Ikea: Mein erstes Mal:Konto-Kahlschlag wegen Ivar

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Von Markus C. Schulte v. Drach

"Ikea begleitet mich seit dem ersten Versuch, eine eigene Wohnung einzurichten. Genau genommen ist es Ivar, das (oder der?) mich seit 1989 begleitet, das Regal-System.

Bis zum heutigen Tage rahmen die rohen Nadelholz-Leitern mit den hässlichen Löchern meine Bibliothek, tragen die sich durchbiegenden Bretter das Gewicht meiner Lektüre, vom Groschenroman bis zu Beststeller, Kunstführer und Rasenmäher-Reparatur-Anleitung.

Tatsächlich war es Ivar, der (oder das?) mich auch zu meinem Ersten Mal in einen der riesigen Betonblöcke lockte, in denen das Möbelhaus seine aus toten Bäumen zusammengepressten und -geleimten Produkte anbietet. Mit dem Auszug aus der elterlichen Wohnung wurde ein Regal erforderlich - am besten eines, das sich dem zu erwartenden studienbedingten Zuwachs an Lesestoff anpassen ließ.

Ich weiß nicht wie, aber es war den Möbel-Schweden gelungen, bei mir den Eindruck zu vermitteln, sie würden ihre Produkte billiger verkaufen als die Konkurrenz. Vielleicht, weil Regalsysteme wie Ivar viel zu schlicht und funktionell sind und auch so aussehen, als dass sie teuer sein könnten.

Ideal - mit Hilfe des Pappmodells

Anhand der Auswahl an Brettern verschiedener Breiten und Tiefen und unterschiedlich hohen Seitenteilen lässt sich im Geiste ja das ideale System zusammenstellen. Das ist natürlich ganz prima - wenn man sich vorher mit Pappmodellen im richtigen Verhältnis klar gemacht hat, was man braucht.

Aber wer macht das schon, wenn man doch bloß ein Bücherregal kaufen will? Ich jedenfalls sammelte alles ein, was passen könnte - eingelullt von den Einzelstück-Preisen, die alle im einstelligen oder niedrigen zweistelligen Bereich lagen.

Nun entscheiden Sie mal auf die Schnelle, wie viele 80 Zentimeter breite Bretter Sie in einem Zimmer mit 2,25 Meter hoher Decke (Vorsicht: Dachschräge) zwischen zwei Seitenteile von 226 Zentimeter Länge hängen können und müssen, um 100 Bücher vernünftig übereinander zu stellen. Wie viele Bücher passen überhaupt auf 80 Zentimeter, und wie hoch ist eigentlich das Buch an sich?

Also lieber ein Brett mehr gekauft, und noch ein niedriges Seitenteil - aber breit, weil der Fernseher vielleicht auf die 50 Zentimeter tiefen Bretter passt. Dann noch ein Fünferpaket halbe tiefe Bretter - für alle Fälle.

An der Kasse konnte ich kaum fassen, wie viel die paar Kubikzentimeter Holz kosten sollten. Nervlich am Ende nach dem Balanceakt, als der sich der Weg von der Abteilung für Selbstbediener bis zur Kasse erwiesen hatte (und den ich immerhin bewältigt hatte, ohne mich oder andere zu verletzen) und benebelt vom Duft des frisch gekauften Holzes musste ich zusehen, wie Ivar mir die Finanzplanung der nächsten Monate über den Haufen warf. Die Rache des gefällten Baumes: Konto-Kahlschlag.

Als wäre noch Leben im Holz

Seitdem ist Ivar gewachsen, als wäre noch Leben im Holz. Es kriecht an der Wand entlang wie sperriges Efeu. Die Ausbreitung verläuft zyklisch: Innerhalb zweier Leitern wächst die Zahl der Bücher, bis die Lektüre zwischen den Brettern hervorquillt.

Das System wird um eine Leiter und sieben Bretter ergänzt, und wie ein sich teilender Einzeller hat sich das Regal verdoppelt und die Last verteilt sich. Der Wechsel auf ein anderes (schöneres) System verbietet sich so von selbst. Kein anderes Regal kann in der von Ivar geprägten Umwelt überleben.

Deshalb, so fürchte ich, wird mir Ivar bis ans Lebensende erhalten bleiben."

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