Gleichbehandlungsgesetz:Flaute nach der Sturmwarnung

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Zwei Jahre nach seiner Einführung zeigt das Antidiskrimierungsgesetz nur wenig Wirkung.

Andrea Nasemann

Am 18. August 2006 trat das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft: Zwei Jahre sind vergangen, in denen Vermieter und Mieter mit den neuen Vorgaben leben mussten. Die Zwischenbilanz zeigt: Die damals befürchtete Prozessflut ist ausgeblieben.

Keine Diskriminierung in keiner Behausung! (Foto: Foto: AP)

Beatrix Zurek, Vorsitzende des Mietervereins München, glaubt zwar schon, dass mancher Vermieter bei der Auswahl eines neuen Mieters nicht immer diskriminierungsfrei vorgehe. "Es gibt aber für den Mieter kaum Möglichkeiten, nachzuhaken, weil es oft an konkreten Indizien fehlt", sagt Zurek.

Die wenigsten Mieter kämen auf die Idee, den Vermieter zu verklagen, weil sie die Wohnung nicht bekommen hätten. Was in der Regel auch sinnvoll sei. "Ein Mietverhältnis, in das man sich einklagt, ist von vorneherein vergiftet", sagt Zurek. Eine offensichtliche Diskriminierung solle man sich aber nicht gefallen lassen.

Geplante Verschärfung

Die meisten privaten Vermieter wissen inzwischen, dass sie bei der Auswahl eines neuen Mieters vorsichtig sein müssen. Bei der Vergabe der Wohnung dürfen sie den Bewerber laut Gesetz weder wegen seiner Rasse noch ethnischen Herkunft ablehnen.

Ausgenommen sind solche Mietverhältnisse, bei denen ein besonderes Nähe- oder Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien oder ihren Angehörigen begründet wird.

Handelt es sich dagegen um ein sogenanntes Massengeschäft, vermietet der Eigentümer also mehr als 50 Wohnungen, gelten zusätzliche Diskriminierungsmerkmale wie Geschlecht, Religion, Behinderung, Alter oder sexuelle Identität.

Wohnungsunternehmen haben ebenfalls eine Sonderstellung "im Hinblick auf die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen und ausgewogener Siedlungsstrukturen sowie ausgeglichener, wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Verhältnisse". Damit können sie die Zusammensetzung bestimmter Stadtviertel steuern und eine Ghettoisierung verhindern - ohne in Konflikt mit den gesetzlichen Regelungen zu geraten.

Doch genau dies soll nun geändert werden. Der Grund: Die EU plant eine Verschärfung des Antidiskriminierungsgesetzes, nach der die Ausnahmeregelung für Wohnungsunternehmen wegfallen soll.

Dabei habe der bisherige Diskriminierungsschutz vollkommen ausgereicht, sagt Xaver Kroner, Direktor des Verbandes bayerischer Wohnungsunternehmen. Ihm sei kein einziger Fall bekannt, in dem sich ein Mieter diskriminiert gefühlt habe. "Wenn ein Mietinteressent nicht in die Struktur passte, haben sich die Unternehmen bemüht, ihm in einer anderen Anlage Wohnraum anzubieten", betont Kroner.

"Kontraproduktiv auswirken"

Die nun von der EU-Kommission geplante Verschärfung sei für ihn völlig unverständlich. Könnten die Wohnungsunternehmen ihre Mieter nicht mehr frei auswählen, sieht Kroner die Gefahr, dass sich benachteiligte Quartiere herausbilden, die zur Stigmatisierung der Bewohner führten. "Neue Regelungen würden sich kontraproduktiv auswirken", fürchtet Kroner und hofft, dass die Bundesregierung den Vorschlag der EU-Kommission ablehnen wird.

Ebenso kritisch sieht Kroner die von der EU erwogene Abtretbarkeit von behaupteten Ansprüchen an sogenannte Antidiskriminierungsvereine. Dies böte eine Plattform für möglichen Missbrauch.

Schließlich soll auch der Schutz für Behinderte durch einen barrierefreien Zugang zu allen öffentlichen Gebäuden ausgebaut werden. "Sollten diese Regelungen in deutsches Recht umgesetzt werden, wäre dies für gewerbliche Vermieter fatal", sagt Kroner. Viele alte Gebäude könne man baulich gar nicht entsprechend nachrüsten.

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