Großbritannien:Kampf gegen die Millionengehälter

Lesezeit: 2 min

Kampf gegen die Bonus-Kultur: Englische Politiker wollen den Finanzmanagern ihre ausufernden Prämien wegnehmen.

Andreas Oldag

Großbritanniens Premierminister Gordon Brown übt sich neuerdings in klassenkämpferischen Tönen. Auf dem Labour-Parteitag prangerte er die "Bonus-Kultur" im Londoner Finanzviertel an. Die hohen Prämienzahlungen für die Banker hätten die Gier und dadurch die weltweite Finanzkrise angefacht, behauptet Brown.

Großbritanniens Premierminister Gordon Brown übt sich neuerdings in klassenkämpferischen Tönen (Foto: Foto: dpa)

Aber nicht nur das Geburtsland des Kapitalismus hat ein neues Feindbild entdeckt. Auch den Großverdienern in der Hochburg des Finanzkapitals, der New Yorker Wall Street, hängt das schlechte Image als geldgierige Zocker an. Im US-Kongress fordern Politiker eine Deckelung der Vorstandsgehälter von Managern, deren Institute mit öffentlichen Geldern gerettet werden.

Doch längst geht es in der Gehaltsdebatte nicht nur um die millionenschweren Spitzenmanager, sondern auch um Investmentbanker und Wertpapierhändler auf mittlerer Führungsebene, die in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich kassiert haben.

Mehr als 30 Milliarden Dollar, also 20 Milliarden Euro, hat die Finanzindustrie an der Wall Street für das Jahr 2007 an Prämien ausgeschüttet. Londons Finanzhäuser füllten ihren Bonustopf mit 8,5 Milliarden Pfund, etwa 11 Milliarden Euro, auf. Schon fast absurd erscheint es, dass die Prämien auch in diesem Jahr kaum geringer ausfallen werden.

Dies liegt daran, dass die Banken bei der Einstellung garantierte Bonuszahlungen versprochen hatten. Schon jetzt halten sich Porsche-Händler und Luxus-Boutiquen in London bereit, um am Jahresende ihre neuesten Modelle an die vermögende Kundschaft aus dem Bankenviertel zu bringen.

Fahrendes Volk

So heiß umkämpft ist der Arbeitsmarkt bislang gewesen, dass sich die Kredithäuser um junge Talente rissen. Das hat die Prämien nach oben katapultiert. Gewöhnlich beläuft sich das Grundgehalt im mittleren Londoner Bankenmanagement auf etwa 100.000 Pfund pro Jahr. Dies wird aber versüßt durch Bonuszahlungen am Jahresende, die einen sechs- oder sogar siebenstelligen Betrag erreichen können.

Doch geht es tatsächlich um Leistung? Die meisten Prämienzahlungen orientieren sich an kurzfristigen Zielen, beispielsweise Verkaufsabschlüssen und Umsatz im Wertpapierhandel. Verluste werden dagegen kaum geahndet, wenn man mal von der möglichen Entlassung wegen Unfähigkeit absieht. Das wirtschaftliche Risiko trägt die Bank. Dieses asymmetrische System extrem hoher Belohnungen bei gleichzeitig geringem eigenen Einsatz - das Spielgeld gehört ja dem Arbeitgeber - führt zu einer Zockermentalität.

Erst vor kurzem flog bei der US-Bank Morgan Stanley in London ein typischer Fall auf: Per Mausklick verschob der junge Banker Matt Piper in der Kredit- und Währungshandels-Abteilung Millionensummen. Er zählte zu den fixen "Cityboys", auf die das Institut so stolz war.

Die Bank honorierte das mit üppigen Prämien. Per Zufall stießen interne Kontrolleure dann aber darauf, dass Piper seine Handelspositionen stark überbewertet hatte. Die Folge: Das Geldhaus musste durch Fehlleistungen eines einzigen Mitarbeiters eine Wertberichtigung von 120 Millionen Dollar vornehmen.

Die hohen Bonuszahlungen haben zu einer hitzigen Debatte über eine Reform der Vergütungsstrukturen in der Finanzindustrie geführt. Ein gängiger Vorschlag setzt auf stärkere Kontrolle durch die Aufsichtsräte. Diesen Plan verfolgt auch die Bundesregierung.

Demnach soll der gesamte Aufsichtsrat künftig über die Vergütung und ebenso die Vergabe von Aktienoptionen an Firmenvorstände bestimmen. Nur: In angelsächsischen Führungsgremien stellt sich das Problem der Interessenüberschneidung, weil der Chef des Verwaltungsrats häufig zugleich Chief Executive Officer (CEO) ist, also die operative Führung innehat. Die britische Finanzaufsichtsbehörde Financial Services Authority (FSA) hat deshalb ein Modell entwickelt, das stärker auf behördliche Kontrolle aufbaut.

Dabei geht es aber nicht um eine rigide Festlegung von Gehaltsobergrenzen, die ohnehin mit marktwirtschaftlichen Grundsätzen kaum vereinbar wäre. Vielmehr arbeiten die FSA-Experten an Regeln, welche die Auszahlung von Prämien an den längerfristigen Erfolg eines Managers koppeln.

Dabei muss er seine "Performance" nicht nur über ein Jahr, sondern über zwei oder drei Jahre beweisen. Hierfür soll das Kreditinstitut Rücklagen in der Bilanz bilden, die von der FSA überwacht werden.

Ein Problem kann die FSA allerdings nicht lösen: Solange es keine international gültigen Kriterien für Bonuszahlungen gibt, steht eine Reform nur auf dem Papier. Banker sind bekanntlich fahrendes Volk, die ihren Arbeitsplatz auch mal rasch von London nach Hongkong verlegen.

© SZ vom 26.09.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: