Immobilienpreise in Deutschland:Extreme Preisspannen

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Der Markt für Wohnimmobilien zerfällt. Einige Regionen Deutschlands leiden unter einem Bewohnerrückgang, der die Preise unter Druck setzt. In anderen Gegenden können Immobilieneigentümer dagegen durchaus auf Wertzuwachs hoffen.

Von Simone Gröneweg

So ein Angebot mag mancher nicht abschlagen: Mit kostenlosem Probewohnen für zwei oder drei Monate locken Wohnungsgesellschaften in den neuen Bundesländern potenzielle Mieter in ihre Apartments. Die Offerte stößt auf Resonanz, aber anders als gedacht. Einige Leute ziehen bereits von Wohnung zu Wohnung - immer probeweise. "Miettourismus nennt man das", berichtet Peter Rohland, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes für Wohneigentum und Stadtentwicklung.

Auf die Lupe klicken und der Preisspiegel für Neubauten springt groß auf. (Foto: Grafik: SZ/ Quelle: Bundesgeschäftsstelle LBS)

Das Phänomen ist symptomatisch für die Märkte in einigen Teilen Ostdeutschlands. Abwanderung und Überalterung machen den Immobilienanbietern zu schaffen. Liegt der Preis für ein Reihenhaus in der Stadt München bei etwa 700.000 Euro, zahlt ein Käufer in Dresden ungefähr 200.000 Euro (Popup).

Patchwork-Wohnungsmarkt

Jahrzehntelang galten Häuser und Wohnungen als sichere Geldanlage. So steckte 2002 rund 45 Prozent des Vermögens der Deutschen in Immobilien. Von 1975 bis 2003 sind die Preise nach den Statistiken des Analysehauses Bulwien in 49 ausgewählten deutschen Städten jährlich im Schnitt um 2,8 Prozent gestiegen. Ein sicherer Wertzuwachs.

Mittlerweile mehren sich jedoch die Hiobsbotschaften. Von fast 2,5 Millionen leer stehenden Wohnungen in Deutschland ist die Rede. Mit gezielten Abrissen stemmen sich Politiker gegen den Trend. Einzelne Wohnungsmärkte drohten jedoch angesichts eines Bevölkerungsschwundes einzubrechen, heißt es. Wissenschaftler, Analysten und Immobilienexperten sprechen vom "Patchwork-Wohnungsmarkt".

"Für den deutschen Immobilienmarkt lässt sich keine allgemein gültige Aussage mehr treffen. Wohnungsleerstand und Wohnungsmangel treten gleichzeitig auf", meint Hermann Adam, Immobilienexperte bei der Bundesgeschäftsstelle Landesbausparkassen.

Der Osten zieht weg

Im schlimmsten Fall könnten vor allem in den neuen Bundesländern in 20 Jahren Dörfer leer stehen, sagt Thorsten Schilling, Leiter der Immobilienanalyse bei Feri Research. Manche Eigentümer mussten bereits Preisabschläge im zweistelligen Prozentbereich hinnehmen. "Wie hoch der Wertverlust ausfällt, kommt auf das einzelne Objekt an", sagt Tobias Just, Immobilienanalyst bei der Deutschen Bank. Unsanierte Bauten aus den 70er Jahren hätten es beispielsweise schwer.

Auch im Westen gibt es Niedrigst-Preis-Zonen

Auch im Westen stehen die Preise in einigen Gegenden unter Druck. So zeigt das Szenario für Niedersachsen von Gewos, einem Institut für Stadt-, Regional- und Wohnforschung, ebenfalls einen zerklüfteten Markt. Während in und um Wilhelmshaven innerhalb der nächsten elf Jahre mit einem Bevölkerungsschwund zu rechnen ist, wachsen andere Landkreise wie etwa Vechta überdurchschnittlich stark.

Alles, was im direkten Einzugsbereich Hamburgs liege, sei auch künftig wertbeständig, prognostiziert Verbandschef Rohland. In einigen Teilen des Ruhrgebiets schlagen sich Anbieter schon jetzt mit zweistelligen Leerstandsquoten herum.

Um Leipzig herum könnte der Wohnungsmarkt dagegen irgendwann wieder anziehen, sagt Tobias Just, Immobilienexperte bei der Deutschen Bank. "Dort werden immer mehr Automobilfirmen ansässig", berichtet er. Und in Thüringen gebe es bei Jena eine vielversprechende Biotech-Szene.

Zahl der Haushalte wächst

Ein gesamtdeutscher Trend dürfte die Märkte in den kommenden Jahren noch stützen: Die Zahl der Haushalte nimmt zu. Zwar leben immer weniger Menschen hierzulande, aber sie brauchen tendenziell mehr Wohnraum. Belegte 1990 eine Person etwa 35 Quadratmeter, waren es im vergangenen Jahr schon mehr als 40. Steigende Haushaltszahlen und größerer Flächenverbrauch je Haushalt würden die Gesamtnachfrage nach Wohnraum noch bis zum Jahr 2030 ansteigen lassen, sagt Just.

Analyse vor dem Kauf

Wer sein Geld in die eigenen vier Wände oder in ein Objekt zum Vermieten investiert, wird auch in den kommenden Jahren noch moderate Wertzuwächse erhalten, sagen die Experten. Voraussetzung ist aber, dass die Immobilie am richtigen Platz steht. Vor der Anschaffung sollte man die Umgebung genau unter die Lupe nehmen, so der Rat.

"Vor 20 Jahren konnte man ein Haus oder eine Wohnung kaufen, ohne sich großartig Sorgen über die Wertentwicklung zu machen. Das ist jetzt anders", sagt Just. "Die Menschen zieht es in wirtschaftlich starke Gegenden. Schwächelt die Wirtschaft, wirkt sich das zwangsläufig auf den Immobilienmarkt aus", sagt auch Rohland. Die Region, in der man baue oder kaufe, sollte deswegen nicht nur von einem oder zwei Unternehmen abhängig sein, sagt Immobilienexperte Just.

"Verlegt eine Firma ihren Standort ins Ausland, hat das ansonsten gravierende Folgen für den regionalen Immobilienmarkt." Und ein weiterer Trend scheint für die Experten sicher: Der Bedarf an seniorengerechten Objekten wird steigen. Wohnungen mit Fahrstuhl, Häuser ohne riesigen Garten würden in einigen Jahren mehr Chancen auf dem Markt haben, sagen sie.

© SZ vom 14.4.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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