Immobilien:Ladenlokal sucht Mieter

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Abseits der Haupteinkaufsstraßen will kaum jemand ein Geschäft aufmachen, teure Top-Lagen sind dagegen weiterhin begehrt. Bestes Beispiel: Die Kaufingerstraße in München.

Stefan Weber

Wenn der Herner Oberbürgermeister Horst Schiereck die Vorzüge seiner Stadt aufzählt, erwähnt er gerne die umfangreiche Sanierung der Fußgängerzone. Vier Jahre wurde in der Ruhrgebietsstadt gebuddelt und gepflastert, um die zuvor wenig ansehnliche Einkaufsmeile aufzufrischen. Seitdem sprechen die Herner nicht ohne Stolz vom "Boulevard Bahnhofstraße".

Die Hohe Straße in der Kölner Fußgängerzone ist eine der längsten Einkaufsstraßen Deutschlands. (Foto: Foto: dpa)

Doch allem neuen Glanz zum Trotz erreichten Schiereck in den vergangenen Monaten mehrere schlechte Nachrichten: Mit den Modefilialisten Wehmeyer und Sinn-Leffers sowie dem Warenhausunternehmen Hertie machen gleich drei prominente Handelsunternehmen ihre Standorte in der Stadt dicht. Herne ist damit bundesweit die einzige Stadt, aus der sich die drei seit Sommer 2008 insolventen ehemaligen Töchter des Karstadt-Quelle-Konzern zurückziehen.

Ladenflächen in den Top-Einkaufsstraßen weiter begehrt

"Das schmälert die Attraktivität der Fußgängerzone und erschwert die Neuvermietung der Läden", meint Eckard Brockhoff, geschäftsführender Gesellschafter des Maklerunternehmens Brockhoff & Partner. Dabei klagen die Vermittler von Einzelhandelsflächen ansonsten nicht über mangelnde Nachfrage. Zumindest Ladenflächen in den Top-Einkaufsstraßen der Städte sind weiter begehrt, auch wenn die Krise allmählich den Einzelhandel erreicht.

Modeketten wie H&M, Zara, Esprit oder die neue C&A-Tochter Avanti suchen unverändert nach neuen Standorten. Auch Lebensmitteldiscounter wie Aldi und Lidl sowie Billiganbieter von Textilien wie Kik wollen ihr Filialnetz weiter vergrößern.

Und der Schuhhändler Deichmann hat erst in dieser Woche ganz präzise formuliert, was er sich wünscht: "Neue Verkaufsflächen ab 450 Quadratmeter in Städten mit einem Einzugsgebiet von mehr als 30.000 Menschen". 55 Läden will das Familienunternehmen in diesem Jahr eröffnen; langfristig sieht Deichmann in Deutschland ein Potential von etwa 300 Geschäften.

Münchner Kaufingerstraße weiterhin mit den höchsten

Die starke Nachfrage der meist finanzkräftigen Filialunternehmen führt dazu, dass die Mieten für gute Objekte in belebten Einkaufsstraßen unverändert hoch sind.

Das auf Handelsimmobilien spezialisierte Beraterunternehmen Kemper's Jones Lang LaSalle hat nach einer Analyse der 185 wichtigsten Einkaufsstädte in Deutschland für das erste Halbjahr 2009 immerhin noch einen Anstieg der Mieten um 0,1 Prozent ermittelt. Im Jahr zuvor hatte das Plus allerdings 5,1 Prozent betragen. Teuerste Einkaufsmeile ist unverändert die Kaufingerstraße in München. Dort beträgt die monatliche Spitzenmiete 310 Euro pro Quadratmeter. Im bundesweiten Durchschnitt werden etwa 60 Euro pro Quadratmeter bezahlt.

"Die Zeiten hoher Mietsteigerungen sind vorerst vorbei", heißt es in Maklerkreisen. Dass aber die Mieten für Ladenlokale an 1a-Standorten bald in großem Stil den Rückwärtsgang einlegen, kann sich Gerhard Kemper, geschäftsführender Gesellschafter von Kemper's Jones Lang LaSalle, nicht vorstellen: "Ladenlokale in Top-Lagen bleiben Mangelware, auch wenn sich die Nachfrage in diesem Jahr voraussichtlich abschwächt."

Neubaupläne gestoppt

Ganz anders ist die Situation abseits der Haupteinkaufsstraßen. "Das Interesse an Geschäften in Nebenlagen hat in den vergangenen Monaten stark nachgelassen", beobachtet Brockhoff. Er beziffert den Rückgang mit 30 Prozent. Obwohl manche Läden zu einem Zehntel der Miete angeboten würden, die an den Top-Standorten verlangt wird, sei es zunehmend schwierig, Einzelhändler für diese Flächen zu begeistern.

"Unternehmen, die jetzt expandieren, wollen in die Top-Lagen", meint der Makler. Für leerstehende Geschäfte bleibe am Ende nur eine Nutzungsänderung, etwa für Büros. Rolf Pangels, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes BAG, registriert "seit einigen Wochen eine deutliche Zunahme der Leerstände im Einzelhandel, insbesondere in Nebenlagen." Er erwartet, dass sich diese Entwicklung in den nächsten Monaten beschleunigen wird. Noch seien es vor allem kleinere Ladenlokale, für die sich kein Nutzer finde; aber bald werden nach seiner Schätzung auch vermehrt größere Flächen leer stehen.

Diese Situation könnte sich durch Insolvenzen, die Auskunfteien und Kreditversicherer dem Einzelhandel in diesem Jahr voraussagen, weiter verschärfen. Etwa, wenn Hertie nicht zu retten ist. Dann werden nicht nur - wie bereits beschlossen - 19 Warenhäuser dichtmachen, sondern sämtliche 73 Standorte.

In den nächsten Monaten zahlreiche Pläne vor der Eröffnung

Zudem werden vielerorts immer noch neue Einkaufszentren und Fachmärkte gebaut. Nach Berechnung der BAG ist die Verkaufsfläche im Einzelhandel 2008 um 1,3 Millionen Quadratmeter auf knapp 118 Millionen Quadratmeter gestiegen. Zwar haben wegen der Finanzmarktkrise viele Projektentwickler und Investoren Neubaupläne zurückgestellt. Aber in den nächsten Monaten stehen noch zahlreiche Projekte vor der Eröffnung.

Pangels schätzt, dass in diesem Jahr eine weitere Million Quadratmeter Verkaufsfläche hinzukommt. Wenn dann, wie von vielen Konjunkturforschern befürchtet, die Konsumnachfrage zurückgeht, könnten die Ladenmieten stärker ins Rutschen geraten und noch mehr Läden leer stehen.

© SZ vom 10.02.2009/iko/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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