Immobilienkauf derzeit:Die Wohnung als Rettungsanker

Lesezeit: 3 min

In der Finanzkrise scheint eine Immobilie manchem Anleger ein geeigneter Zufluchtsort fürs Geld zu sein.

Von Simone Gröneweg

Das Telefon im Büro von Michael Schick klingelt seit einigen Wochen deutlich häufiger als vorher. "Wir haben eine Sonderkonjunktur", erzählt der Immobilienmakler aus Berlin. Wer Geld übrig habe oder viel Erspartes auf dem Konto, erkundige sich in diesen Zeiten nach einer Wohnung oder einem Haus. "Die Leute sind verunsichert und suchen Anlagemöglichkeiten für ihr Geld", sagt Schick.

Die Deutschen brauchen mehr Wohnraum. Die Zahl der Haushalte wächst stetig, voraussichtlich mindestens bis zum Jahr 2020. (Foto: Foto: Schierenbeck/dpa/tmn)

Der Makler Thomas Aigner aus München bestätigt den Trend: "Auch wir haben derzeit sehr viele Anfragen." Nicht jeder kaufe, aber viele würden sich erkundigen und einen Immobilienkauf in Erwägung ziehen. Das erstaunt zunächst. Die Wirtschaftskrise hat Deutschland voll im Griff. Die Zahl der Arbeitslosen wird in den kommenden Monaten vermutlich deutlich steigen. Und die Nachrichten über Abstürze an Immobilienmärkten im Ausland sind noch lange nicht vergessen. So versuchen in Teilen der Vereinigten Staaten oder in London Menschen verzweifelt die eigenen vier Wände zu verkaufen und bekommen gerade mal einen Bruchteil dessen, was sie noch vor einiger Zeit bezahlt haben. Wenn sie ihre Häuser überhaupt loswerden.

Kein Boom, kein Absturz

Der deutschen Markt für Wohnimmobilien scheint dagegen noch Vertrauen zu erwecken. Im Herbst des vergangenen Jahres gab es zwar Meldungen über einige Häuser, die quasi über Nacht an Wert verloren hatten. Das seien aber absolute Einzelfälle, sagen die Experten. Eine Blitzumfrage des Deutschen Städtetags zu Beginn des Jahres ergab: Die Preisentwicklung sei im Durchschnitt stabil. Und diese Stabilität lockt mittlerweile offenbar Anleger, die nach Alternativen für ihr Geld suchen. Sie fürchten, dass es zu einer Inflation kommt.

Experten sind sich einig: Die Tatsache, dass die Preise seit Mitte der neunziger Jahre kaum gestiegen sind, bewahrt die deutschen Wohnimmobilien gerade vor einem Absturz. In anderen Ländern boomten die Wohnungsmärkte. Der Boom habe hierzulande nicht stattgefunden, sagt Karin Siebels, Analystin bei der HSH Real Estate. Doch wie sicher kann man sein, dass sich die Preise für Häuser und Wohnungen hierzulande auch in Zukunft halten?

Auch für die Zukunft äußern sich viele optimistisch. Der deutsche Wohnimmobilienmarkt habe Entwicklungspotential, glaubt etwa die Immobilienexpertin Heike Piasecki vom Analysehaus BulwienGesa. Allerdings müsse man schon etwas genauer hinschauen. "Wir steuern in einigen Städten sogar auf eine Unterversorgung hin", sagt sie. "Die Menschen ziehen vermehrt in wirtschaftliche Wachstumsregionen. Damit profitieren vor allem die Städte von demographischen Veränderungen", sagt Siebels von der HSH Real Estate. Sie rechnet dort mittelfristig sogar mit fünf bis neun Prozent höheren Kaufpreisen beim Wohneigentum.

Der Grund für den Optimismus: Die Deutschen brauchen mehr Wohnraum. Die Zahl der Haushalte wächst stetig, und zwar mindestens bis zum Jahr 2020. Die Nachfrage wird also steigen. Und es wird nach Ansicht der Experten zu wenig gebaut. Die Zahl der Wohneinheiten liegt unter 40 Millionen. Ein Viertel des Bestands ist älter als 60 Jahre, ungefähr 44 Prozent der Bauten wurden nach dem Zweiten Weltkrieg bis Ende der siebziger Jahre errichtet, lediglich drei Prozent nach 2000. Der Neubau ist eingebrochen.

Seit 2005 habe sich der deutsche Wohnungsneubau im europäischen Vergleich auf dem letzten Platz festgesetzt, heißt es bei der Bundesgeschäftsstelle der Landesbausparkassen: "Mit Ausnahme Dänemarks ist die Bauintensität in allen direkten Nachbarländern mindestens doppelt so groß wie hierzulande."

Experten schätzen, dass eigentlich 270.000 bis 350.000 neue Wohnungen pro Jahr gebaut werden müssten. 2008 gab es aber gerade mal 174.600 Genehmigungen. In einigen Städten könnte es sogar zum Wohnungsmangel kommen.

Aber nicht alle Regionen gehören zu den Gewinnern dieses Trends. Wo Abwanderung und Arbeitslosigkeit dominieren, wird die Nachfrage am Wohnungsmarkt geringer, die Preise werden zwangsläufig sinken. Schwierig sieht es zum Beispiel bei den mittelgroßen Städten im Ruhrgebiet aus, in Teilen Schleswig-Holsteins oder an der bayerischen Grenze zur Tschechischen Republik.

Nach wie vor sind auch etliche Gegenden im Osten betroffen. Die Regionen würden vor allem am Bevölkerungsschwund durch niedrige Geburtenraten sowie Wegzug und geringerer Wirtschaftskraft leiden, heißt es beim Immobilienverband Deutschland. In den großen Städten sieht es nach Ansicht der Experten dagegen gut aus.

Nach wie vor ist das wesentliche Kriterium für eine Immobilie die Lage. "Die unmittelbare Umgebung spielt dabei auch eine große Rolle", sagt Piasecki von BulwienGesa. "Die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel ist wichtig, der Supermarkt, der Kindergarten und die Schule in der Nähe sind ebenfalls bedeutende Kriterien."

Investoren müssten weiter denken, erklärt die Immobilienanalystin. Denn die Wirtschaftskrise werde unter Umständen in regionalen Immobilienmärkten ihre Spuren hinterlassen. Piasecki: "Wenn etwa Betriebe geschlossen werden, wird die Nachfrage nach Wohnraum in der unmittelbaren Nähe leiden." Auch an solche Szenarien müssen Investoren denken.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: