Hoher Ölpreis:Das schwarze Objekt der Begierde

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Nie war Rohöl so teuer wie heute - ein Barrel kostet fast 100 Dollar. Vor allem Spekulanten treiben den Preis in die Höhe. Und die Lage wird sich noch verschärfen.

Andreas Oldag

Vor dem tristen Gebäude der New Yorker Rohstoffbörse Nymex stehen die Broker in ihren bunten Firmenjacken. Viele ziehen nervös an einer Zigarette. Diese Tage sind besonders hektisch. Die Börsenprofis drehen am großen Rad der Ölpreisspekulation.

Dabei geht es vor allem um sogenannte Öl-Terminkontrakte, also Lieferungen zu einem bestimmten Zeitpunkt und einem vorher vereinbarten Preis. Es sind für die Spekulanten Wetten auf die Zukunft. Öl-Terminkontrakte machen mehr als die Hälfte des täglichen Handelsvolumens an der Nymex-Sparte für Energie aus. Milliarden werden hin und her geschoben.

An der Nymex entscheidet sich, was Verbraucher in großen Teilen der westlichen Welt für Benzin oder Diesel bezahlen müssen. Und derzeit gibt es für die Preiskurve des Öls nur eine Richtung: nach oben. Experten erwarten, dass der Preis für ein Barrel Öl (1 Barrel = 159 Liter) in den nächsten Tagen die Rekordmarke von 100 Dollar knacken wird.

Ausreichende Produktion

Die Ölhändler an der New Yorker Rohstoffbörse arbeiten dabei mit einer Art sich selbst erfüllenden Prognose. Wenn alle von steigenden Preisen reden, folgen die Märkte diesem Trend. Vieles spricht dafür, dass dieser Mechanismus derzeit zum beherrschenden Moment des Ölpreisbooms geworden ist.

Dabei ist die Angst vor einer Zuspitzung politischer Krisen in wichtigen Ölförderregionen dieser Welt ein willkommener Anlass, den Preis in die Höhe zu treiben.

Einmal ist es der Konflikt um das angebliche Atomwaffenprogramm Irans, ein anderes Mal erscheint ein mögliches militärisches Eingreifen der Türkei im Norden des Irak als Auslöser einer drohenden Ölknappheit.

Tatsache ist jedoch, dass die Versorgung der Ölmärkte trotz hoher Nachfrage ziemlich problemlos funktioniert. Immerhin hatte das Ölförderkartell Opec Anfang September beschlossen, die Fördermenge in diesem Herbst um 500.000 Barrel pro Tag zu erhöhen.

Es seien vor allem Hedge-Fonds und Ölspekulanten, welche die Preise derzeit von einem Rekordstand zum anderen treiben, erklärt Jason Schenker, ein Rohstoff- und Energie-Analyst bei der amerikanischen Bank Wachovia. So können spekulative Einflüsse den Ölpreis durchaus um etwa zehn Prozent steigen oder fallen lassen.

Dass Öl derzeit ähnlich interessant zu sein scheint wie beispielsweise Gold, ist auch eine Folge der internationalen Finanz- und Kreditkrise. Die Finanzfirmen suchen jetzt nach alternativen Anlagemöglichkeiten.

Und stoßen dabei auf das Öl. Hinzu kommt der schwache Dollar. Investoren flüchten aus der amerikanischen Währung und suchen nach sicheren Anlagemöglichkeiten für ihr Geld. "Das alles macht Öl zum begehrten Spekulationsobjekt. Es lohnt sich für Börsenprofis. Doch für den Verbraucher hat dies meist negative Folgen", sagt der Banker eines großen Instituts in London.

Auch wenn die gegenwärtige Ölpreis-Rally zu einem erheblichen Teil Ergebnis riskanter Spekulationen an den Rohstoffbörsen ist, heißt dies nicht, dass sogenannte fundamentale Faktoren keine Rolle spielen. So hat die Internationale Energieagentur (IEA) in Paris jetzt in einem neuen Bericht vor weiter steigenden Ölpreisen und der Gefahr eines Versorgungsengpasses gewarnt. So werde die Energie-Nachfrage bis 2030 um 50 Prozent steigen, berichtet die IEA, die 26 Industriestaaten berät und bei der Bewältigung der Energieprobleme helfen soll.

Nachfrage von morgen - schon jetzt an der Börse

Vor allem der stetig steigende Energieverbrauch in Schwellenländern wie China und Indien spielt dabei eine dominante Rolle. Noch mag der Autoverkehr in China im Vergleich zu Europa und den USA bescheiden sein. Doch schon jetzt wird an den Energiemärkten die Nachfrage von morgen gehandelt. Händler an den Rohstoffbörsen müssen in ihren langfristigen Kalkulationen vorwegnehmen, was China künftig für Öl zahlen wird.

Nach Einschätzung der Internationalen Energieagentur könnte China die USA bereits 2010 als größter Energieverbraucher der Welt ablösen. 2030 werde das Land so viel Öl importieren wie alle 27 EU-Mitgliedstaaten zusammen, sagen die Agentur-Experten. Nach Meinung der IEA müssten bis 2030 gigantische Summen in neue Ölfelder investiert werden, damit das Angebot mit der steil ansteigenden Nachfrage Schritt halten kann.

Ein solcher Investitionsschub erscheint allerdings als sehr unwahrscheinlich. Zwar haben die großen westlichen Ölkonzerne nach langen Jahren der Zurückhaltung jetzt ihre Bemühungen zur Erschließung neuer Reserven verstärkt. Doch die klassischen Ölmultis wie Exxon, Shell und BP produzieren zusammen gerade zehn Prozent des Erdöls und Erdgases weltweit. "Big Oil", wie die Multis genannt werden, hat Zugriff auf nur etwa drei Prozent der Reserven. Dagegen wächst der Einfluss von staatlichen Ölkonzernen wie in Venezuela, Russland und Iran. Diese Unternehmen sind jedoch meistens schlecht und ineffizient geführt. Sie haben die Erschließung neuer Ölquellen systematisch vernachlässigt.

Dies alles treibt den Ölpreis noch weiter in die Höhe. Und so halten es Ölhändler in New York und London denn auch für sehr unwahrscheinlich, dass eine Prognose der deutschen Bundesregierung Wirklichkeit wird. In Berlin ging man nämlich noch vor zwei Wochen davon aus, dass im kommenden Jahr der Durchschnittspreis für ein Fass Öl bei 80 Dollar liegen werde.

© SZ vom 8.11.2007/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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