Immobilienfonds in Not:Die letzte Bastion fällt

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Vier offene Immobilienfonds werden geschlossen. Wer seine Anteile trotzdem loswerden will, kann sie über die Börse verkaufen.

Simone Gröneweg

Nun hat es auch die offenen Immobilienfonds erwischt. Vor kurzem galten sie als sichere Bastion in der Finanzkrise: Die Branche sammelte von Januar bis Ende August 5,7 Milliarden Euro ein.

Immobilienfonds in Schwierigkeiten: "Die Dimension der Mittelabflüsse lässt sich nicht mehr nachvollziehen" (Foto: Foto: dpa)

Im September änderte sich das. In den vergangenen Wochen zogen einige Anleger - wohl vor allem Dachfonds und Vermögensverwalter - Geld ab. Jetzt herrscht Krisenstimmung. Drei Gesellschaften haben für vier Fonds die Rücknahme der Anteile ausgesetzt.

90 Milliarden Euro angelegt

Das trifft die Branche hart. Etwa 90 Milliarden Euro sind in offenen Immobilienfonds angelegt. Der Vorteil dieses Finanzproduktes liegt darin, dass Anleger jederzeit ihre Anteile an die Fondsgesellschaft zurückgeben können und das Geld wiederbekommen.

Schlecht sieht es aber aus, wenn das zu viele Sparer zur gleichen Zeit tun - wie bei den betroffenen Gesellschaften geschehen. Denn die Manager haben die Milliarden in Gebäuden und Grundstücken investiert, die sich nicht so schnell zu guten Preisen veräußern lassen.

Darum sind die Anbieter in dieser Woche aktiv geworden. Sie wollen dafür sorgen, dass die Fonds weiterhin über ausreichend Liquidität verfügen. Für so manchen Anleger kommt das aber zu spät.

Als Erstes meldete sich die Fondsgesellschaft Kanam. Seit Montag können Kunden die Anteile an dem US-Grundinvest nicht mehr zurückgeben.

Das Management sehe sich zu der Maßnahme gezwungen, um die ordnungsgemäße Verwaltung und Fortführung des Fonds sicherzustellen, heißt es in einer Mitteilung. Nur einen Tag später war der zweite Fonds der Gesellschaft, der Kanam Grundinvest Fonds, dran. Noch im Juli waren dem Fonds innerhalb von zehn Tagen 500 Millionen Euro zugeflossen.

Auch bei Axa Investment Managers zog man die Reißleine: Seit Dienstag können Investoren die Anteile am Axa Immoselect nicht mehr zurückgeben. Am Mittwoch folgte dann die TMW Pramerica Property Investment: Den TMW Immobilien Weltfonds ereilte das gleiche Schicksal. Das Geld der Anleger sitzt nun erst einmal für drei Monate fest. Experten warnen trotzdem vor Panik.

So sagt Rüdiger Sälzle, Vorstand des Analysehauses Fondsconsult in München: "Die Dimension der Mittelabflüsse lässt sich nicht mehr nachvollziehen."

Große Ratlosigkeit

Es gebe keinen Grund, die Anteile an einem Fonds wie Axa Immoselect in diesen Zeiten abzugeben, erklärte er. Der Fonds sei stabil und breit aufgestellt. Die Verantwortlichen sind selbst erstaunt. "Die Branche glaubte, sie sei der große Profiteur der Finanzkrise", sagt Fondsmanager Achim Gräfen von Axa Investment.

Nun haben vermutlich Dachfonds und Vermögensverwalter die Anbieter eines Besseren belehrt. Denn vor allem diese Halbinstitutionellen sollen ihre Anteile verkauft haben. Beim Axa Immoselect zogen sie in den vergangenen vier Wochen etwa 420 Millionen Euro ab.

Da hilft auch nicht mehr, dass seit Jahresbeginn 660 Millionen Euro in den Fonds geflossen sind. "Wir sind Opfer unseres Erfolgs", glaubt Gräfen. "Die Dachfonds kommen bei uns momentan mit einem Gewinn raus, das funktioniert sonst nirgends."

Die Situation ist paradox. Wenn es an den Börsen kracht, sind offene Immobilienfonds eigentlich besonders beliebt. Im Krisenjahr 2002 wurden sie mit Geld überschwemmt - 15 Milliarden Euro. Doch diesmal ist es anders. "Nach den Aktienfonds und den Geldmarktfonds sind nun die offenen Immobilienfonds dran - das ist nicht mehr rational", sagt Sälzle.

Auch mögliche Krisenszenarien für den Immobilienmarkt lässt er nicht gelten. "So dramatisch kann das nicht werden. Im Gegenteil, in der Krise flüchten normalerweise viele in Sachwerte wie Immobilien." Auch bei der Ratingagentur Scope Analysis versucht man, die Gemüter zu beruhigen. "Die Investoren sollten nicht panisch werden", sagt Claudia Vogl-Mühlhaus, Mitglied der Geschäftsleitung.

Anders als Besitzer von Zertifikaten müssten sich Investoren in offene Immobilienfonds nicht um ihre Anteile sorgen. "Das Geld in den Fonds ist gesetzlich geschützt und wäre auch nicht Teil einer eventuellen Konkursmasse." Den Gesellschaften gehe es aber auch nicht schlecht, ergänzt sie. Sie müssten nur für eine ausreichende Mindestliquidität sorgen.

Die wird im Investmentgesetz vorgeschrieben und liegt bei fünf Prozent des Fondsvermögens. Nach der großen Krise im Jahr 2006 - damals war ein Fonds der Deutschen Bank zeitweise geschlossen worden - verpflichteten sich die Anbieter freiwillig, mindestens zehn Prozent des Vermögens liquide zu halten. 2006 flohen Anleger schon einmal aus der Branche, und zwar aus Angst vor Abwertungen der Immobilien. Diesmal gehe es den Fonds wesentlich besser, heißt es.

Das tröstet Anleger, die ihr investiertes Geld jetzt unbedingt benötigen, kaum. Aber für sie gibt es eine Lösung. An den Börsen in Hamburg und Berlin werden die Anteile der Fonds gehandelt. Das Interesse am Axa Immoselect war am Mittwoch aber äußerst gering.

Da gebe es kaum Umsatz, sagt ein Sprecher der Börse Hamburg. "Anders sieht es bei den Kanam-Fonds aus." Wer unbedingt Geld braucht, kann an der Börse verkaufen. Ist die Anteilsrücknahme von der Gesellschaft ausgesetzt, entsteht der Preis an den Börsen aber nur durch Angebot und Nachfrage. Normalerweise orientiere der sich am Immobilienvermögen, sagt der Sprecher. Wer aber auf die Schnelle verkaufen will, muss sich wohl mit einem niedrigeren Preis abfinden.

© SZ vom 30.10.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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