Kleine Wünsche:Räuberhöhle mit Mathe-Tapete

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Was macht das Zuhause kindgerecht und familientauglich? Kinderzimmer jedenfalls sähen anders aus - ginge es nach ihren Bewohnern.

Von Christiane Bertelsmann

Leugnen hilft nicht: Bei Alleinstehenden und Kinderlosen verhält sich alles anders bei der Wahl der Wohnung. Ob ein Kinderspielplatz in der Nähe ist, ob Familien mit anderen Kindern im Haus wohnen, ob die Balkonbrüstung die kindersichere Normhöhe erfüllt - das alles interessiert Menschen ohne Kinder selten.

Hauptsache farbenfroh: ein Wunsch-Kinderzimmer (Foto: Bild: Lara (8))

Sobald sich aber Nachwuchs ankündigt, sieht man die eigene, lieb gewordene Wohnung mit anderen Augen: schon schick, mitten in der Stadt zu leben. Doch der nächste Park, in dem man mit dem Baby spazieren gehen könnte, ist drei U-Bahn-Stationen entfernt. Toll, der Blick über die Dächer vom fünften Stock aus - aber wie kommt man hoch, mit Kinderwagen und Baby, vielleicht sogar noch mit Einkäufen? Einen Aufzug hat der Altbau nämlich nicht.

Natürlich findet sich für alles eine Lösung. Und doch merkt man, dass ein Kind ganz neue Bedürfnisse auslöst. Da sehnt man sich plötzlich nach Aufzügen, nach Spielstraßen, nach schwellenlosem Wohnen und kindersicheren Steckdosen.

Manche wollen, noch bevor Sohn oder Tochter überhaupt auf der Welt sind, alles perfekt haben: das Kinderzimmer fertig eingerichtet, der Kinderwagenstellplatz reserviert, und wo der kleine Mensch mal zur Schule gehen soll, weiß man auch schon.

Wandel bei den Ansprüchen

Doch was für ein Baby gut ist, muss für ein Schulkind oder einen Teenager nicht ideal sein. ,,Es geht um die Frage, wie Häuser, Wohnungen und deren Umfeld für Kinder unterschiedlicher Altersstufen optimal geplant und den veränderten Ansprüchen angepasst werden'', sagt Thomas Drexel, selbst Vater von drei Kindern und Autor des Buches ,,Wohnen mit Kindern''. Unter Wohnungsplanern gibt es einen klaren gemeinsamen Nenner: Kinder brauchen Platz. Platz für ihre ersten Schritte, Orte zum Spielen und Toben, später Raum, um sich zurückzuziehen.

An Platz fehlt es aber oft. Eine Mindestraumgröße sucht man vergeblich in deutschen Bauverordnungen. In der DDR regelte man das anders - wenn auch nicht großzügig. Da legte die Bauverordnung fest, dass bei Neubauten Kinderzimmer eine Mindestgröße von acht Quadratmetern haben.

Kleine Kinderzimmer waren lange Zeit normal. In einer im Auftrag des Bundesministers für Wohnungswesen und Städtebau herausgegebenen Studie aus dem Jahr 1968, die sich mit Raumgrößen und Raumnutzung beschäftigte, kam heraus, dass die viel genutzten Kinderzimmer im Vergleich zu den wenig genutzten Elternschlafzimmern viel zu klein seien. Die Soziologin Ursula Kanacher sprach damals von ,,Kinderkäfigen in der Wohlstandswohnung'' und betonte die Bedeutung des Kinderzimmers als ,,Rahmenbedingung für die Herausbildung einer stabilen Identität''.

Inzwischen haben Wohnungsplaner verstanden, dass der Nachwuchs mehr Raum braucht. ,,Weniger als zehn Quadratmeter, das geht gar nicht'', meint auch Autor Drexel. Seiner Erfahrung nach geht der Trend eher in die Richtung, dass in Familien mit mehr als einem Kind jedes Kind ein eigenes Zimmer hat: ,,Zwei Kinder in einem Zimmer, das ist auch möglich, aber nur bis zu einem bestimmten Alter - und wenn das Zimmer groß genug ist.''

Kritisches Piratenschiff

Drexel plädiert nicht nur für genügend Platz, sondern auch für eine liebevolle Ausstattung: ,,Gute Belichtung ist ganz wichtig. Ein Kinderzimmer im Keller, das ist furchtbar. Der Raum muss hell sein, das Kind soll das Gefühl haben, auf der Sonnenseite des Lebens aufzuwachsen.'' Nicht nur, um die Wertschätzung des Kindes im Leben der Eltern zu zeigen, sondern auch aus ganz praktischen Gründen - Sonnenlicht hat schließlich positive Auswirkungen auf den Enzymhaushalt und damit auf die Lernfähigkeit.

Was die Ausstattung angeht, so träumen gerade Kinder zwischen vier und zehn von Wohnhöhlen und Schlössern, von Betten, die wie Piratenschiffe aussehen, von speziellen Farben und Formen. Allzu tief in die Farbeimer und Veränderungskiste sollte man aber nicht greifen. ,,Machen Sie nichts, was nicht irreversibel ist. Das Piratenboot-Bett macht vielleicht einem Acht- bis Zehnjährigen Spaß, mit dreizehn ist es eher peinlich'', warnt Drexel.

,,Eine gute Kinderstube haben''

Dasselbe gilt für Farbräusche: Muss das Mädchen-Traumzimmer dringend komplett pink sein, so lässt sich ein Kompromiss finden: vielleicht nur eine Wand in der Kreisch-Farbe. Oder das Ganze als abgetönte Variante - in zartem Rosarot.

Räume, die man mit Kindern bewohnt, sollten Spiel- und Lernorte sein. Denn das waren sie eigentlich schon immer - jedenfalls seit man sich den Luxus eines eigenen Kinderzimmers leisten konnte. Kinderstube oder Kinderstüberl hießen sie. In der Redewendung ,,eine gute Kinderstube haben'' schimmert die ursprüngliche Bedeutung des Wortes noch durch: Kinderstuben waren bei den wohlhabenden Bürgern des 18. Jahrhunderts vor allem Lehr- und Lernorte.

Jetzt kommt Rousseau ins Spiel

Steht in Zedlers ,,Großem Universallexicon'' von 1742 noch ,,Kinderstube heiset dasjenige Gemach und Zimmer im Hause, allwo die kleinen Kinder mit den Muhmen und Ammen sich befinden und darin gepfleget werden'', so beschreibt Rousseau in seinem Werk ,,Emil'' die Funktion der Kinderstube vor allem als Wohn- und Bildungsraum. Bis weit ins 19. Jahrhundert blieb die Kinderstube allerdings ein Privileg der städtischen Oberschicht.

In den modernen Familienwohnungen ist alles offener. Kinder wollen eigentlich überall in der Wohnung ihre Spuren hinterlassen. Sollen sie auch. Gerade kleinere Kinder halten sich gerne in Küche oder Wohnraum auf - nahe bei der Familie. Wer Angst vor Spielzeugchaos hat, sollte feste Plätze schaffen zum Deponieren von Spielzeug, das können Container oder Regale sein.

Etwas sollte bei allem Planen bewusst bleiben: Eine Wohnung, in der Kinder leben, verändert sich. Aus dem Babyzimmer wird das Kinderzimmer, später der Rückzugsraum für junge Erwachsene. Und irgendwann sind die Eltern eh wieder alleine in ihrer Wohnung.

Thomas Drexel: Wohnen mit Kindern, Blottner Verlag 2006, 39,80 Euro

© SZ vom 16. 3. 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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