KfW-Debakel:"Deutscher Beitrag zur Wall-Street-Sanierung"

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Für die KfW kommt es nach der 300-Millionen-Überweisung an die Pleitebank Lehman knüppeldick: Das Finanzministerium findet die Panne "verwunderlich", bei der Opposition sorgt die Lehman-Nummer für Hohn und Spott.

Als fast jeder Kleinsparer auf dem Dorf zu Wochenanfang längst aus Funk und Fernsehen von der katastrophalen Lage von Lehman Brothers wusste, überwiesen die Frankfurter Staatsbanker noch 300 Millionen Euro über den großen Teich auf ein Konto der New Yorker. Und das ausgerechnet am Tag der Pleite der viertgrößten Investmentbank an der Wall Street.

Erst das IKB-Debakel, nun die Lehman-Nummer

Nach dem Debakel bei der Mittelstandsbank IKB, das die KfW Milliarden und der SPD-Politikerin Ingrid Matthäus-Maier den Job als Vorstandschefin kostete, ist es der zweite spektakuläre Fehltritt der öffentlich-rechtlichen Förderbank..

Am Mittwoch bezog die KfW Prügel von der Polit-Prominenz. Die peinliche 300-Millionen-Panne war für die Opposition in der großen Haushaltsdebatte im Bundestag ein gefundenes Fressen. "Futsch sind 'se. Tolle Experten, die da sitzen", sagte Linksfraktions-Chef Gregor Gysi und bekam auch Beifall von den Koalitionsbänken.

Am selben Rednerpult unter der gläsernen Kuppel des Reichstages hatte Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) gut 24 Stunden zuvor ausgeführt, die Folgen der Pleite der Wall-Street-Legende Lehman auf die deutsche Bankenszene seien überschaubar und verkraftbar. Ob er zu diesem Zeitpunkt von dem KfW-Deal schon wusste, ist offen. Im Finanz- und Wirtschaftsministerium, die gemeinsam die KfW beaufsichtigen, herrschte Fassungslosigkeit. Hinter vorgehaltener Hand verfielen auch Spitzenbeamte in Galgenhumor: "Das ist der deutsche Beitrag zur Sanierung der Wall Street."

KfW-Chef Schröder: Mehr Gehalt als Matthäus-Maier

FDP-Parteichef Guido Westerwelle warf auch der Regierung Versagen vor, wenn die Staatsbank KfW dem "Pleitier nach Amerika noch 300 Millionen rüberschiebt". Und dies mit der "fabelhaften Begründung, man habe es bereits in der letzten Woche angewiesen und man habe gar nicht mehr gewusst, dass es in dieser Woche ausgeführt wird", sagte Westerwelle.

Dem neuen KfW-Chef Ulrich Schröder, der von der Politik als Hoffnungsträger von der erfolgreichen Landesförderbank in Düsseldorf geholt worden war, dürfte nicht zum Lachen zumute sein. Erst Anfang September trat er den prestigeträchtigen Job an.

Im Vergleich zu seiner Vorgängerin Matthäus-Maier boxte Schröder für sich eine Gehaltsverdoppelung auf über 800.000 Euro pro Jahr durch. In Regierungskreisen wurde Schröder am Mittwoch immerhin positiv angerechnet, dass die KfW das missglückte Geschäft mit Lehman sofort eingeräumt und nicht gemauert habe.

Am Donnerstag wird Schröder in der KfW-Dependance am noblen Berliner Gendarmenmarkt Farbe bekennen müssen. Die 36 Kontrolleure, darunter viele Oppositionspolitiker wie der Kapitalismus-Kritiker Oskar Lafontaine (Linke), werden wissen wollen, warum die 300- Millionen-Anweisung an Lehman nicht rechtzeitig aus dem KfW- Computersystem gelöscht wurde.

Die Lehman-Schieflage kam für die Finanzmärkte nicht überraschend. Hätte die KfW nicht schon vor dem Wochenende alle Transaktionen mit Lehman checken müssen? Das Finanzministerium droht mit Konsequenzen. Ob auch Köpfe rollen werden, bleibt abzuwarten. Eine Debatte über die Kontrolle der KfW wird es garantiert geben.

Swap-Geschäft über 300 Millionen

Die Bundesregierung dürfte jedoch daran interessiert sein, eine Demontage des Hoffnungsträgers Schröder zu verhindern, der die Staatsbank wieder auf ihr solides Kerngeschäft ausrichten soll. Die 60 Jahre alte frühere Kreditanstalt für Wiederaufbau genoss bis zur IKB-Krise einen tadellosen Ruf.

Das Institut mit seinen rund 3800 Mitarbeitern soll vor allem einspringen, wenn die Geschäftsbanken dem Mittelstand keine Kredite geben wollen. Auch Existenzgründer, Kleinunternehmer oder Studenten haben der KfW viel zu verdanken. Beim Umwelt- und Klimaschutz freuen sich Häuslebauer über Geld für die Altbausanierung oder Solarzellen auf dem Dach. Auch in der Dritten Welt tut die KfW Entwicklungsbank viel Gutes und wird dafür international gelobt. Für die Lehman-Nummer am "schwarzen Montag" gibt es nur Hohn und Spott.

Das Bund und Ländern gehörende Institut hatte der maroden US-Bank Lehman Brothers noch kurz vor deren Zusammenbruch 300 Millionen Euro überwiesen. Die KfW sprach von einer technischen Panne, deren Umstände geprüft würden.

Die staatliche Förderbank KfW war bereits durch die Rettung der Mittelstandsbank IKB mit erheblichen Milliarden-Summen belastet. Die KfW hatte noch am vergangenen Montag, als die Insolvenz von Lehman Brothers längst erwartet worden war, 300 Millionen Euro an das US-Institut überwiesen. Die Transaktion sei im Rahmen eines Swap- Geschäftes erfolgt, bestätigte ein KfW-Sprecher in Frankfurt. Dabei handelt es sich um Termingeschäfte zur Absicherung von Währungskursrisiken. Hier erfolgen Zahlungen nicht sofort, sondern - oft automatisch vom Computer ausgeführt - zu einem späteren Zeitpunkt.

Automatische Zahlung trotz Pleite-Gerüchten

Bereits am vergangenen Wochenende verdichteten sich Hinweise, dass Lehman Brothers vor der Pleite steht. Dennoch wurde bei der KfW die Zahlung ausgelöst. Die KfW soll nach der Überweisung noch hektisch versucht haben, die Transaktion zu stoppen. Dies sei nicht gelungen. Die Staatsbank hofft nun, zumindest die Hälfte des Geldes aus der Vermögensmasse von Lehman Brothers zurückzuerhalten. Eine Konkursquote von 40 bis 50 Prozent sei denkbar, hieß es in Finanzkreisen. Die britische Bank Barclays übernimmt Teile von Lehman Brothers.

Der Sprecher des Finanzministeriums, Torsten Albig, nannte die Zahlung "mehr als verwunderlich und ärgerlich". Der technische Fehler, "der für uns unerklärlich ist", müsse rasch aufgeklärt werden und werde Konsequenzen haben. Der Sprecher von Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU), der Chef des KfW-Verwaltungsrats ist, sagte, es sei zu früh, über personelle oder strukturelle Folgen zu spekulieren. Zunächst müsse der Vorgang aufgeklärt werden. "Dann kann man schauen, was verbesserungswürdig ist", sagte Sprecher Steffen Moritz. Der KfW- Sprecher kündigte an, dass die Innenrevision der Bank den Fall prüfe.

Die KfW kann die Auswirkungen auf die Bilanz noch nicht beziffern. Mögliche Ausfälle könnte die KfW verkraften, sagte ein Sprecher der Bank. Das Fördergeschäft für Mittelstand und Klimaschutz sei davon nicht berührt. Der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sagte ein Sprecher, die KfW habe ihr Engagement bei Lehman in den vergangenen Monaten systematisch reduziert.

© sueddeutsche.de/dpa/Reuters/dpa-AFX/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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