Gewerbesteuer:Alternative gesucht

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Bund, Länder und Gemeinden stellen die lange verteidigte Einnahmequelle der Gewerbesteuer erstmals in Frage. Nun soll ein neues Konzept her - doch das ist nicht so leicht.

Claus Hulverscheidt

Bund, Länder und Gemeinden diskutieren erstmals ernsthaft über eine Abschaffung der Gewerbesteuer. Ziel der Gespräche ist es, den Kommunen eine verlässlichere und aufkommensstärkere Einnahmequelle zu erschließen. Eine eigens eingesetzte Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen soll dazu bis zum Herbst ein Konzept erarbeiten.

Die Gewerbesteuer ist mit einem jährlichen Aufkommen von zuletzt knapp 34 Milliarden Euro die wichtigste Einnahmequelle der Kommunen und zudem die einzige, deren Höhe jede Gemeinde selbst festlegen kann. Sie wird allein von den Unternehmen vor Ort gezahlt, was sie allerdings extrem konjunkturabhängig macht. So fielen die Gesamteinnahmen 2009 aufgrund der Wirtschaftskrise 18 Prozent geringer aus als noch ein Jahr zuvor.

Manche Kommunen hängen überdies von der Wirtschaftskraft einiger weniger Firmen ab: So brach etwa das Gewerbesteueraufkommen der VW-Heimatstadt Wolfsburg im vergangenen Jahr um 43 Prozent ein. Die Wirtschaftsverbände fordern bereits seit langem die Abschaffung der Steuer, da sie sie für "systemfremd" halten und weil - anders als üblich - bei der Berechnung der Steuerlast auch ertragsunabhängige Komponenten berücksichtigt werden. Im Extremfall muss ein Betrieb damit auch zahlen, wenn er Verluste schreibt.

Nachdenkliche Bürgermeister

Vor allem die großen Kommunen hatten sich jedoch stets gegen eine Abschaffung der Gewerbesteuer gewehrt, weil es aus ihrer Sicht keine adäquate Alternative gab. Die starken Schwankungen der jüngsten Zeit haben jedoch offensichtlich viele Bürgermeister nachdenklich werden lassen. So bekräftigte der Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Christian Schramm, am Donnerstag zwar, dass es vorerst bei der bekannten Haltung bleibe. Er zeigte sich jedoch erstmals offen für Veränderungen: "Wir müssen sehen, ob andere Modelle als die Gewerbesteuer möglich sind", sagte er im Anschluss an die konstituierende Sitzung der Reformkommission.

Jenseits dieser strukturellen Fragen will das Gremium auch darüber beraten, wie den Gemeinden sofort geholfen werden kann. Nach Angaben von Sitzungsteilnehmern zeigte sich Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) bereit, über eine zeitlich befristete höhere Beteiligung der Kommunen an den Einnahmen aus der Mehrwertsteuer zu sprechen. Es blieb allerdings unklar, ob dieses Angebot mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) abgesprochen ist. Schäuble liegt nach einer Operation noch im Krankenhaus und konnte deshalb nicht an dem Treffen teilnehmen.

Der bayerische Finanzminister Georg Fahrenschon (CSU) sagte der Süddeutschen Zeitung, die Städte und Gemeinden müssten "rasch finanziell entlastet werden, da es vielen von ihnen schlecht geht". Wichtig sei dabei, dass nicht nur die Einnahmebasis verstetigt, sondern auch die Ausgabenstruktur verbessert werde. Das bedeute auch, "dass alle Standards, auch im Sozialbereich, auf den Prüfstand müssen". Die Sozialkosten machen nach Angaben von Gemeindebundpräsident Schramm bis zu 50 Prozent der Gesamtausgaben einer Kommune aus. Schramm verwies zudem darauf, dass der Bund den Gemeinden immer wieder kostspielige Aufgaben übertragen habe, ohne dafür eine ausreichende Finanzierung zur Verfügung zu stellen. Das müsse sich ändern. Als Beispiel nannte er den Ausbau von Kindertagesstätten.

Als Ersatz für die Gewerbesteuer wird darüber diskutiert, dass die Kommunen einen Zuschlag auf die Einkommen- und die Körperschaftsteuerzahlungen ihrer Bürger und Unternehmen erheben dürfen. Das Aufkommen dieser beiden Steuerarten schwankt bei weitem nicht so kräftig wie das der Gewerbesteuer. Allerdings besteht dabei die Gefahr, dass ein Teil des Steueraufkommens, den bisher allein die Betriebe zahlen müssen, auf die Bürger abgewälzt wird. Zudem könnten Städte in Schwierigkeiten geraten, die zwar Betriebsort einer Firma sind, nicht aber Wohnort der Eigentümer und Arbeitnehmer. Berlins Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) warnte zudem, dass sich das schon heute bestehende Einnahmegefälle zwischen den Kommunen nicht noch weiter vergrößern dürfe.

Von wegen einfach verzichten

Das Bundesverfassungsgericht verbot es den Gemeinden unterdessen, freiwillig auf ihr Recht der Gewerbesteuererhebung zu verzichten. Die Richter wiesen in einem am Donnerstag veröffentlichten Urteil die entsprechenden Beschwerden zweier Gemeinden in Brandenburg ab. Die beiden Kommunen hatten dagegen geklagt, dass sie der Bund gesetzlich dazu verpflichtet, einen Gewerbesteuerhebesatz von mindestens 200 Prozent zu verlangen. Das entspricht einem Steuersatz von sieben Prozent. In anderen Gegenden Deutschlands liegen die Hebesätze bei bis zu 490 Prozent. Daraus ergibt sich eine Steuerbelastung für die Betriebe von 17,15 Prozent.

Die beiden strukturschwachen brandenburgischen Gemeinden hatten auf die Gewerbesteuer verzichtet und damit viele Unternehmen angelockt. Über Nutzungsentgelte, Sonderumlagen und neu geschaffene Arbeitsplätze profitierten sie dennoch von den Ansiedlungen. Das Verfassungsgericht urteilte jedoch, der Gesetzgeber habe ein Recht, zu verhindern, dass sich einzelne Gemeinden durch den Verzicht auf die Steuern "übermäßige Standortvorteile" verschaffen. Auch der Städte- und Gemeindebund erklärte, Steuerwettbewerb sei zwar legitim, dürfe aber nicht zerstörerisch sein.

© SZ vom 05.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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