Investmentbanker und ihre Rekord-Boni:Orgien des Überflusses

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Wie Londoner Investmentbanker mit absurden Champagner-Gelagen sich selbst ihre Stärke beweisen und einen Teil ihrer Rekord-Boni unter die Leute bringen.

Gerd Zitzelsberger

Es geht doch nur um einen Drink. "Aber zwei Männer und eine Frau - das akzeptieren wir nicht", beharrt Marina, die Herrscherin über die Gästeliste.

Davor haben die großen Investmentbanken Angst: Orgien in Nachtclubs, bei denen ihre Banker mit Geld um sich werfen. (Foto: Foto: Reuters)

Die Regeln sind strikt im Movida. Das Movida ist ein Club gleich um die Ecke beim Oxford Circus, mitten in London. Allnächtlich wird dieser Club zu einem Epizentrum des Bonus-Bebens. Nichts sonst lässt die Stadt in diesen Wochen so vibrieren wie die Boni in der Finanzmeile, die Jahresprämien der Investmentbanker.

Nie zuvor, auch nicht im Boom der Jahre 1999 und 2000, sind die Boni so hoch ausgefallen wie diesmal. Allein in der Londoner Finanzmeile ergießen sich gut 13 Milliarden Euro über die 335.000 Beschäftigten, schätzt Jonathan Said vom Forschungsinstitut CEBR. Das sind 19 Prozent mehr als vor einem Jahr.

Trotzdem sollten sie diesmal doch bitte etwas diskreter feiern als im letzten Boom, haben die Investmentbanken ihren Mitarbeitern eingeschärft. Also ist das Movida ein halb-diskreter Platz: Ein ganzer Pulk von schwarzgewandeten Türstehern bewacht den Eingang. Die stämmigen Herren sind beim Fußvolk für ihren Mangel an Charme berüchtigt.

"Hier läuft viel Silikon herum"

Um an ihnen vorbeizukommen, reichen die 30 Euro Eintrittsgeld pro Person keineswegs: Man muss schon einen der Club-bekannten Stammgäste nennen können oder ziemlich Glück haben. Besser sieht das nur für junge Ladies aus. Die Zugangspolitik funktioniert gut: Um elf Uhr, wenn die Nacht beginnt im Movida, besteht das Publikum zu zwei Dritteln aus Damen - Durchschnittsalter Anfang bis Ende 20. "Hier läuft viel Silikon herum", diagnostiziert eine Insiderin.

Die wichtigen Gäste kommen später. Es sind kleine Männergruppen von wahren Milchbuben bis zu Endvierzigern mit verdächtig straffer Gesichtshaut. Damen, wie sie Marina bei den Grüppchen der Normalsterblichen verlangt, müssen sie nicht in ihrer Mitte haben, schließlich sind ihre Konten reichlich gefüllt.

Schon die ganz jungen Männer unter den Investmentbankern bekommen nicht selten Schecks, Aktien und Optionen im Wert von 200.000 Euro, und nach oben hin ist die Skala offen: Als zwei der weltweiten Spitzenverdiener dieser Saison gelten Roger Jenkins, Chef einer Investment-Abteilung bei Barclays, und Pierre-Henri Flamand, Chef einer vergleichbaren Einheit bei Goldman Sachs. Die Boni der beiden Londoner Banker werden auf 60 bis 70 Millionen Euro taxiert. Beide stecken damit ihre jeweiligen Vorstandschefs locker in die Tasche.

510.000 Euro pro Kopf

Die britische Hauptstadt ist gegenwärtig goldener Boden für die Branche. Das Geschäft mit Übernahmen blüht in Europa, und ausgeklügelt werden die Deals meist an der Themse. Russische und chinesische Firmen gehen lieber in London als in New York an die Börse. Der weltweite Devisenhandel - er läuft zu einem Drittel über die Briten-Metropole - boomt, bei Swaps und ähnlich akrobatischen Finanzinstrumenten ist die Situation nicht anders.

Klagen können auch die Mitarbeiter der Deutschen Bank nicht. Sie haben am Dienstag ihren jährlichen Bonus-Brief erhalten: Für den Bereich Investmentbanking weist das Geldhaus Personalkosten von 470.000 Euro pro Nase aus. Besser fahren in den weltweit führenden Instituten wohl nur die Angestellten von Goldman Sachs mit einem Durchschnittsbonus von 510.000 Euro und die der Investmentbank-Tochter von Barclays.

Die ganz großen Einzelsummen konzentrieren sich jedoch auch bei der Deutschen Bank auf wenige. Ihre Höhe ist überall das bestgehütete Betriebsgeheimnis. Aber immerhin weiß man, dass Anshu Jain, der Londoner Statthalter des deutschen Branchenprimus, schon 2006 so viel Geld besaß, dass er Aktien im Wert von 53 Millionen Euro verkaufen konnte.

Schampus mit Tischfeuerwerken

Der erste Star des Abends gehört jedenfalls nicht zur obersten Liga. James Stunt - so heiße der Mann, sagt einer der Umstehenden - steht mit drei Kollegen und umgeben von einigen Damen auf der winzigen Tanzfläche. Im 20-Minuten-Takt hat er drei Flaschen Champagner geordert. Die Kellner haben immer zwei kleine Tischfeuerwerke an den Flaschenhals befestigt. Niemand kann so übersehen, wer gerade der Star ist.

Unmöglich ist auch, an Stunt vorbeizugehen, ohne ein Glas Champagner in die Hand gedrückt zu bekommen: Jeder soll sich heute mit ihm freuen, und alle tun es. Es sind keine schmalen Sektgläser, aus denen sie im Movida Champagner trinken, sondern eine Art geräumiger Rotweinkelch; nur das Glas ist dicker, schließlich geht es ab Mitternacht hoch her.

Wie hoch sein Bonus ausgefallen ist, würden wir gerne von Stunt wissen. Seine Worte gehen in 130 Dezibel lautem Rock aus den Achtzigern unter, aber Stunt umarmt, herzt und drückt ein Küsschen links und rechts auf die Backen. Selten werden neugierige Reporter auf diese Weise zum Rückzug veranlasst.

Kampf um Aufmerksamkeit

Plötzlich macht am anderen Ende des VIP-Areals jemand Stunt seine Star-Rolle streitig: Drei Flaschen Champagner zugleich tragen die Kellner durch den Raum - sechs Tischfeuerwerke tauchen den Nachtclub in ein gleißendes Licht. Stunt kontert nach einer Viertelstunde mit einer Flasche Magnum.

An deren Hals haben die Kellner gleich fünf Feuerwerke gehängt, und damit ist der Club für Sekunden wieder so hell wie eben bei der Konkurrenz. Doch die Revanche bleibt nicht aus: 30 Minuten später hat der Tisch am anderen Ende eine neue Order platziert: Sechs Flaschen, offenbar von einer teureren Sorte. Jedenfalls brennen ziemlich viele Tischfeuerwerke ab.

Es sieht aus wie ein sinnloses Wetttrinken, aber das ist es nicht: Als wir später unser Sektglas auf Stunt erheben, erhebt er seines auch: Es ist ein Wasserglas. Es geht überhaupt nicht ums Trinken, sondern um einen Wettbewerb in demonstrativem Geldausgeben.

Bonus von 1,5 Millionen Euro

Für Stunt ist mittlerweile zwar eine Rechnung von wenigstens 2800 Euro aufgelaufen. Aber er gehört wohl zu den schätzungsweise 3000 Londoner Investmentbankern, die diesmal einen Bonus von mehr als 1,5 Millionen Euro erwarten können. Jedenfalls freut er sich an jedem Tropfen, den die anderen trinken. Man muss Stunt verstehen: Er verdient mehr Geld als Queen und Premierminister zusammen.

Und weil in einer Marktwirtschaft schließlich nach Leistung bezahlt wird, leistet er folglich auch mehr. Aber zu sagen hat er nichts im öffentlichen Leben. Arbeitgeber, Fiskus und die Furcht vor Einbrechern sorgen überdies dafür, dass er und seine Kollegen sich bei Tageslicht nichts anmerken lassen von dem netten Einkommen. Das Movida ist eines der wenigen Ventile für ihn.

Nur einer mault am nächsten Tag: Eamonn Mulholland, der Geschäftsführer des Clubs, hat schon bessere Nächte erlebt. Die Zierde seiner Getränkekarte, der Cristal Methuselah Jahrgang 1999 zum Preis von 30.000 Euro pro Flasche, ist liegengeblieben.

© SZ vom 09.02.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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