Keine Euphorie angebracht:Ölpreis fällt auf Jahrestief

Lesezeit: 2 min

Dank dem Ende der Ferienzeit und den geringen Schäden durch Hurrikane liegt der Ölpreis mittlerweile um gut ein Viertel unter dem Gipfelpunkt vom Juli. Doch das könnte sich bald wieder ändern.

Gerd Zitzelsberger

Der Preis für Rohöl rutschte am Donnerstag auf den tiefsten Stand des Jahres. Er liegt mittlerweile um gut ein Viertel unter dem Gipfelpunkt vom Juli. Die Internationale Energie-Agentur (IEA), die Dachorganisation der Verbraucher-Länder, warnt allerdings vor einem möglichen Hochschnellen im Winter. Auch die Händler rechnen mittelfristig mit höheren Preisen.

Der Preis für Rohöl rutschte am Donnerstag auf den tiefsten Stand des Jahres. (Foto: Foto: dpa)

Die amerikanische Ölsorte WTI per Lieferung im kommenden Monat - das ist eines der wichtigsten Marktbarometer - kostete am Donnerstag zeitweise nur noch 57,22 Dollar je Barrel (159 Liter). Billiger war WTI zuletzt im Dezember 2005. Die Notierung der europäischen Leitsorte Brent pendelte um 58,40 Dollar je Barrel; sie lag zuletzt im Februar bei dieser Marke.

Klimaanlagen verbrauchen jetzt weniger Energie als im Sommer

Das jüngste Nachgeben der Ölpreise hat nach Darstellung von Marktteilnehmern vor allem saisonale Gründe: Nach dem Ende der Ferienzeit liegt derzeit die Nachfrage nach Benzin und Diesel in den USA und Europa vergleichsweise niedrig; auch die Klimaanlagen verbrauchen weniger Energie als im Sommer.

Und vor Beginn der Heizsaison werden diverse Raffinerien für Wartungsarbeiten einige Wochen lang stillgelegt; damit fällt vorübergehend Nachfrage nach Öl aus. Daneben gilt die Hurrikan-Gefahr für dieses Jahr als vorüber, und diesmal haben die Wirbelstürme kaum Schäden an Ölförder-Anlagen im Golf von Mexiko angerichtet. Katrina und andere Hurrikane hatten 2005 Schneisen der Verwüstung gezogen.

Auf die Preise drückt aber auch die Erwartung etlicher Marktteilnehmer, dass sich die weltweite Konjunktur verlangsamt. "Das Wachstum hat bereits begonnen, an Schwung zu verlieren.

Die neuesten Frühindikatoren signalisieren, dass es eine deutlichere Abschwächung gibt als erwartet", heißt es beispielsweise bei der Londoner Dresdner Kleinwort, der Investmentbank des Allianz-Konzerns. Die konjunkturelle Abkühlung, die etwa ein Jahr lang anhalten dürfte, werde sich keineswegs auf die USA beschränken.

Weiterer Grund für den sinkenden Ölpreis: Manche Kraftwerksbetreiber setzen verstärkt Kohle ein und drosseln damit ihren Öl- und Gasverbrauch. Zudem gilt es als offen, wie die Organisation erdölexportierender Länder (Opec) auf die niedrigeren Preise reagiert.

"Keine klare Botschaft, was die Opec tun wird"

"Es gibt keine klare Botschaft, was die Opec tun wird", hieß es etwa bei der Clariden Bank in London. Die Opec hatte zwar in den vergangenen Tagen angekündigt, ihre Produktion von derzeit knapp 30 Millionen Barrel pro Tag um eine Million Barrel zu kürzen. Doch Saudi-Arabien, das mit Abstand wichtigste Opec-Mitglied, hat sich noch nicht dazu geäußert.

Die Ölhändler gehen freilich davon aus, dass die Preise ab dem Winter wieder anziehen werden. Für Rohöl per Lieferung im Juni 2007 etwa wurden am Donnerstag gut 64 Dollar bezahlt - zwölf Prozent mehr als für schnell verfügbares Öl. Für das Jahr 2008 rechnet der Handel derzeit mit Preisen von gut 66 Dollar pro Barrel.

Euphorie nicht angebracht

Auch die IEA warnt vor Euphorie beim Ölpreis: Zwar hätten die USA ihre Ölnachfrage etwas stärker gezügelt als erwartet. Aber in China und Indien wachse der Bedarf nach wie vor sprunghaft. "Die geopolitische Situation, knappe Förderkapazitäten und ein überdurchschnittlich kalter Winter könnten die Preise wieder schnell nach oben treiben", heißt es bei der IEA.

Auch mittelfristig bleiben die Risiken für die weltweite Energieversorgung bestehen. So hat die russische Gazprom mittlerweile entschieden, das riesige Shtockman-Feld in der Arktis im Alleingang zu erschließen. Doch ohne das Kapital und das Know-how westlicher Ölkonzerne dürfte dies recht lange dauern.

© SZ vom 13.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: