weiß im letzten Geschäftsbericht.

Man hätte das als Aufseher durchaus hinterfragen können. Vermutlich ist es aber so, dass Politiker wie auch die im IKB-Aufsichtsrat vertretenen Mittelständler mit der kritischen Analyse einer Bankbilanz überfordert sind. Die Bankenkrise ist nach dem Siemens-Skandal ein weiterer Hinweis darauf, dass deutsche Aufsichtsräte professionalisiert werden müssen.

Steinbrück sollte seine Empörung auch deshalb im Zaum halten, weil sein Ministerium seit vielen Monaten an einer Reform der Bankenaufsicht herumdoktert, ohne in dem Kompetenzgerangel zwischen der Bundesbank und der Allfinanzaufsicht Bafin erkennbar voranzukommen. Dabei haben die Probleme von IKB, SachsenLB und WestLB offengelegt, dass die staatliche Aufsicht über die Banken verbesserungsfähig ist.

Verschleppte Finanzreform

Sind die aktuellen Probleme deutscher Banken darüber hinaus ein Beleg dafür, dass öffentliche Finanzinstitute nicht mehr zeitgemäß und krisenanfälliger sind als private Banken? Ja und nein. Richtig ist, dass die größten Probleme in Deutschland bei Instituten des öffentlichen Sektors sowie bei der IKB auftraten, bei der die staatliche KfW großen Einfluss hat. Statt sich in landespolitischen Grabenkämpfen zu erschöpfen, sollten die Landesbanken und ihre Politiker deshalb daran arbeiten, ihre Institute durch Fusionen zu stärken. Doch es ist keine Frage der Eigentümerstruktur, wie stark eine Bank von der globalen Kreditkrise betroffen ist. Entscheidend sind vier andere Faktoren: ein gutes Management, ein funktionierendes Geschäftsmodell, eine straffe Risikokontrolle und - siehe oben - ein wacher Aufsichtsrat.

So ist auch zu erklären, warum ausgerechnet einige der großen Wall-Street-Banken die größten Verluste erlitten haben, die doch als Speerspitzen des modernen Kapitalismus gelten. Bei Citigroup und Merrill Lynch versagte das Risikomanagement, und sie verzockten sich - nicht so viel anders als die IKB - mit Spekulationen, die nicht zu ihrem ursprünglichen Kerngeschäft zählen. Es ist kein Zufall, dass in der Krise jene spezialisierten Investmentbanken bislang am besten dastehen, die am versiertesten mit modernen Kapitalmarktinstrumenten umgehen können. Dazu zählen die Deutsche Bank und Goldman Sachs.

Doch auch bei diesen Instituten gehörte eine Portion Glück dazu, dass sie die Finanzkrise bisher mit Schrammen, aber ohne tiefe Wunden überstanden haben. Wer mit dem Feuer spielt, verdient nicht Applaus, nur weil er das brennende Streichholz rechtzeitig weggeworfen hat. Auch eine Deutsche Bank muss fragen, ob sie im Handel mit immer komplizierteren strukturierten Wertpapieren nicht zu weit gegangen ist. Die Finanzindustrie hat bei der Kontrolle der Risiken nicht mit dem Tempo der Innovationen mithalten können, die sie selber hervorbrachte, um ihre Gewinne zu steigern.

© SZ vom 1.12.2007/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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