Kredite für Vermögende:Bentley im Pfandhaus

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  • Luxusprodukte können in Berlin als Pfand für Kredite dienen.
  • Die Privatbank Berlin füllt nach eigener Sicht damit eine Lücke im deutschen Kreditwesen.

Von Kim Björn Becker

Der perlmuttfarbene Straßenkreuzer steht auf Holzblöcken, das schont die alten Stoßdämpfer und - darauf kommt es an - erhält zugleich den Wert des Wagens. Seit ein paar Wochen parkt das Fahrzeug nun schon hier, in einem durch Metallstäbe abgetrennten Teil eines Oldtimer-Lagers im Berliner Stadtteil Moabit. Und es wird, so wie es aussieht, wohl auch noch eine Weile dort stehen bleiben. Wer früher einmal in dem alten Mercedes 600, der Staatskarosse aus dem Hause Daimler, chauffiert wurde, ist nicht bekannt.

Schnelles Geld

Sicher ist nur, wem das Fahrzeug nun gehört, oder besser: zuletzt gehört hat. "Der Kunde ist ein älterer Herr", sagt Jürgen Oltersdorf, Vorstandsmitglied der Privatbank Berlin. Viel mehr gibt er nicht preis, Oltersdorf legt Wert auf Diskretion. Das Kreditinstitut, dem er vorsteht, ist eine Mischung aus Bank und Pfandleihe: Wohlhabende Kunden können dort ihre Wertgegenstände versetzen, falls sie kurzfristig Bargeld benötigen. Das Objekt ist die einzige Sicherheit, der Kunde haftet bei einem Ausfall nicht mit seinem weiteren Vermögen. Im Fall des perlmuttfarbenen Mercedes, soviel verrät Oltersdorf dann doch, habe der Sohn des Besitzers kurzfristig finanzielle Unterstützung benötigt. "Es musste schnell gehen. Und wenn Sie 70 Jahre alt sind, kriegen Sie keinen Kredit mehr." Die teure Limousine aus dem Bestand einer Sammlung war die Lösung für den Engpass der Familie: Der Wagen hat einen Wert von etwa 120 000 Euro, nun ist er in Obhut der Bank.

Die Privatbank Berlin füllt eine Lücke im deutschen Kreditwesen, jedenfalls sieht sie das selbst so: Sie vergibt Darlehen auf der Grundlage von Sachwerten. Geht es bei üblichen Dispo-Krediten stets um Faktoren wie das Gehalt, den Schufa-Score sowie die allgemeine finanzielle Lage des Kunden, zählt hier ausschließlich der Marktwert des versetzten Objekts. "Wir fragen nicht nach Bilanzen oder dem Einkommen", sagt Oltersdorf. Die Bank nimmt praktisch alles, was sie später auf dem Markt zu Geld machen kann. Das können Immobilien sein, Kunstwerke, Uhren - oder eben Oldtimer. Dafür sind die Zinsen aber auch deutlich höher als bei klassischen Krediten, sie liegen nach Angaben der Bank zwischen zehn und 24 Prozent. Die Rückzahlung erfolgt nach einem mit dem Kunden vereinbarten Tilgungsplan, so wie bei einem Dispokredit. Das unterscheidet das Institut vom klassischen Pfandleihhaus.

Insgesamt litt die Pfandkredit-Branche zuletzt unter dem seit 2011 stark gesunkenen Goldpreis. Schmuck macht traditionell etwa 90 Prozent der versetzten Objekte aus, das wirkt sich spürbar auf das Volumen der vergebenen Kredite und damit auf den Zinsertrag der etwa 200 privaten Pfandleiher aus. Nach Angaben des Zentralverbands der privaten Pfandkreditbetriebe wurden im Jahr 2013 Darlehen in einem Umfang von 630 Millionen Euro vergeben, knapp zehn Prozent weniger als im Jahr zuvor. Demgegenüber haben im ersten Halbjahr 2014 mehr als 90 Prozent aller Pfandleih-Kunden ihr beliehenen Objekt ausgelöst.

Ein paar Kilometer vom backsteinfarbenen Oldtimer-Hangar in Berlin-Moabit entfernt. Die Privatbank Berlin hat ihren Sitz im dritten Stock einer modernen Stahl-Glas-Konstruktion am Ende des berühmten Berliner Kurfürstendamms im Stadtteil Charlottenburg. Aus dem Besprechungszimmer kann man weit über den mehrspurigen Boulevard blicken. 15 Mitarbeiter sind dort beschäftigt, zuletzt hat die Bank Kredite mit einem Volumen von etwa 80 Millionen Euro vergeben. "In den nächsten fünf Jahren wollen wir die Zahl verdoppeln", sagt Götz Gollan, der bei der Bank im Vorstand sitzt. Dabei setzt er jedoch weniger auf Oldtimer und Uhren, sie machen mit einem Volumen von zwei Millionen Euro nur einen kleinen Teil der Sachwertdarlehen aus. Das hat vor allem etwas mit dem Wert der einzelnen Stücke zu tun: "Die absolute Untergrenze sind 5000 Euro für Uhren und 10 000 Euro für Autos", sagt Gollan. Und er fügt einen vielsagenden Satz hinzu: "Erst ab 50 000 Euro fängt es für alle Beteiligten an, Spaß zu machen." Vor allem interessiert sich die Bank daher für Immobilien - und neuerdings für Kunst.

Um die ungewöhnliche Spezialisierung des Kreditinstituts nachzuvollziehen, hilft ein kurzer Blick in die wechselvolle Geschichte. Bis vor kurzem firmierte die Privatbank als Bankhaus Dr. Masel, seit Jahrzehnten spezialisiert auf Beamtendarlehen, eine Mischung aus Kredit und Lebensversicherung. "Das Produkt macht für Beamten in der gegenwärtigen Niedrigzinsphase aber keinen Sinn mehr", sagt Gollan. "Wir haben früh erkannt, dass wir aus einem langsam aussterbenden Produkt herauskommen müssen." Im Jahr 2006 kaufte Daniel Hopp, der Sohn des milliardenschweren SAP-Mitgründers Dietmar Hopp, die Bank und baute sie zum Kreditinstitut für Sachwertdarlehen um.

Immobilienkredit als Einstiegsdroge

In einem ersten Schritt beginnt die Bank damit, Immobilien zu beleihen. Diese Kredite machen heute mit einem Volumen von knapp 30 Millionen Euro etwa ein Drittel der Aktivitäten aus. "Wir haben da eine sehr spezielle Klientel, die oft einen dringenden Finanzierungsbedarf hat", sagt Gollan. Darunter seien zum Beispiel Selbständige, die eine wirtschaftliche Schwächephase überwinden müssten und andernorts keinen neuen Kredit mehr bekommen würden. "Das müssen nicht unbedingt schlechte Schuldner sein, die würden wir auch nicht bedienen." Gutachter schätzen zunächst den Wert des Gebäudes, die Bank gibt dann ein Darlehen in Höhe von maximal 50 Prozent des jeweiligen Werts. Da es für die Kunden oft darauf ankomme, schnell liquide zu sein, dauere der gesamte Prozess oft nicht länger als eine Woche oder zwei, heißt es.

"Der Immobilienkredit war unsere Einstiegsdroge in dingliche Sicherheiten", sagt Gollan. "Wir sind danach über die Lande gezogen und haben geguckt, welche Asset-Klassen noch in Frage kommen." Im Herbst 2012 fängt die Bank an, der Bereich wird schnell zum wichtigsten Standbein: Zur Stunde hat sie etwa 150 Objekte beliehen und dafür etwa 50 Millionen Euro ausgezahlt. Vor allem Kunstsammler und Galeristen gehören zum Kundenstamm: "Die brauchen immer Geld, weil sie oft irgendwo etwas sehen, das sie kaufen wollen."

Einmal brauchte ein Händler aus Zürich zehn Millionen Euro für eine Neuerwerbung und versetzte dafür ein paar Bilder aus seiner Sammlung. Zu Beginn arbeitete die Bank noch mit externen Kunstsachverständigen zusammen, inzwischen hat sie dafür eine Expertin aus einem Berliner Auktionshaus fest eingestellt. Bringt ein Galerist ein Bild, wird der geschätzte Wert durch zwei weitere Gutachten bestätigt, außerdem muss jedes Mal die Provenienz des Bildes recherchiert werden: Steht es im Werkverzeichnis des Künstlers, wo wurde es ausgestellt, war es einmal als verloren oder gar gestohlen gemeldet? In mehreren Depots in Europa hat die Bank Lagerräume angemietet, wo sie die wertvollen Werke lagert. Selbst ein potenzieller Käufer eines Bildes, heißt es, bekomme gar nicht mit, dass der Besitzer das Stück beliehen habe. Und auch bei Kunst gilt: Als Sicherheit für einen Kredit taugt nur, was sich auf dem Markt auch gut verkaufen lässt. "Es müssen etablierte Künstler sein", sagt Gollan. "Wenn der Künstler Picasso, Warhol, Monet oder Richter heißt, ist das relativ unkompliziert." Gegen das Risiko, dass mal eine Fälschung darunter ist, hat sich die Bank mit einer Versicherung abgesichert. Doch das sei bislang noch nie vorgekommen.

Zurück in der Backsteinhalle in Moabit. Jürgen Oltersdorf steht zwischen dem perlmuttfarbenen Mercedes und zwei weiteren Fahrzeugen: Ein blauer Maserati Mexico und ein roter Ford Mustang. "In beiden Fällen sind die Besitzer Sammler", sagt Oltersdorf. Sie haben Wagen aus ihrem Bestand beliehen, um mit dem Geld aus dem Darlehen ein neues Auto kaufen zu können. "Sammler sind so: Wenn die seit Jahren etwas Bestimmtes suchen, dann müssen sie das Geld auf den Tisch legen können, wenn sie den Wagen irgendwo sehen."

© SZ vom 07.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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