Goldman Sachs:Die Kaderschmiede der Wall Street

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Aus den Goldman-Bankern rekrutiert Amerika seine Spitzenkräfte. Prominentes Beispiel: Robert Rubin - einst Finanzminister, jetzt Chef der Citigroup.

Der neue und der alte Chef der New York Stock Exchange könnten unterschiedlicher nicht sein. Duncan Niederauer, der sein Amt zum Dezember übernimmt, ist direkt und zupackend, sein Vorgänger John Thain dagegen eher introvertiert und zurückhaltend. Beide haben allerdings etwas gemeinsam: Ihre Karriere begann bei Goldman Sachs.

Citigroup-Chef Robert Rubin (Foto: Foto: AP)

Die Investmentbank ist schon lange etwas Besonderes an der Wall Street, wegen ihrer Ertragskraft und weil es kaum noch eine größere Firmenfusion in Amerika gibt, bei der Goldman Sachs nicht mitwirkt. Die Kreditkrise dieses Sommers hat die Sonderrolle noch gestärkt.

Goldman überstand deren Folgen unter allen Instituten bei weitem am besten. Finanzanalysten schätzten den Gewinn pro Aktie für dieses Quartal auf 6,60 Dollar; das ist noch ein bisschen mehr als im letzten Jahr, und da stand ein Rekordgewinn von 9,5 Milliarden Dollar.

Vor allem aber zeigt sich der Status der Investmentbank darin, wie viele ehemalige Goldmänner inzwischen Schlüsselstellungen in Finanz und Politik einnehmen. John Thain zum Beispiel, Niederauers Vorgänger bei der New Yorker Börse, wird Chef von Merrill Lynch. Sein Vorgänger Stanley O'Neal musste gehen, weil er riesige Milliardenabschreibungen zu verantworten hatte.

Thain war vor seiner Zeit als Börsenboss bei Goldman Sachs für das operative Geschäft zuständig. Ein Chefwechsel steht auch bei Citigroup an, der größten Bank der Vereinigten Staaten. Nachdem der bisherige erste Mann, Charles Prince, seinen Rücktritt angeboten hat, wird das Institut von einem Interimsvorstand geleitet.

Spezifische Führungskultur

Die entscheidende Figur ist Chairman Robert Rubin, einst Finanzminister unter Bill Clinton. Rubin war 1966 bei Goldman Sachs eingetreten und hatte es dort bis zum Vorstand für das operative Geschäft und Co-Chairman gebracht.

Robert Rubin ist nicht der einzige Politiker mit engen Beziehung zu Goldman Sachs. Der jetzige Finanzminister Henry Paulson war Chef von Goldman Sachs. Auch der Stabschef des Weißen Hauses, Joshua Bolten, hat mehrere Jahre für Goldman Sachs gearbeitet, ebenso wie der neue Präsident der Weltbank, Robert Zoellick.

Eine interessante, wenn auch außerhalb Amerikas wenig bekannte Figur ist Jon Corzine, der Gouverneur des Staates New Jersey. Corzine war Ende der neunziger Jahre Chef von Goldman Sachs und bereitete den Börsengang der Investmentbank vor.

Die Rolle Goldmans als Kaderschmiede ist nicht auf die Vereinigten Staaten beschränkt. So kommt Mario Draghi, der Präsident der Bank von Italien, von Goldman. In Deutschland sind es die Finanzvorstände von Allianz und Eon, Paul Achleitner und Marcus Schenck, und Stefan Jentzsch, der das Investmentbanking bei der Dresdner Bank verantwortet.

Den Erfolg so vieler Goldmänner führen die meisten Managementexperten auf die spezifische Führungskultur der Investmentbank zurück: fördernd, fordernd und sehr elitär. Wer versagt, wird rücksichtslos ausgesondert, die anderen bekommen großzügige Unterstützung, um ihren Erfolg zu sichern.

Bemerkenswerter Umgang mit Problemen

"Goldman Sachs hat es geschafft, auch nach dem Börsengang seine besondere Partnerschaftskultur zu erhalten, das hat sich als Erfolgsrezept erwiesen," sagt einer bei Goldman in New York. Partner können in einem börsennotierten Unternehmen zwar keine herausgehobene Eigentümerrechte mehr haben, aber deren ideelle Funktion ist entscheidend.

Sie sind so etwas wie eine Adelsschicht, die das Unternehmen zusammenhält und dessen Kultur sichert. "Alle streben danach, Partner zu werden," sagt der Insider, der auf Anonymität bestand, weil Goldmänner Außenstehenden gegenüber nicht über die eigene Kultur plaudern soll.

Nicht dass bei Goldman keine Fehler passieren. Im August zum Beispiel geriet ein Hedgefonds der Bank in Not, der sich massiv verspekuliert hatte. Bemerkenswert aber war, wie Goldman mit dem Problem umging: Die Bank investierte über eine Milliarde Dollar und überzeugte andere, mitzumachen. An den Märkten blieb der Eindruck: Bei Goldman funktioniert das Risikomanagement, und wenn nicht, wird schnell reagiert.

Ein paar wichtige Leute in New York gibt es allerdings immer noch, die nicht bei Goldman Sachs waren. Michael Bloomberg, der Bürgermeister der Stadt, hatte nach dem Studium 1966 zwei Jobangebote, eines von Goldman, das andere von Salomon Brothers. Er entschied sich für Salomon, weil er den Eigentümer, William Salomon, sofort als "Bill" ansprechen durfte. Gus Levy, der Mann von Goldman, bestand auf dem förmlichen "Mr. Levy".

© SZ vom 17.11.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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