Immobilienkredite:Ein Hauch von Spekulation

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Selten war die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt für einen Kreditabschluss so schwer zu beantworten wie derzeit.

Friedrich Heinemann

"Soll ich noch abwarten oder mir die jetzigen Zinskonditionen sichern?" - vor dieser Frage steht jeder, der den Kauf einer Immobilie erwägt. Tatsächlich aber ist die Entscheidung über den Kreditabschluss und die Frage der richtigen Zinsbindung selten so knifflig wie heute.

Selbst die zweite Stelle hinterm Komma kann noch einiges ausmachen bei einem aufgenommenen Kredit. (Foto: Foto: ddp)

Fakt ist, dass das historische Zinstief von Ende 2005 vorläufig Geschichte ist. Damals waren Hypotheken mit zehnjähriger Zinsbindung von Internet-Anbietern für sage und schreibe 3,2 Prozent Effektivzins zu haben.

Nach zweijähriger Klettertour liegen die Konditionen für Zehnjahreskredite jetzt bei mindestens 4,4 Prozent. Wer deshalb aber meint, dass sich das Abwarten auf erneut nachgebende Zinsen lohnt, sollte die längerfristige Historie betrachten: Noch zu Beginn des Jahrzehnts etwa war Baugeld nicht unter sechs Prozent zu haben, von den horrenden Zinsen nahe dem zweistelligen Bereich zu Beginn der Neunziger nicht zu reden.

Gemessen an diesen Vergleichswerten sind auch die heutigen Konditionen noch Schnäppchen. Andererseits ist die Unsicherheit über die Konjunktur in den letzten Monaten deutlich größer geworden. Behalten die Pessimisten Recht und kommt es zu einem Einbruch des Wachstums, dann wäre auch beim Baugeld mit einer Abwärts-Korrektur zu rechnen. Abwarten beim Hauskauf oder eine vorläufig variable Verzinsung wären dann die richtigen Strategien.

Zentrale Ursache für die gegenwärtige Zitterpartie bei den Zinsen ist die Unsicherheit über die weitere Entwicklung der Weltwirtschaft. Diese Unsicherheit ist wiederum die Folge der US-Immobilienkrise und ihrer Auswirkungen auf Banken und Finanzmärkte weltweit.

Markante Änderung der Lage

Vor der Zuspitzung der Krise um die amerikanischen Hypothekenkredite mit niedriger Bonität im August gab es für die Konditionen beim Euro-Baugeld nur eine Richtung: nach oben. Im Zuge der damaligen allgemeinen Konjunktur-Euphorie war scheinbar sicher, dass Kapital künftig teuer werden müsste.

Die Europäische Zentralbank hatte die Märkte noch im Sommer auf baldige weitere Zinserhöhungen eingestimmt. Der Kredithunger der investitionsfreudigen Unternehmen tat sein Übriges, um die Zinsen auf Klettertour zu schicken.

Diese Lage hat sich seit den Sommermonaten markant gewandelt. Die Frankfurter Währungshüter sorgen sich zwar aufgrund einer steigenden Inflationsrate um die Kaufkraft des Euro. Die unsicher gewordene Konjunkturaussicht und die sprunghafte Aufwertung des Euro verbieten es dem EZB-Präsidenten Jean-Claude Trichet aber vorläufig, die Leitzinsen zu erhöhen.

Zu sehr bremst der starke Euro bereits die Konjunktur, als dass Europa derzeit auch noch höhere Zinsen zugemutet werden könnten. Auch relativieren sich die Inflationssorgen durch die unsicher gewordene Wachstumsperspektive. Denn fällt die Wirtschaft der Eurozone in den nächsten Jahren in die Stagnation zurück, dann wird dies automatisch die Inflation wieder dämpfen.

Diese Unsicherheiten haben den Anstieg der Hypothekenzinsen in Deutschland im Juli und August abrupt gestoppt und seitdem sogar für einen Rückgang um einige Zehntel Prozentpunkte geführt.

Immobilieninvestoren in Deutschland profitieren damit in doppelter Weise von der amerikanischen Immobilienkrise. Zum einen über sinkende Zinsen und zum anderen über eine neue Wertschätzung der Banken für diese Kreditnehmer. Denn im Vergleich zu amerikanischen Schuldnern wird plötzlich die Zuverlässigkeit deutscher Häuslebauer wieder gewürdigt: Die hierzulande strengere Kreditwürdigkeitsprüfung durch die Banken, aber auch die größere Vorsicht der Bauherren selber zahlen sich nun aus. Am deutschen Hypothekenmarkt sind Krisenerscheinungen wie in den USA daher derzeit unvorstellbar.

Die gute Nachricht ist somit, dass Bauherren, die ein Mindestmaß an Eigenkapital und Einkommenssicherheit mitbringen, in Deutschland nach wie vor keine Finanzierungsschwierigkeiten haben.

Die schlechte Nachricht aber bleibt, dass die Zinsperspektive unsicher ist wie selten zuvor. Im optimistischen Szenario kann die US-Immobilienkrise bis zum Frühjahr 2008 entschärft werden. In diesem Fall steht einem weiteren Aufschwung in Deutschland nichts entgegen. Infolgedessen würde sich der aktuelle leichte Rückgang der Kreditzinsen nur als kurzes Intermezzo erweisen.

Optimismus offenbar besser begründet

Im pessimistischen Szenario hingegen beendet die Schwäche der US-Wirtschaft in Kombination mit einer weiteren Euro-Aufwertung den Aufschwung in Deutschland; dann werden die Zinsen wieder in Richtung ihres historischen Tiefstandes fallen.

Nach Einschätzung der meisten Konjunkturexperten ist das optimistische Szenario derzeit immer noch besser begründet. Von daher ist eine lange Zinsbindung durchaus ratsam. Zudem erscheint das Risiko verkraftbar, dass nach Vertragsabschluss die Zinsen dann doch weiter sinken. Der umgekehrte Fall, ein überraschender Zinsanstieg, kann im ungünstigsten Fall demgegenüber zum kompletten Kollaps einer Finanzierung führen.

Das Fazit lautet: Die Wahl der richtigen Hausfinanzierung enthält immer auch ein Element der Spekulation. Die Spekulation auf wieder fallende Zinsen ist das Risiko aber kaum wert.

© SZ vom 7. 12. 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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