"Kein Ruhmesblatt":Albtraum mit Altana

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Die Finanzbranche gesteht Pannen im Handel rund um das Dax-Papier: Die Ausschüttung von 4,5 Milliarden Euro Anfang Mai brachte heftige Kursschwankungen mit sich.

Martin Hesse und Harald Schwarz

Die Geschehnisse um den 3. Mai herum werden in der Frankfurter Finanzszene noch immer heiß diskutiert. An jenem Donnerstag veranstaltete der Altana-Konzern seine Hauptversammlung, nach der immerhin 4,5 Milliarden Euro oder 34,80 Euro je Aktie an die Anleger ausgeschüttet wurden.

Allein 33 Euro entfielen als Sonderdividende auf die Verteilung des Vermögens der Pharma-Sparte, die Altana an die dänische Nycomed-Gruppe verkauft hatte - eine gewaltige Summe angesichts des damaligen Kurses von rund 55 Euro.

Heftige Kursschwankungen des Dax-Mitglieds waren die Folge (Chart zeigt vor dem 3. Mai den hypothetischen Kursverlauf bei herausgerechneter Ausschüttung).

Die Turbulenzen bekamen aber nicht nur die Anleger an den Aktienmärkten zu spüren. Erfasst von der Achterbahnfahrt der Altana-Titel wurden auch Investoren in den Hebelprodukten und Anlagezertifikaten zu dieser Aktie.

Die Geschehnisse an jenen Tagen fasst Dieter Lendle vom Deutschen Derivate Institut (DDI) so zusammen: "Das war kein Ruhmesblatt für den Finanzplatz Deutschland."

Tagelange Unterbrechung

Für die Emittenten der abgeleiteten Produkte sei es "albtraumhaft" gelaufen; und dies auch noch bei einem Wert aus dem Dax. Man habe einen "Präzedenzfall" erlebt und müsse auf solche Fälle besser vorbereitet sein.

Es habe sich um einen "komplexen Vorgang" gehandelt, bei dem manche Emittenten nicht gewusst hätten, wie sie die hohe Dividende steuerlich zu behandeln hätten.

Was geschah genau? Zeitweise - die einen sprechen von Stunden und Tagen, die anderen sogar von einer Woche - war offenkundig ein Kauf oder Verkauf der abgeleiteten Produkte (Derivate) in vielen Fällen nicht möglich, weil eine Reihe von Emittenten den Handel einstellte.

Die Banken begründeten dies damit, dass sie den von der Terminbörse Eurex veröffentlichten Korrekturfaktor, den sogenannten R-Faktor, in ihre Produkte einberechnen mussten. Dieser war verändert worden. "Manche Emittenten hatten damit tagelang Schwierigkeiten", heißt es in der Frankfurter Finanzgemeinde.

Einige seien auf dem falschen Fuß erwischt worden, weil der R-Faktor anders ausgefallen sei als erwartet. Für Unsicherheit soll auch gesorgt haben, dass einige Emittenten in ihren Prospekten die Möglichkeit verankert hatten, einen eigenen R-Faktor zu berechnen.

"Das ist das Minimum, was ein Kunde erwarten kann"

Der Fall Altana sei "außergewöhnlich", räumt DDI-Vertreter Lendle ein. Doch sollten den Emissionshäusern wenige Stunden genügen, um ihre Produkte neu zu berechnen und den Handel wieder in Gang zu setzen.

Lendle: "Das ist das Minimum, was ein Kunde erwarten kann." Auch das Derivate Forum, eine Interessenvertretung der Branche, will die Vorgänge prüfen. Dessen Vorstandschef Siegfried Piel betont: "Wir haben die Hinweise, die uns im Bezug auf derivative Wertpapiere auf Altana erreicht haben, aufgegriffen.

Ganz im Sinne des Derivate-Kodex überprüfen wir derzeit den Sachverhalt und untersuchen, ob dabei gegen den Kodex verstoßen wurde." Der Kodex ist eine Selbstverpflichtung der Branche, unter anderem zu einer transparenten Preisbildung.

Brisant ist der Fall aber auch, weil es Emissionshäuser geben soll, die hohe Verluste - die Rede ist von zweistelligen Millionenbeträgen - mit ihren derivativen Produkten erlitten, weil die Altana-Aktie am Tag nach der Hauptversammlung mit einer erheblichen Kursdifferenz notierte.

Der Fall Altana bestätigt Kritiker, die bemängeln, die Kursstellung sowie die Kosten von Zertifikaten seien oft intransparent. Vor allem gegen extreme Schwankungen sind die Emittenten offenbar kaum gewappnet.

So brach in den Börsenturbulenzen vom Februar das Geschäft mit Zertifikaten teilweise zusammen. Der Zertifikatemarkt ist in Deutschland binnen weniger Jahre auf gut 100 Milliarden Euro gewachsen.

© SZ vom 24.5.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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