Innovativ Bauen:Ein Haus aus Plastik

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Stabil, beliebig formbar und obendrein preisgünstig: PVC & Co. sind, entgegen vieler Vorurteile, ein optimales Baumaterial.

Von Lars Klaaßen

Das Material begegnet uns in unzähligen Varianten. Seine Eigenschaften, Formen und Farben sind so vielfältig wie die chemischen Verbindungen, auf denen es basiert. Aber einen wirklich guten Klang hat die Substanz nicht, lediglich zwei Namen, die wenig Glanz ausstrahlen. Da ist zum einen das Wort Kunststoff. Es bringt zwar deutlich auf den Punkt, worum es sich handelt: ein durch und durch künstliches Produkt.

Glas wäre viel zu teuer, nun umhüllt Plastik das Haus. (Foto: Foto: Simone Rosenberg)

Doch in Zeiten, da ökologisches Bauen mit natürlichen Baustoffen angesagt ist, kommt so etwas nicht gut an. Und dann wäre da noch Plastik: Dieses Wort klingt vor allem billig - wie Plastiktüte, Plastikbesteck, Plastikfeuerzeug und andere Einwegutensilien.

Wer ein Haus baut, will aber etwas Dauerhaftes und Solides. Stein, Glas und Stahl: Aus diesen Stoffen werden heimelige Refugien errichtet. Wer will schon ein Plastikhaus? Peter Lang und Gabi Lang-Kröll zum Beispiel. Und sie hatten gute Gründe für ihre Wahl.

Am Anfang war das Licht: Der überwiegend mit großformatigen Holzschnitten arbeitende Künstler Peter Lang, benötigte ein großes Atelier. Zum Arbeitsraum sollte sich das Wohnhaus gesellen. Die Bauherren wollten bei Cham, am Übergang von Bayerischem Wald zu Böhmerwald für sich und ihre vier Kinder das passende Gebäude errichten: viel Platz, viel Licht - und ein eng gesteckter finanzieller Rahmen.

Der Münchner Architekt Florian Nagler entwarf ein Haus, das diese widerstrebenden Bedürfnisse unter ein Dach bringt. Eines seiner entscheidenden Mittel, die Materialwahl, erforderte Aufgeschlossenheit bei Bauherren und Behörden: Weil eine Glasfassade zu teuer geworden wäre, erhielt das Gebäude eine Hülle aus Kunststoff.

Das Haus entstand in einem Neubaugebiet am Ortsrand von Gleißenberg. Hinsichtlich Dachform und Lage assimiliert es sich bewusst harmlos in die umliegende Bebauung. Die Materialien sprechen eine andere Sprache: Der Holzbau ruht auf einem Sockelgeschoss aus sichtbarem Stahlbeton. Er setzt sich aus vierzehn in der Werkstatt vorgefertigten Wand- und Deckenelementen zusammen. Die doppelschalige - teils transparente, teils opake - Fassade aus Polycarbonatplatten schafft eine helle Wohnatmosphäre und lässt viel Licht ins Atelier.

Luftpolster dämmt das Haus

Der kontrolliert belüftbare Luftzwischenraum zwischen der Innen- und Außenschale kann mittels einfachen Abdeckungen der Zu- und Abluftöffnungen von Sommer- auf Winterbetrieb umgestellt werden. Im Sommer fließt die Luft zwischen Außen- und Innenschale hindurch. Im Winter wird der Zwischenraum verschlossen. Das Luftpolster dämmt das Gebäude. Dank dem einfachen Steckprinzip der Fassadenelemente und der Rotzederschindeldeckung konnten die Bauherren viele Arbeiten beim Bau selbst erledigen.

Kunststoff als günstige Alternative zu Glas

Kunststoff kann nicht nur eine kostengünstige Alternative zu Glasfassaden sein. Auch seine statischen Eigenschaften faszinieren: Die Mitarbeiter der "Forschungsgruppe materialgerechtes Entwerfen und Konstruieren mit faserverstärkten Kunststoffen" (FOMEKK)demonstrieren das an ihrem Experimentalbau "MYKO".

Nachwuchsforscher aus den Fakultäten Bauingenieurwesen und Architektur an der Bauhaus-Universität Weimar entwickelten ein drei mal fünf Meter großes Ei. Den Namen "MYKO" erhielt der Bau in Anlehnung an Mykorrhiza, ein Wurzelgeflecht von Pilzen und Pflanzen, das ebenso wie der Experimentalbau an die Infrastruktur seiner Umgebung andockt.

Das muss MYKO auch können, denn das 1.200 Kilo schwere Ei soll reisen - als vorbildliches Beispiel für das Baumaterial FVK (faserverstärkter Kunststoff).

Es kann als Ausstellungsraum oder Minikino genutzt werden.Am Mit faserverstärkten Kunststoffen wird schon seit den 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gearbeitet. Ob Raumfahrt, Auto, Bootsbau oder Ski: FVK wird in unzähligen Bereichen genutzt. "Lediglich am Bau ist das Material selten anzutreffen.

Dabei bieten diese Kunststoffe viele Vorteile: Sie sind sehr stabil, leicht und beliebig formbar. "Am Bau sind die Leute traditionsgeleitet und scheuen Neues", erklärt Thoralf Krause vom Fomekk die Abstinenz. Vor allem bei der Revitalisierung alter Gebäude sieht der Forscher großes Potenzial. Oft sind solche Häuser statisch nur sehr begrenzt belastbar. Beton ist dann zu schwer. Kunststoff hingegen lässt sich in solchen Fällen noch problemlos einbauen. Auch in Sachen Wärmedämmung macht das Material eine gute Figur. Zudem sind der gestalterischen Fantasie der Architekten mit FVK kaum Grenzen gesetzt.

Organische Formensprache, weit auskragende Deckenkonstruktionen? Kein Problem! Ein Beispiel dafür, wie schön sich mit "Plastik" bauen lässt ist die neue Münchner Fußballarena.

Aber eines wird es sicher nicht geben: Komplette Eigenheime aus Plastik. Für ein gesundes Raumklima sind andere Materialien nötig. Wie Nagler gezeigt hat, muss deshalb nicht komplett auf Kunststoff verzichtet werden. Es kommt auf die richtige Kombination an. "Künftig", so Krause, "wird Kunststoff als Baumaterial nicht mehr wegzudenken sein."

Für alle, die mehr darüber wissen wollen: Im Dezember 2005 wird im Verlag der Bauhaus-Universität Weimar das Buch "Pioniere des Kunststoffbaus" erscheinen.

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