Kakerlaken:Aus dem Weg

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Auch vor dem saubersten Haushalt macht Ungeziefer keinen Halt. Profis verscheuchen das große Krabbeln.

Ingrid Brunner

(SZ vom 01.03.2002) Sie sind diskret. Kein Logo am Auto, kein Schriftzug am Overall verrät, welche Dienstleistung sie anbieten. Darauf legen die meisten Kunden auch allergrößten Wert. Und selbst wenn sie voll und ganz zufrieden sind, wollen die Kunden ihren Namen nicht als Referenz zur Verfügung stellen. Denn sie fürchten schlimmste Rufschädigung, wenn bekannt wird, wer da zu ihnen ins Haus oder in den Betrieb gekommen ist.

Dankbare Schattenmänner

Schädlingsbekämpfer führen ein Schattendasein in Deutschland und sind dennoch für die Hygiene und Gesundheit in privaten und gewerblichen Räumen von entscheidender Bedeutung.

"Schädlinge sind immer noch ein Schamthema in Deutschland", so die Erfahrung von Dieter Uschmann, seit 30 Jahren Schädlingsbekämpfer und Mitglied im Verein zur Förderung ökologischer Schädlingsbekämpfung VFÖS e.V.

Dies bestätigt Hans Schell, ebenfalls IHK-geprüfter Schädlingsbekämpfer und stellvertretender Betriebsleiter bei der Bertram Schädlingsbekämpfung GmbH in München: "Die erste Frage von Neukunden ist immer: Wie sehen eure Autos aus?"

Offene Amerikaner

Ganz anders in den USA: Die Lieferwagen der zahlreichen Pest Control Firmen, wie Schädlingsbekämpfer dort heißen, gehören ganz selbstverständlich zum Straßenbild. Und Unternehmen informieren ihre Kunden schon an der Eingangstür, welche Firma sich in ihrem Haus der Hygiene und dem Kampf gegen ungebetene Tierchen widmet. Die Kunden finden das gut.

Statistik in Deutschland

Etwa 3000 Personen arbeiten in Deutschland in der Branche, 350 Unternehmen sind im Deutschen Schädlingsbekämpfer Verband DSV organisiert. Eine durchaus erkleckliche Zahl - so selten kann Ungezieferbefall dann wohl doch nicht sein in deutschen Wohnungen, Werkstätten, Lagerhallen, Krankenhäusern und lebensmittelverarbeitenden Betrieben.

Wachsendes Interesse

Ein Indiz, dass es sich gar um eine Wachstumsbranche handelt, liefert das Fachblatt Der praktische Schädlingsbekämpfer, DPS: Die Zahl der Abonnenten ist von knapp 500 im Jahr 1983 auf etwa 1200 im Jahr 2000 gestiegen. Hauptkunden sind gewerbliche Betriebe.

Aber auch Privatpersonen nehmen die Dienste der Schädlingsbekämpfer in Anspruch - allerdings noch in sehr geringem Umfang. Der Grund: In den Regalen der Supermärkte stehen chemische Keulen - meist als Spraydosen - bereit, und das ist allemal billiger als der Einsatz des Schädlingsbekämpfers.

Lösungen von den Profis

Genau darüber regen sich viele Profis der Branche auf: "Da hantieren Laien mit hochgiftigen Mitteln herum, deren Einsatz uns der Gesetzgeber längst verboten hat. Der Verbraucher wird dadurch, ohne es zu wollen und ohne es zu wissen, zum Giftspritzer", meint zum Beispiel Siegfried Vogt, Geschäftsführer der ASS Allround Schädlingsbekämpfung in München.

Vogt geht schon länger andere Wege. Auch er ist Mitglied im VFÖS und verwendet in seiner Arbeit "möglichst wenig toxische Produkte". Er meint: "Selbst zur Spraydose zu greifen, ist der falsche Weg." Der Grund: Die meistenim Handel befindlichen Produkte sind Breitband-Pestizide, die sich nur sehr langsam abbauen.

Wer seine Küche oder gar seine ganze Wohnung damit vernebelt, gefährdet potenziell auch sich selbst. Im Einsatz gegen Schaben aber, so Vogt, seien sie gar kontraproduktiv.

Fluchtgefahr

Denn das Gift treibt die Schaben zwar aus ihren Verstecken - möglicherweise in die giftfreie Nachbarwohnung. Auf der Flucht aber wirft die weibliche Schabe noch schnell ein Eipaket ab, aus dem dann die nächste Generation schlüpft.

Das heißt, dass auch die Sprühaktion nur einen momentanen Erfolg beschert.

Wirksame Bekämpfung

Daher ist Beratung oft sinnvoller als Aktionismus mit der Giftspritze. Insbesondere bei Haushalten mit Allergikern, Asthmatikern und Kleinkindern. Zeitgemäße und dauerhafte Schädlingsbekämpfung lasse sich nicht im Hauruckverfahren erzielen, so Dieter Uschmann.

Am Anfang der Arbeit stehe die Spurensuche. Denn wichtig sei es, die Verstecke und die Zugangswege der ungebetenen Gäste ausfindig zu machen.

Kräftig genug, um einen Schrank wegzurücken, sollte ein Schädlingsbekäpfer schon sein. Vielleicht ist das mit ein Grund, weshalb Frauen in dieser Sparte krass in der Minderzahl sind. Ein anderer: Die Ekelschwelle sei wohl bei Frauen niedriger als bei Männern, vermutet Schädlingsbekämpfer Hans Schell.

Beliebte Verstecke

Schaben verstecken sich in dunklen, schlecht zugänglichen Ecken und Ritzen, hinter Schränken, Fußbodenleisten, Wandverkleidungen, in Entlüftungsschächten. Ameisen mögen es warm: Besonders die im Boden verlegten Heizspiralen der Fußbodenheizung sind für sie ein beliebter und nahezu unzugänglicher Aufenthaltsort. Dort reicht keine Spraydose hin.

Erst locken, dann gezielt töten

Deshalb geht der zeitgemäße "Terminator" andere Wege: Er legt Köderfallen aus und arbeitet mit einem speziellen Ködergel, das mit Hilfe einer Spritzpistole aufgetragen wird, um die Wege der Krabbler zu identifizieren. Ein Lockstoff sorgt dann dafür, dass sie dem Gel "auf den Leim gehen". Erst dann macht der Fachmann eine Bestimmung der Art des Befalls. Und entscheidet, ob und welches Gift lokal ausgebracht oder eine andere Maßnahme ergriffen wird.

Angst vor großen und kleinen Tieren hat keiner der Befragten: Erstens trifft man die Krabbler und Nager meist nicht mehr lebend an und zweitens meint Dieter Uschmann: "Ratten sind feige, die suchen immer einen Fluchtweg."

Apropos "Igitt-Effekt": Selbst die sauberste Wohnung schützt nicht vor Schädlingsbefall - siehe oben. Denn es kann der Ordentlichste nicht schabenfrei leben, wenn ihm das Getier quasi als Flüchtlingskolonne zuläuft. Dann aber sollte man nicht zum Chemiecocktail, sondern zum Telefon greifen und die diskreten Leute von der Schädlingsbekämpfung anrufen.

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