Inflationsrate:"Der Anstieg geht möglicherweise noch weiter"

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Wirtschaftsexperten zeigen sich angesichts der hohen Inflationsrate besorgt und warnen vor einem weiteren Preisschub in der deutschen Wirtschaft.

Angesichts der stark gestiegenen Inflationsrate warnen die Konjunkturchefs führender Wirtschaftsforschungsinstitute vor einem weiteren Preisschub in der deutschen Wirtschaft. "Der Anstieg der Inflationsrate ist bedenklich", sagte Roland Döhrn vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) der Bild-Zeitung.

2008 könnte es Zweitrunden-Effekte beispielsweise durch starke Lohnerhöhungen geben. "Das würde die Teuerung wieder anheizen."

Der Konjunkturchef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Joachim Scheide, warnte in diesem Zusammenhang davor, dass sich die Bürger an die hohen Inflationsraten gewöhnen könnten und Firmen dieses Verhalten über weitere Preiserhöhungen ausnutzen könnten.

"Einkommensabzug für den Einzelnen"

"Der Anstieg der Inflationsrate ist besorgniserregend und geht möglicherweise noch weiter", sagte Scheide dem Blatt. Das sei "ganz klar für den Einzelnen ein Einkommensabzug, da bleibt real im Portemonnaie weniger übrig als noch zu Jahresanfang gedacht".

Es sei zu befürchten, "dass allgemein eine Inflationsmentalität einsetzt. Zum Beispiel könnten Unternehmen auch künftig versuchen, ihre Preise deutlicher zu erhöhen, weil sich die Verbraucher an die stärker steigenden Preise gewöhnt haben."

Steinbrück sieht keine dramatische Entwicklung

"Wir können froh sein, dass der Euro so stark im Vergleich zum Dollar ist. Sonst würde der Preisanstieg beim Öl viel stärker durchschlagen," so Scheide weiter.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hat vor einer Dramatisierung der Inflationsgefahr gewarnt. Der SPD-Politiker sagte am Mittwoch dem WDR-Morgenmagazin, der derzeit zu beobachtende sprunghafte Anstieg der Teuerungsrate auf 3 Prozent beziehe sich nur auf einen Monat.

"Die jahresdurchschnittliche Inflationsrate dürfe 2,1 oder 2,2 Prozent sein. Das ist zwar hoch, aber nicht so hoch, dass man beunruhigt seien müsste." Außerdem gingen die Sachverständigen davon aus, dass die Teuerungsrate bereits im nächsten Jahr wieder unter zwei Prozent sinken werde. "Insofern bitte ich, die Dramatik da etwas herauszunehmen", sagte der Minister.

DGB befürchtet "minimale Reallohnsteigerungen"

Nach Einschätzung des Deutschen Gewerkschaftsbundes wird die Teuerung die Lohnsteigerungen der Tarifrunde 2007 praktisch aufzehren. "Die durchschnittlichen Tariflohnsteigerungen liegen in diesem Jahr bei 2,4 Prozent", sagte DGB-Chefökonom Dierk Hirschel der Berliner Zeitung. "Das bedeutet, dass die Reallohnsteigerungen nur minimal ausfallen werden."

Von der Lohnseite könne es somit keine Impulse für den privaten Konsum geben. Sollte im nächsten Jahr auch die Investitionsbereitschaft der Firmen nachlassen, sei es sehr wahrscheinlich, dass die Binnennachfrage am Boden liege.

Der Volkswirt des Bundesverbands deutscher Banken, Karl Knappe, sagte, die Teuerung reduziere die reale Kaufkraft der Verbraucher, die vor allem den starken Anstieg der Energie- und Lebensmittelpreise spürten: "Die gefühlte Inflation dürfte deshalb noch höher sein als die tatsächliche." Deshalb bestehe die Gefahr, dass die Verbraucher die zusätzlichen Ausgaben für Energie und Lebensmittel an anderer Stelle einzusparen versuchten.

SPD schließt Steuersenkungen aus

Es gebe aber keinen Anlass zu übertriebenem Pessimismus: "Wegen der steigenden Beschäftigung und der erwarteten höheren Lohnabschlüsse rechne ich im kommenden Jahr weiterhin mit einem Anstieg des privaten Konsums."

Die SPD schließt Steuersenkungen zur Bekämpfung der hohen Inflationsrate aus. "Nach allem, was wir wissen, würde das an den Preisen nichts ändern", sagte der Finanzexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Joachim Poß, im ARD-Morgenmagazin. Er äußerte sich besorgt über die Entwicklung und betonte: "Wir haben keine konkreten Handlungsmöglichkeiten, die den Menschen wirklich helfen würden."

Vor allem die Preisexplosion bei Nahrungsmitteln und Mineralölprodukten trieb die Inflationsrate im November auf den höchsten Stand seit 13 Jahren. Wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Dienstag berichtet hatte, liegt die Rate nach ersten Berechnungen aus sechs Bundesländern bei 3,0 Prozent. Dies sei die höchste Teuerungsrate seit Februar 1994.

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