Interview mit Architekten:"Das perfekte Büro ist unperfekt"

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Auch Büroräume sollten einen Charakter haben und den Mitarbeitern Rückzugsmöglichkeiten bieten, findet Matthias Sauerbruch, Mitgründer des Berliner Architekturbüros Sauerbruch Hutton. Der Architekturprofessor erklärt, worauf es bei der Arbeitsplatz-Gestaltung ankommt.

Interview: Berit Schmiedendorf

SZ: Von Ihnen stammt der Ausdruck "berührende Räume". Was verstehen Sie unter einem "berührenden Büroraum" ?

Professor Matthias Sauerbruch (Foto: Foto: Valerie Bennett)

Sauerbruch: Wenn es gelingt, jedem Raum trotz gewisser Regelhaftigkeiten, denen Verwaltungsbauten ja nun mal unterliegen, eine gewisse Individualität zu geben - und zwar, bevor ich das Foto von meiner Frau oder meinen Kindern auf einen Schreibtisch stelle. Das perfekte Büro ist unperfekt: so, wie Menschen sind, mit bestimmten Eigenheiten. Für mich ist ein Büro gelungen, wenn eine Wiedererkennbarkeit existiert. Diese lässt sich mit Hilfe der Raumaufteilung und des Materials schaffen: Mit Holz fühlt man sich aufgehobener als nur mit Kunststoffen. Auch Farbe muss sein! Sie ist ein preiswertes Mittel, um eine emotionale Dimension in einen Büroraum hinein zu bringen.

SZ: Welche Wirkung hat ein "ideales Büro" auf seine Mitarbeiter?

Sauerbruch: Der Einfluss von Schall ist beispielsweise ein wichtiger Faktor für die Zufriedenheit von Menschen mit einem Gebäude. Deswegen bin ich großer Befürworter von Kombinationsbüros, wo jeder Mitarbeiter ein sehr kleines Zellenbüro hat und wo eine gemeinsame, größere Fläche existiert, die für die Kommunikation miteinander reserviert ist.

SZ: Siegt bei dieser Betrachtung nicht die Ästhetik über die Arbeitsmoral?

Sauerbruch: Für ein normales Unternehmen spielt die Aufenthaltsqualität eine riesige Rolle. Ich bin fest davon überzeugt, dass es einen Zusammenhang zwischen Ausblick, Belichtung und ungewöhnlichen Räumen sowie der Arbeitszufriedenheit gibt. Spitzenperformer allerdings findet man ja oft in sehr unkonventionellen Räumlichkeiten, in Garagen oder Lofts, wo ein Haufen Zeug rumliegt.

SZ: Ein Unternehmen hat das perfekte Bürogebäude gefunden, wenn...

Sauerbruch: ...das Haus zum Unternehmen passt wie ein guter Schuh. Ich hatte da mal ein sehr schönes Erlebnis beim Umweltbundesamt in Dessau, das unser Architektenbüro entworfen hat. Drei Wochen nach dem Umzug der Mitarbeiter aus einem Berliner Verwaltungsbau aus den dreißiger Jahren in das Dessauer Haus hat mir ein Angestellter erzählt, er habe in den wenigen Tagen in Dessau mehr Leute und Mitarbeiter seines Amts getroffen als jemals zuvor während der 20 Jahre in Berlin. Das ist doch ein sehr schönes Kompliment für eine gelungene Gebäudestruktur.

© SZ vom 14.03.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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