Krankenkassenbeiträge:Wenn es immer teurer wird

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Auch wenn der Schätzerkreis sich nicht einigen konnte: Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung müssen sich schon bald auf höhere Beiträge einstellen.

Der künftig einheitliche Krankenkassenbeitrag wird wahrscheinlich bei 15,5 Prozent liegen. Diesen Wert empfahlen Bundesgesundheitsministerium und Bundesversicherungsamt bei der Sitzung des Schätzerkreises am Donnerstagabend in Bonn. Damit würde die Krankenversicherung im kommenden Jahr für 92,1 Prozent aller Kassenmitglieder oder rund 46 Millionen Menschen teurer.

Der Schätzerkreis konnte sich nicht darauf einigen, wie viel Geld es geben wird. (Foto: Foto: dpa)

Die Krankenkassen halten hingegen sogar einen Satz von 15,8 Prozent für nötig. Deshalb kam überraschend keine einheitliche Empfehlung zustande: Die Sitzung endete in einem Eklat.

Das letzte Wort hat nun die Bundesregierung. Sie will den Einheitssatz, der zum Start des Gesundheitsfonds ab 2009 gelten soll, kommende Woche per Kabinettsbeschluss festlegen. Die überwiegende Mehrheit der 51 Millionen Kassenmitglieder wird wohl dann mehr zahlen als heute. Aktuell liegt der Beitragssatz im Durchschnitt bei 14,9 Prozent.

Große politische Bedeutung

Der hochkarätige Schätzerkreis der Krankenversicherung hatte seit Montag zusammengesessen, um Einnahmen und Ausgaben der Krankenversicherung für das kommende Jahr zu schätzen und einen Beitragssatz zu empfehlen. Nachdem sich die Verhandlungen immer weiter in die Länge gezogen hatten, scheiterten sie schließlich am Donnerstagabend.

Die Festsetzung der Beitragshöhe hat große politische Bedeutung. Sie sind der letzte Baustein des umstrittenen Gesundheitsfonds. Der soll im Wahljahr 2009 starten und gilt als zentrales Projekt der großen Koalition.

Am Erfolg des Vorhabens hängt nicht nur das politische Schicksal von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD), sondern auch das von Angela Merkel (CDU). Die Kanzlerin war es, die den Fonds durchsetzte und in den vergangenen Monaten gegen alle Bedenken der Gesundheitsexperten in der Union und außerhalb verteidigte.

Der Präsident des Bundesversicherungsamts, Josef Hecken, betonte, eine Mehrheit im Schätzerkreis halte 15,5 Prozent für ausreichend. Dieser Wert sei "eine seriöse und verlässliche Orientierungshilfe für die Festlegung des Beitragssatzes für das Jahr 2009".

Damit ließen sich die erwarten Ausgaben im kommenden Jahr zu 100 Prozent decken. Die gesetzlicher Krankenversicherung erhalte damit mehr als zehn Milliarden Euro zusätzlich im kommenden Jahr. Mit diesen zusätzlichen Finanzmitteln würden die zu erwartenden Ausgabensteigerungen "adäquat abgebildet".

Auch das Gesundheitsministerium vertrat diese Auffassung. Die Mehrheitsempfehlung von 15,5 Prozent werde in den Entwurf der Verordnung übernommen, mit der der Beitragssatz für kommendes Jahr festgelegt wird. Danach folge die Ressortabstimmung und am Dienstag ein Kabinettsbeschluss. Zuvor tagt aber am Sonntag noch der Koalitionsausschuss.

Aus Regierungskreisen hatte es schon vor dem Schätzergebnis geheißen, man werde beim Beitrag am untersten Rand dessen bleiben, was möglich sei. Es ist deshalb nicht ganz ausgeschlossen, dass der Schätzwert noch verändert wird.

Die Chefin des Spitzenverbands der Krankenkassen, Doris Pfeiffer, betonte hingegen, die Krankenkassen hielten einen Beitragssatz von 15,8 Prozent für notwendig, um ihre Kosten im kommenden Jahr sicher zu finanzieren. "Nicht mehr, aber leider auch nicht weniger", erklärte Pfeiffer. Jetzt sei die Bundesregierung am Zug. "Sie ist aufgefordert, den Beitragssatz so festzusetzen, dass die Finanzierung der Ausgaben für die medizinische Versorgung auch tatsächlich gesichert ist."

Schon vor Jahresende 15 Prozent

Nach Angaben des Bundesversicherungsamts wird die Krankenversicherung sogar noch vor dem Jahresende für Hunderttausende teurer. Erstmals wird ein Rekordbeitragssatz von im Durchschnitt 15 Prozent erreicht. Hintergrund ist das Bemühen einiger Kassen, noch vor der Einführung des Einheitsbeitrags zusätzliches Geld zu mobilisieren.

Vier bundesweit tätige Krankenkassen hätten Beitragserhöhungen vor Jahresende beantragt, sagte ein Sprecher des BVA. Bei einer weiteren sei ein solcher Antrag in der Debatte. Nur eine Kasse habe eine Senkung des Beitragssatzes avisiert. Namen nannte er nicht.

Zuvor hatte die AOK Baden-Württemberg zum 1. Oktober ihren Beitragssatz um 0,6 Prozentpunkte auf 16,0 Prozent erhöht - inklusive des Sonderbeitrags von 0,9 Prozent. So wolle sie die bis Jahresende vorgeschriebene Entschuldung erreichen, hieß es.

Grundsatzkritik an Gesundheistreform

Der starke Anstieg der Kassenbeiträge beflügelte erneut die Grundsatzkritik an der Gesundheitsreform. Diese sei nicht im Interesse der Versicherten und Patienten, bemängelte der Sozialverband Volkssolidarität: "Der Gesundheitsfonds muss weg." Auch Techniker Krankenkasse und der Verband der Krankenversicherten Deutschlands äußerten Kritik.

Das Gesundheitsministerium verteidigte den Gesundheitsfonds. Er werde dazu führen, dass sich die Krankenkassen mehr um chronisch Kranke und Alte bemühen werden, sagte Sprecher Klaus Vater. Der Fonds sammelt ab 2009 alle regulären Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Die Kassen erhalten Zuweisungen für jeden Versicherten, gestaffelt nach Alter, Geschlecht und Gesundheitszustand. Kommen sie damit nicht aus, müssen sie einen Zusatzbeitrag direkt beim Mitglied einfordern.

© sueddeutsche.de/AFP/AP/dpa/segi/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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