Immobilienkrise erschüttert Spaniens Fußball:Gemeinsam in den Abgrund

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Viele Bau-Mogule in Spanien hielten sich Profivereine als Hobby, jetzt gehen sie gemeinsam unter. Traditionsvereine stehen vor dem Nichts - und die Fußballer drohen mit Streik.

Javier Caceres

Es sind Spaniens Herren der Steine, die traditionell in die besten Beine investieren, seit dem Ende der 70er Jahre, um genau zu sein. Damals begannen die Bau- und Immobilienhaie des Landes mit der Invasion des Liga-Fußballs. Die Milliarden Peseten, die sie seither in den Ligakreislauf gepumpt haben, münzten sie in eine gesellschaftliche Anerkennung um, die sie als anonyme Unternehmer nie erlangt hätten. Männer wie Josep Lluís Núñez (FC Barcelona), der exzentrische und mittlerweile verstorbene Jesús Gil (Atlético Madrid) oder Florentino Pérez (Real Madrid) fanden über den Fußball nationale Beachtung und Anerkennung.

Spanische Fußballfans: Etlichen Vereinen stehen schwere Zeiten bevor. (Foto: Foto: dpa)

Mittlerweile aber ist die Durchdringung des spanischen Vereinsfußballs durch die Immobilienindustrie zu einem Problem geworden. Denn der Schein der Erfolge der spanischen Nationalelf bei der Europameisterschaft kann nur schwer überdecken, dass einige Klubs in der Heimat durch das abrupte Ende des Immobilienbooms in gehörigen finanziellen Stress geraten sind.

Leere Kassen

Die Liste der Beispiele ist beachtlich. Der aktuellste Fall ist der von Deportivo La Coruña, einem früheren Champions-League-Teilnehmer. Er wartet noch immer auf einen Trikotsponsor, der letzte Sponsor, der Baukonzern Martinsa-Fadesa, der einem früheren Präsidenten von Real Madrid gehört, hatte den Vertrag auslaufen lassen. Seit Montag ist recht klar, warum: Die Aktie der Firma wurde an der Börse in Madrid ausgesetzt, am Dienstag beantragte das Unternehmen Insolvenz. Es ist eine der größten Firmenpleiten, die es je in Spanien gab. Das Unternehmen steht mit 5,2 Milliarden Euro in der Kreide.

Schon vor Wochen beantragte der Immobilienunternehmer Vicenç Grande die Insolvenz; seinen 93-prozentigen Anteil am Erstligisten Real Mallorca hat Grande als Bürgschaft hinterlegt, der Klub steht somit zum Verkauf. Auch der nordspanische Bauunternehmer Seop musste Konkurs anmelden: Racing Santander beendete die sportlich hervorragende Saison zitternd und bangend, denn Seop war Hauptaktionär und -sponsor.

Zu den prominentesten Opfern zählt der FC Valencia, Bayerns Gegner im Champions-League-Finale 2001. Die Kassen des Vereins sind leer - unter anderem, weil der Hauptaktionär Juan Bautista Soler den Klub heillos in Immobilien-Spekulationen verstrickte. Der Verkauf des Stadions liegt brach, an den Bau des neuen Stadions ist nicht zu denken.

Lesen Sie im zweiten Teil, warum Spaniens Kicker nun mit einem Streik drohen - und wie hoch der gesetzliche Mindestlohn für Fußballspieler ist.

Mittlerweile belaufen sich die Schulden auf 400 Millionen Euro - mindestens. Über Monate hinweg versuchte Soler verzweifelt, seine Anteile an dem FC Valencia zu verkaufen - ohne Erfolg. Nun hat er in einem überraschenden Deal einen Interessenten ins Boot geholt, den früheren Telefonica-Chef Juan Villalonga. Für ihn wurde das Amt des Mittlers erfunden; spekuliert wird in den Medien, dass er im Auftrag eines nichtspanischen Investmentfonds agiert.

Andere Vereine sind selbst Insolvenzfälle geworden. Die traditionsreiche Unión Deportiva Las Palmas begab sich vor Jahren als erster Klub in die Hände eines Konkursrichters, mittlerweile haben es dem zwischenzeitlich sanierten Klub sieben weitere Vereine nachgetan, darunter so namhafte Klubs wie der frühere Uefa-Cup-Finalist Alavés, der zweimalige Meister Real Sociedad San Sebastián oder der gerade erst wieder in die erste Liga aufgestiegene Sporting Gijón. Längst wird spekuliert, dass es bei diesen Fällen nicht bleiben wird. Denn: Fußball ist in Spanien nicht zuletzt ein kreditfinanzierter Sport. Doch die Banken schauen nun auch bei Spaniens Volkssport Nummer eins genauer hin.

Spielergewerkschaft befürchtet Pleiten

Auch die Fußballergewerkschaft befürchtet, dass sich die Pleiten nun häufen. Schon jetzt ist nach Angaben der Sportzeitung Marca zu beobachten, dass sich die Lohnspirale rasant nach unten bewegt. Immer mehr Erstliga-Profis kassieren lediglich den tariflich festgeschriebenen Mindestlohn von 66.000 Euro netto im Jahr.

Darüber hinaus wittert die Spielergewerkschaft AFE überdies einen Missbrauch des Konkursrechts. Es bietet nämlich die Möglichkeit, die Fußballer nicht voll auszuzahlen. Für den Profifußball war aber das Konkursrecht nicht gedacht, argumentiert die AFE. Seit einigen Tagen steht daher eine Streikdrohung im Raum. Vereine, die bis 31. Juli ausstehende Gehälter nicht überweisen, sollen bestreikt werden.

Sollten die Klubs nicht einlenken und einen Garantiefonds einrichten, um die Zahlungen an die Profis zu sichern, wollen die Fußballer zudem über einen Boykott des ersten Spieltages debattieren. Terminiert ist er für 31. August. Ob es wirklich so weit kommt, ist fraglich. Aber es sieht danach aus, als würde es ein heißer Sommer werden in Spanien.

© SZ vom 17.07.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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