Gigantische Gewerbeparks:Flächenfraß auf Bayerisch

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Täglich werden 152.000 Quadratmeter freie Landschaft zugebaut - vor allem Möbelmärkte und Einkaufszentren expandieren auf der grünen Wiese.

Manfred Hummel

Obwohl in Bayern lauthals über den wachsenden Flächenverbrauch und leer stehende Läden geklagt wird, geht der Bau neuer Möbelmärkte und Einkaufszentren vor den Toren der Städte ungebremst weiter. Ein geplantes Einrichtungshaus im Ingolstädter Gewerbegebiet Weiherfeld nahmen Bund Naturschutz (BN) und Einzelhandelsverband jetzt zum Anlass für eine massive Kritik am bayernweiten Verdrängungswettbewerb der Möbelhäuser. "Dieser Verdrängungswettbewerb ist nicht nur städtebaulich und ökonomisch katastrophal, sondern er geht immer mehr auf Kosten der Natur und der freien Landschaft", klagt der BN-Landesvorsitzende Hubert Weiger.

Käufer gesucht: Bayerische Gemeinden verkaufen Grünflächen, damit sich Gewerbe ansiedeln kann. (Foto: Foto: ddp)

Mit 17,8 Millionen Quadratmeter Verkaufsfläche sei Bayern gemessen an der Einwohnerzahl führend in Europa, betont Bernd Ohlmann, Sprecher des Landesverbandes des bayerischen Einzelhandels. Das seien 1,4 Quadratmeter pro Kopf, in Ingolstadt bereits fast das Doppelte. Täglich würden im Freistaat 152.000 Quadratmeter freie Landschaft verbraucht, so Weiger. Und das trotz vorhandener und voll erschlossener Gewerbeflächen in einer Größenordnung von etwa 13.000 Hektar.

Besonders in den großen Städten Ingolstadt, München, Rosenheim und Fürth würden derzeit die Zielvorgaben der staatlichen Landesplanung völlig ausgehebelt, stellt der BN-Vorsitzende fest. Er fordert deshalb eine strikte Beachtung der Richtlinien des Landesentwicklungsprogramms Bayern (LEP).

Weiger hält aber auch eine Rückkehr zu Grundsätzen für nötig, die früher im Landesentwicklungsprogramm enthalten waren. So sei die "Lex Ingolstadt", die den Bau eines Fabrikverkaufszentrums (FOC) nahe der Autobahn ermöglicht habe, ein "Sündenfall, der dringend wieder rückgängig gemacht werden muss". Die Befürchtungen, dass diese Ausnahme zu einem Dammbruch führen werde, hätten sich voll bestätigt.

Speziell für Ingolstadt war eine Ausnahmeregelung in das LEP aufgenommen worden. Danach darf ein Einzelhandelsgroßprojekt in Stadtrandlage mit einem erhöhten Anteil an Waren, die sonst Geschäften in den Innenstädten vorbehalten sind, "ausnahmsweise" dann gebaut werden, wenn die Gemeinde nachweist, dass ein geeigneter, "städtebaulich integrierter Standort" dafür fehlt. Dieser "Extrawurst" müssen dann lediglich der Umwelt- und der Innenminister noch zustimmen.

Ingolstadt sei eine Einzelfallgenehmigung gewesen, argumentiert das mittlerweile für die Landesplanung zuständige Wirtschaftsministerium. Hausherr Erwin Huber findet es "abwegig, zu behaupten, in Bayern könnten Einzelhandelsgroßprojekte nach Belieben errichtet werden". Das LEP gebe klare Rahmenbedingungen vor. "Damit ist ein beliebiges Bauen auf der grünen Wiese nicht möglich", so Minister Huber.

Gleichwohl wurden in die vor wenigen Wochen vom Landtag verabschiedete Neufassung des LEP weitere Ausnahmen aufgenommen. So dürfen "überwiegend dem Verkauf von Lebensmitteln dienende" Großmärkte auch in "Kleinzentren" und auf dem Land errichtet werden, wenn dort kein Lebensmittelladen mehr vorhanden ist. Das gelte aber nicht für "Möbelriesen", heißt es dazu ausdrücklich im Ministerium.

Würden wie in Salzburg und in Tschechien Großvorhaben an der Grenze zu Bayern gebaut mit dem Ziel, ganz bewusst Kaufkraft aus dem Freistaat abzuziehen, dürften die bayerischen Grenzgemeinden ihrerseits dagegen halten. Allerdings sei das kein Freibrief für jedwedes Großvorhaben, hebt Huber den Finger. Es sei in jedem Einzelfall zu prüfen, so das Ministerium, ob und inwieweit eine Abweichung von den Vorgaben des LEP sinnvoll ist.

Einzelhandels-Sprecher Ohlmann appelliert an die Verantwortung der Kommunen. Um Überkapazitäten zu vermeiden, schlägt er ein regionales und dann auch verbindliches Einzelhandelskonzept vor. Alle Beteiligten sollten sich an einen Tisch setzen, den Bestand ermitteln, Verkaufszahlen einholen und prüfen, wo es noch Defizite gibt.

© SZ vom 16.8.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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