Krankenkassen:Schnäppchen für Gesunde

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Die neue Vielfalt bei den Krankenkassen täuscht - Nur wer Ärzte und Krankenhäuser meidet, kann von einem Tarifwechsel profitieren. Dafür laufen die neuen Verträge 36 statt der bisherigen 18 Monate.

Elke Dolle-Helms

Junge gesunde Menschen mit gutem Einkommen sind nicht nur bei den privaten Krankenversicherern beliebt. Mit dem Start der Gesundheitsreform am 1. April haben nun auch die gesetzlichen Krankenkassen eine ganze Reihe neuer Tarife geschaffen, mit denen sie die begehrte Klientel locken und halten wollen.

Mit neuen Tarifen die Jungen im Blick: Gesetzliche Krankenkassen. (Foto: Foto: ddp)

Die ungewohnte Vielfalt der Angebote verwirrt nur auf den ersten Blick. Unter dem Strich gilt die grobe Leitlinie, dass mit einem neuen Vertrag nur spart, wer Ärzte und Krankenhäuser meidet.

Die Wahlmöglichkeiten werden schon dadurch stark eingeschränkt, dass die Höhe des Einkommens vielfach darüber entscheidet, welche Tarife den einzelnen Kassenmitgliedern offenstehen.

Riskante Restkosten

Diese Regelung ist nicht neu: Um zu verhindern, dass Gutverdiener zu der privaten Konkurrenz abwandern, bieten einige Kassen ihren freiwilligen Mitgliedern, die mehr als 42 750 Euro im Jahr verdienen, schon seit drei Jahren unterschiedliche Tarifbesonderheiten. Etwa den Kostenerstattungstarif, bei dem das Kassenmitglied mit dem Arzt wie ein Privatpatient direkt abrechnet und anschließend von der Krankenkasse den jeweiligen gesetzlichen Erstattungshöchstsatz erhält. Das Risiko, auf erheblichen Restkosten sitzenzubleiben, ist jedoch groß.

Gutschrift bei Selbstbehalt

Sinnvoller kann die Wahl eines Selbstbehaltes sein. Dabei gewährt die Kasse einen Beitragsnachlass, wenn der Versicherte einen Teil der Rechnungen aus eigener Tasche bezahlt.

Wie bei den Angeboten der privaten Krankenversicherer muss vor einer solchen Entscheidung jedoch mit dem spitzen Bleistift gerechnet werden. So bietet die Techniker Krankenkasse etwa eine Gutschrift von 600 Euro im Jahr, wenn das Mitglied bereit ist, Kosten von höchstens 960 Euro selbst zu übernehmen.

Wer ein volles Jahr lang nicht zum Arzt geht, kassiert also die vollen 600 Euro. Jede Behandlung schmälert das Guthaben. Wer den kompletten Selbstbehalt aufbraucht, macht ein Minus von 360 Euro. Vorsorge- und Schwangerschaftsuntersuchungen, Impfstoffe und Kosten für mitversicherte Kinder werden nicht angerechnet.

Ein anderes Angebot für gesunde Kassenmitglieder ist der Beitragsrückerstattungstarif. Wenn Versicherte und ihre volljährigen Mitversicherten ein Jahr lang keine Leistungen in Anspruch nehmen, schreibt die Kasse beispielsweise einen vollen Monatsbeitrag gut.

Bei der Barmer gibt es maximal 200 Euro zurück, bei der DAK höchstens 540 Euro. Auch bei diesem Tarif werden Impfungen und Gesundheitsprophylaxe nicht angerechnet.

Wer bereit ist, auf die freie Wahl von Ärzten, Kliniken und Reha-Einrichtungen zu verzichten, kann ebenfalls Geld sparen. Zu diesen Angeboten gehört beispielsweise der Hausarzttarif, den alle Kassen seit dem 1. April anbieten müssen.

Dabei erstattet die Kasse die 40 Euro jährliche Praxisgebühr, wenn das Mitglied immer zuerst zu seinem Hausarzt geht und sich ausschließlich von dort zum Facharzt weiter überweisen lässt. Umständlich kann dieses Angebot wiederum für Kranke sein, die regelmäßig mehrere Fachärzte aufsuchen müssen. Es verlangt außerdem ein langfristig stabiles Vertrauensverhältnis zum Hausarzt.

Mit der Gesundheitsreform wurden auch Angebote zur sogenannten integrierten Versorgung für die Krankenkassen Pflicht. Dabei bilden Ärzte, Kliniken und andere Dienstleister Netzwerke, schließen Verträge mit den Krankenkassen und teilen sich zuweilen sogar ein Budget.

Patienten, die mit dieser Versorgungsform zufrieden sind, erhalten Preisnachlässe, etwa über die Erstattung der Praxisgebühr und der Zuzahlungen im Krankenhaus. Nachlässe in vergleichbarer Größenordnung gewähren die Kassen chronisch Kranken, die an speziellen Behandlungsprogrammen teilnehmen. Solche Angebote wurden beispielsweise für Asthma- und Diabetes-Kranke aufgelegt.

Auf neue Tarife warten

Ob Selbstbehalttarif, Beitragsrückerstattung oder Hausarzttarif: Kassenmitglieder binden sich mit einem Tarifwechsel drei Jahre lang an die jeweilige Kasse. Bislang war ein Wechsel nach 18 Monaten wieder möglich.

Vor dem Wechsel empfiehlt sich immer eine genaue Bestandsaufnahme, wie häufig welcher Arzt aufgesucht wird. Und selbst wenn das Ergebnis etwa für einen Selbstbehalttarif spricht, können eine plötzliche Erkrankung oder ein Unfall unerwartete Zusatzkosten verursachen.

Ohnehin empfiehlt die Stiftung Warentest, mit einem Tarifwechsel zu warten, bis die Krankenkassen weitere neue Tarife auf den Markt gebracht haben. Zu erwarten sind beispielsweise noch spezielle Angebote für Versicherte, die Naturheilverfahren bevorzugen.

Genehmigung fehlt oft noch

Den Kassen fehlt für viele der derzeit offerierten Tarife noch die behördliche Genehmigung. Weil die neuen Angebote vor allem Kassenmitglieder belohnen, die nicht zum Arzt gehen, sehen Gesundheitsexperten schon neue Schwierigkeiten auf die Krankenkassen und vor allem die Versichertengemeinschaft zukommen.

Geld, das junge gesunde Besserverdiener jetzt sparen, könnte schon bald für die Finanzierung der Alten und Kranken fehlen. Eine Problematik, die aus der privaten Krankenversicherung hinlänglich bekannt ist.

© SZ vom 11.04.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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