Historische Baustoffe:Alte Unikate sind hip

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Bauherren suchen verstärkt das Individuelle: Bei der exklusiven Gestaltung des Eigenheims spielen oft weder Zeit noch Geld eine Rolle.

Tilman von Rohden

Patinierte Metallbeschläge für Türen und Fenster; markante Ziegel in schillernden Farben für Wände, Böden und Dächer; repräsentative Holzvertäfelungen, Spiegel und Möbel; edles Parkett - viel zu schön, um achtlos drüber hinwegzugehen. Mit historischen Baustoffen lässt sich jede Immobilie in ein Ambiente Aufsehen erregender Exklusivität eintauchen. "Historische Baustoffe sind hip. Ein echter Trend", sagt Christoph Freudenberger vom Verband historischer Baustoffe, in dem sich rund 30 kleine und mittlere Unternehmen zusammengeschlossen haben.

Klassische Materialien sind wieder gefragt: Parkettböden wirken zeitlos edel. (Foto: Foto: Holzverarbeitung König)

Unikate statt Massenfabrikate

"Immer mehr Menschen suchen für ihr Haus das Besondere, um sich über diesen Weg zu individualisieren. Den gesichtslosen Massenfabrikaten wollen sie Unikate entgegen setzen." Dafür sind historische Baustoffe durchaus geeignet, denn "manche Kundenwünsche sind sehr, sehr schwer zu erfüllen. Man muss manchmal viel Ausdauer bei der Suche aufbringen. Manches lässt sich in vorgegebener Zeit gar nicht realisieren", sagt Ulrich Grams, Inhaber der "Werkstätte für Restaurierungen seit 1968" mit Sitz in München.

"Insbesondere alte Parkettböden sowie breite und lange Dielen aus Lärchenholz oder anderen besonderen Hölzern sind nur schwer aufzutreiben." In Österreich sei vieles noch leichter zu besorgen. Grams Kompagnon wohnt dort und liefert, was er dann in München und Umgebung verbaut.

Parkett: aus neu mach alt

Zu alten Parkettböden weiß Freudenberg eine Alternative. Mittlerweile gebe es "unglaublich gute" künstlich gealterte Holzböden. Das "auf alt quälen", so Freudenberg, hält er für ästhetisch legitim, genau so wie Replikate für Tür- und Fensterbeschläge. "Anders kann man oft die gewünschten Mengen gar nicht bereit stellen", so der Verbandsgeschäftsführer. Auch Mila Schrader, die wohl profilierteste Autorin Deutschlands für das Thema historische Baustoffe, glaubt an den Charme des Fakes: "Replikate sind dann erlaubt, wenn sie die Identität eines Hauses unterstreichen. Ohne Nachahmungen müsste man in vielen Fällen auf eine Produkteigenschaft oder ein Design völlig verzichten, weil es als Original nicht mehr zu beschaffen sei. Das wäre schade."

So denkt auch Thorsten Frehe von der gleichnamigen Firma in Bad Reichenhall. Er hat 4000 Artikel von Schildern und Knöpfen über Beschläge für Fenster und Türen bis hin zu Möbeln im Katalog und Internet. Alle seine Angebote müssten in Heimarbeit selbst verbastelt werden oder man beauftrage einen Handwerker, so Frehe.

Makellos wirkt oft langweilig

Replikate zu den historischen Baustoffe zu zählen, ist ein Paradoxon, das von Handwerkern und Händlern ohne Federlesen gleichermaßen gepflegt wird. Im strengen Sinne spricht man von historischen Baustoffen, wenn sie aus vor- oder frühindustrieller Produktion stammen. "Fehlende Unebenheiten und Farbschattierungen machen moderne Produkte oft zu uniformierten Langweilern", sagt Schrader, die einen sehr praktischen Adressleitfaden und Ratgeber rund um historische Baustoffe in der Edition Anderweit verfasst hat. Dabei ist Schrader keine Orthodoxe, ganz im Gegenteil. Sie zählt alles zu den historischen Baustoffen, was schon einmal verwendet wurde.

Ein aktueller Trend ist die Kombination von jung und alt: Bauherren verpflanzen alte Materialien und Gegenstände in Neubauten, meist der gehobenen Klasse. Denn historische Baustoffe sind nicht gerade billig. Eine historische Bücherwand dürfte mindestens genauso teuer kommen wie eine Maßanfertigung. "Historische Baustoffe in Neubauten sind ein Tabu, darüber redet man nicht gern", sagt Buchautorin Schrader. Wohl deshalb, weil es vielen gefällt, aber der ästhetisch zweifelhafte Stilbruch ein Stachel ist und man leicht in den Verdacht gerät, ein stilloser Geldsack zu sein.

© SZ vom 4.11.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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