Interview:Bausparen kontra Riester-Rente

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Bausparkassen müssen um Chancengleicheit zu den "Riester-Produkte" kämpfen.

Interview: Peter Horn

(SZ vom 26.07.2002) Bausparen ist nach wie vor beliebt. Dabei dürfte es auf absehbare Zeit wohl bleiben. Dennoch: Gefahr droht aus der Neustrukturierung der Altersvorsorge nach dem Riester-Modell. Denn dadurch steht Bausparen und Wohneigentumsbildung nicht gleichberechtigt neben der kapitalgedeckten Zusatzrente. Doch die Branche leistet seit längerem im Hintergrund politische "Aufklärungsarbeit" und kämpft um Chancengleichheit, so Alexander Erdland - Vorstandschef der Bausparkasse Schwäbisch Hall.

SZ: Umfragen zeigen, dass 80 Prozent der Bevölkerung in den eigenen vier Wänden wohnen möchten. 42 Prozent sind es aktuell. Damit liegen wir am Ende in der europäischen Rangskala. Das Riester-Werk dürfte daran wenig ändern. Welchen Stand hat das Bausparen aktuell?

Erdland: Aktuell einen guten. Die Zahlen zeigen das deutlich. Längerfristig wird die Reform der Altersvorsorge großen Einfluss haben: Die Politik hat inzwischen anerkannt, dass es eine Reform der Riester- Reform geben muss.

SZ: Wohl vor dem Hintergrund, dass mit der aktuellen Situation "Rund um Riester" keiner wirklich zufrieden ist.

Erdland: Richtig. Wegen der Komplexität sind ja bisher mehr oder weniger alle enttäuscht: Ob Versicherer, Fondsgesellschaften, Banken oder die Vertriebsorganisationen, ja vor allem die über 30 Millionen Kunden und sogar die Politik selbst. Mit der Rentenreform sind zwei wichtige Weichenstellungen verbunden: einmal eine private Zusatzrente aufzubauen, die zweite betrifft die Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge. Nach derzeitigem Stand wird vermutlich mehr über diese zweite Komponente laufen. Schätzungen sprechen von circa 75 Prozent. Die Gründe liegen etwa in den geringeren Vertriebskosten und im effizienteren Management. Vieles wird hierzu auf der Basis von Tarifverträgen geregelt.

SZ: Und was bedeutet das übertragen auf die Immobilie?

Erdland: Das ist gerade der Punkt, den wir massiv festmachen wollen. Zunächst zur neuen Weichenstellung in der betrieblichen Altersvorsorge. Hierbei gibt es bisher überhaupt keine Möglichkeit der Verwendung für die private Eigenheimfinanzierung. Und es kommt hinzu, dass bereits zwei Tarifverträge bestehen, mit denen die 'vermögenswirksamen Leistungen' in die betriebliche Altersvorsorge umgewandelt werden sollen (Pensionsfonds), um an der Börse investiert zu werden. Bisher setzen die Arbeitnehmer ihre 'vermögenswirksamen Leistungen' überwiegend für das Bausparen ein.

SZ: Wie viel der vermögenswirksamen Leistungen gehen denn ins Bausparen?

Erdland: Etwa 55 Prozent, das sind rund 4,5 Milliarden Euro pro Jahr. Ein deutliches Votum breiter Bevölkerungsschichten für persönliches Immobilieneigentum! Insofern sind wir mit der Politik und den Tarifpartnern im Gespräch, um zu erreichen, dass die 'vermögenswirksamen Leistungen' auch weiter im Sinne freiwilliger Entscheidung der Arbeitnehmer auf Bausparkonten angelegt werden können. Ansonsten würde ein wichtiger Baustein für die Wohnungsbaufinanzierung des kleinen Mannes wegbrechen. Politisch kann das wohl nicht gewollt sein.

SZ: Und der andere große Bereich?

Erdland: Die andere Baustelle ist unsere Forderung - auch im Sinne der 24 Millionen Bausparer -, die Förderung der privaten Altersvorsorge und die Bausparförderung gleichgewichtig zu gestalten. Dieses Verhältnis ist zur Zeit durch die hohe Riester-Förderung - am Bausparen vorbei - massiv gestört. Es widerspricht der klaren Erkenntnis, dass private Altersvorsorge über mietfreies Wohnen in den eigenen vier Wänden die verbreitetste, besonders beliebte, unbürokratische und sichere Vorsorge ist. Die sollte nicht durch Diskriminierung bei der Förderung beschädigt werden. Sonst muss die neue Geldrente am Ende für die Bezahlung steigender Mieten herhalten, weil die Menschen kein Eigenkapital mehr angespart haben für die Finanzierung ihres Eigenheims.

SZ: Wo liegen die Stolpersteine?

Erdland: Ich denke, wir sind inzwischen auf einem konstruktiven Weg. Die Politik hat die Problematik wahrgenommen. Die Schieflage ist offensichtlich und wird nicht mehr ignoriert. Den Wunsch breiter Bevölkerungskreise nach Wohneigentum, das neben allen anderen Vorteilen private Altersvorsorge bedeutet, muss man politisch fair unterstützen. Die Notwendigkeit, hier zu einer Modifizierung zu kommen, ist erkannt. Es geht jetzt darum, konkrete Vorschläge zu erarbeiten, wie dies erreichbar ist.

SZ: Sie denken an die Entnahme?

Erdland: In folgendem Sinne: Die "Riester-Rente" bedeutet den Verzehr des angesparten Kapitalstocks. Viele Leute wollen aber im Alter nicht ihre Immobilie verrenten, sondern weitervererben. Die nächste Generation wird das finanziell auch gut gebrauchen können, um ihrerseits im Alter ein angemessenes Auskommen zu haben. Das widerspricht dem "Verzehrgedanken" in einer einzigen Generation, dem das Riester-Konzept bisher folgt. Hinzu kommt, dass die so genannte nachgelagerte Besteuerung, die auch verfassungsrechtlich vorgesehen ist, beim selbst genutzten Wohneigentum nicht so ohne weiteres praktikabel ist. Wer will schon später, wenn er sein Häuschen entschuldet hat und in Rente geht, noch irgendeine fiktive Steuer darauf bezahlen. Und auf was genau?

SZ: Wie stehen die Chancen für eine Korrektur?

Erdland: Die politische Bereitschaft ist da. Aber die Materie ist kompliziert. Doch die Politik will eine angemessene Lösung. Das ist mein Eindruck.

SZ: Wie kann denn die Balance beider Säulen aussehen?

Erdland: Für Bausparen als Einstieg zum individuellen Wohneigentum müssen die hierfür charakteristischen Kriterien anerkannt werden, auch als gleichwertig im Sinne der Bedeutung dieses beliebten Klassikers für den Aufbau persönlich erlebbarer Altersvorsorge.

SZ: Eigentumsbildung mit Hilfe des Bausparens hat bislang noch keinen Schaden genommen. Dieser Markt wächst noch, wenn auch möglicherweise mit etwas geringerem Zuwachs. Befürchten Sie einen Wechsel in der Sichtweise?

Erdland: Richtig, die aktuellen Zahlen sind gut, auch wegen des flexiblen Produkt- und Serviceangebots der Bausparkassen. Aber die Entwicklung kann - wie gesagt - bei veränderten politischen Einflussfaktoren nicht einfach so fortgeschrieben werden. So lange die Riester-Regelungen noch nicht greifen, entscheidet sich der Kunde für Bausparen und damit nach seiner Produktpräferenz. Das kann sich ändern, wenn die Reform schrittweise an Einfluss gewinnt und gleichzeitig das Bausparen in der Förderung zurück bleibt. Bausparen ist kein kleines Beiboot. Bausparen ist ein großer Tanker. Wenn da erst mal eine falsche Richtung vorgegeben ist, dauert die Korrektur entsprechend lang.

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