Insolvente Mieter:Chronisch überforderte Justiz

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Vermieter bleiben in München, trotz rechtlicher Handhabe, meist auf den Mietschulden sitzen.

Von Andrea Nasemann

Die Zahlen sind erschreckend, die Gründe naheliegend: Immer mehr Haushalte geraten in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Arbeitslosigkeit oder Scheidung sind häufige Ursachen. Vor kurzem schlug Haus und Grund München Alarm: Die Zahl der bei den Amtsgerichten abgegebenen eidesstattlichen Versicherungen und Insolvenzverfahren sind in den letzten Jahren dramatisch gestiegen. Mehr als 50.000 Münchner Haushalte sind überschuldet. "Zum großen Teil sind auch Mietforderungen betroffen", weiß Rudolf Stürzer, Vorsitzender von Haus und Grund München.

Mietschulden in München (Foto: Grafik: SZ)

Besonders überschuldet sind die Stadtviertel Hasenbergl und Schwanthaler Höhe. Aber auch Milbertshofen und Obergiesing weisen eine hohe Schuldnerquote auf. Besser steht es um die Viertel Haidhausen, Maxvorstadt, Westpark und Thalkirchen.

Relativ wenig überschuldete Haushalte finden sich nach dem Schuldenatlas der Firma Creditreform in Neuhausen, Schwabing, Fürstenried, Solln und Hadern.

Für Vermieter, die ihre Miete nicht bekommen, bleibt häufig nur ein Ausweg: Kündigung wegen Zahlungsverzugs. Die schlechte wirtschaftliche Lage spiegelt sich deshalb auch in der Zahl der Wohnungskündigungen, die sich in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt hat.

Nach vorsichtigen Schätzungen bewegen sich in München Mietschulden zwischen 30 und 50 Millionen Euro. "Ein Großteil davon ist für die Vermieter nicht mehr realisierbar", weiß Stürzer. Die Ausfälle sind nicht selten existenzbedrohend: Kann der Vermieter den Kredit nicht mehr bedienen, kommt es im schlechtesten Fall zur Zwangsversteigerung der Wohnung. Auch diese haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen.

Ein Grund für das Desaster sieht Stürzer in der chronisch überlasteten Münchner Justiz. "In München kann es bis zu eineinhalb Jahren dauern, bis ein zahlungsunfähiger, aber nicht auszugsbereiter Mieter die Wohnung räumen muss."

Bis dahin aber könnten sich Mietrückstände und Verfahrenskosten bis in den fünfstelligen Bereich summieren.

Wie aber lässt sich schon bei der Vermietung vorbeugen, dass man die Wohnung nur einem solventen Mieter vermietet?

"Bonitätsprüfungen werden immer wichtiger", glaubt Stürzer. Ohnehin rät der Verband jedem Vermieter zu einer schriftlichen Selbstauskunft, in der der Mietbewerber Angaben zu seinen Einkommensverhältnissen machen muss sowie darüber, ob eine eidesstattliche Versicherung abgelegt wurde. Er kann auch aufgefordert werden, die Gründe für seinen Umzug darzulegen sowie seinen derzeitigen Vermieter zu benennen, den man auch kontaktieren sollte.

Auf diese Weise lässt sich am schnellsten herausfinden, warum der Mieter die bisherige Wohnung aufgibt. Schließlich kann man den Bewerber auch auffordern, seine Zustimmung zu einer Bankauskunft zu erteilen. Dann kann sich der Vermieter ein Bild darüber machen, wie es mit Solvenz und Zahlungsfähigkeit des Mieters aussieht.

Zusätzliche Sicherheit lässt sich durch den so genannten MietersolvenzCheck erreichen, der in Zusammenarbeit mit der Creditreform für Haus-und-Grund-Mitglieder angeboten wird.

Doch was tun, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist? Die Kaution des Mieters, aus der sich der Vermieter bedienen darf, ist häufig nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Es kommt dann auf den bisherigen Verlauf des Mietverhältnisses an: Liegt bisher kein Grund zur Klage vor, sollte man das persönliche Gespräch suchen und nach den Gründen des Verzugs forschen.

Handelt es sich um einen vorübergehenden Engpass, kann man Stundung oder Ratenzahlung vereinbaren. Ist das Mietverhältnis dagegen schlecht, sollte man die rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen. Dann kann auch eine Kündigung wegen Zahlungsverzugs in Frage kommen.

Hier gilt es wegen eines neuen Urteils des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 16. Februar 2005, VIII ZR 6/04) zu differenzieren: Kündigt der Vermieter das Mietverhältnis fristlos, übernimmt häufig das Sozialamt die Zahlung der Miete. Folge: Die fristlose Kündigung des Vermieters wird unwirksam.

Kündigt der Vermieter dagegen nicht nur fristlos, sondern auch ordentlich, also unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist, bleibt die Kündigung bestehen - unabhängig von einer nachträglichen Zahlung. Allerdings, so Stürzer, wird der Vermieter in diesem Fall dann häufig auf der Mietforderung sitzen bleiben. Denn nur dann, wenn die Chance besteht, dass dem Mieter die Mietwohnung erhalten bleibt, wird das Sozialamt die Forderung des Vermieters begleichen.

Nicht ganz so dramatisch wie für die privaten Haus- und Grundeigentümer stellt sich die Situation momentan noch für die städtischen, öffentlichen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen in München dar. Zwar, so Heinz-Werner Götz, Verbandsdirektor des Verbandes bayerischer Wohnungsunternehmen, sinke die Zahlungsmoral vieler Mieter. Anders als in den meisten anderen Städten Bayerns führe allerdings Hartz IV noch nicht dazu, dass die Mietschulden der Bezieher von Arbeitslosengeld II dramatisch steigen.

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