Geschütztes Arbeiten:Auf Nummer sicher

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Mögliche Katastrophen spielen bei Bürobauten eine große Rolle. Know-how aus dem Kernkraftwerksbau gelangt zum Einsatz.

Roswitha Loibl

Alle wollen sie, aber keiner möchte darüber reden. Sicherheit ist ein wichtiges Thema, um Bürogebäude gegen Industriespionage ebenso wie gegen Terrorangriffe zu schützen, doch bei näherem Nachfragen bleiben die Unternehmen einsilbig. Immerhin spricht auch die Europäische Zentralbank darüber, dass sie für ihren Neubau in Frankfurt ,,natürliche Barrieren'' wie Gräben, Hügel oder Poller plant, um sich vor Attentaten abzuschirmen. Mauern und Zäune sind unerwünscht, damit der gläserne Turm nicht wie eine Festung wirkt.

Ingenieure und Architekten haben ein Hochhaus konzipiert, das selbst Flugzeugabstürzen widerstehen soll. (Foto: Foto: Hochtief Construction)

Wie maximale Gebäudesicherheit aussehen kann, führt der Baukonzern Hochtief vor. Seine Ingenieure konzipierten zusammen mit dem Architekturbüro KSP Engel und Zimmermann den Prototypen ,,Secuplex'', ein 400-Meter-Hochhaus, das sogar einen Flugzeugcrash wie beim World Trade Center überstehen soll. Weil sich ein solcher Angriff kaum wiederholen wird, rüsteten die Ingenieure den Turm auch gegen alle anderen denkbaren Varianten eines Terrorangriffs aus. Das Know-how stammt zum Teil aus dem Bau von Atomkraftwerken.

"Kein Domino-Effekt"

Standfest ist er durch einen besonders belastbaren Gebäudekern und eine Fachwerkstruktur in Tetraeder-Form als Verstärkung der Gebäudehülle. Wenn hier ein Stützpfeiler einknickt, schultern die umgebenden Streben seine Last. Nach jeweils fünf Etagen wird eine stabile Trümmerdecke eingezogen, so dass bei einem Aufprall oder einer Detonation höchstens diese Stockwerke einstürzen.

Die Fassade kann Explosionswellen abfedern und besteht aus einzeln aufgehängten Elementen, sodass Bruchstücke keinen Domino-Effekt auslösen. ,,Schlägt ein Flugzeug ein, dann sind die Menschen in diesem einen Gebäudeabschnitt wohl nicht mehr zu retten,'' sagt der Essener Sicherheitsberater Ulrich A. Greiwe. ,,Aber uns geht es darum, nicht alle Menschen und das komplette Gebäude zu verlieren.''

Wenn schon etwas passiert, dann mit möglichst geringen Folgen: Nach dieser Devise ist das gesamte Gebäude durchgeplant. Wie ein Schutzring legt sich ein Flachbau um das Hochhaus. Dort sind die Zugangskontrollen oder die Warenanlieferung untergebracht, um Attentäter oder gefährliche Post abzufangen, bevor sie überhaupt in das Herz des Gebäudes vordringen können.

Die Klimaanlage saugt die Luft von oben an, was das Einleiten von Giftgas erschwert. Von einander unabhängige Systeme für Strom, Klima und Brandschutz können Ausfälle verkraften. Gegen Industriespionage schützen abhörsichere Wände und spezielle Computerräume. Die Fluchtwege sind so angelegt, dass sich Betroffene und Rettungskräfte nicht gegenseitig behindern. Sie verlassen und betreten das Gebäude auf unterschiedlichen Pfaden.

Weltweit wachsendes Sicherheitsbedürfnis

,,Wir haben bei Secuplex alle Möglichkeiten durchgespielt'', sagt Architekt Michael Zimmermann. Um nahe an der Realität zu bleiben, wählte das Team ein konkretes Hochhausprojekt in China, für das es eine Musterlösung erarbeitete. Es errechnete sogar, wie lange die Evakuierungszeit wäre: 47 Minuten für 16.000 Menschen. ,,Es ging nicht darum, dieses Produkt komplett zu bauen'', schränkt Zimmermann ein. Das Team wies nach, was praktisch machbar ist und welche Chancen das Zusammenspiel der Komponenten eröffnet. Seine Module erlauben individuelle Sicherheitsniveaus auf einzelnen Etagen.

Weltweit wächst das Bedürfnis nach Sicherheit, vor allem im arabischen Raum, in Russland, Asien, Großbritannien und in den USA. Beim Export deutscher Architektur hilft die Expertise auf einem so diffizilen Feld. Michael Zimmermann hat besonders in den arabischen Ländern ein Umdenken festgestellt: ,,Vor zehn Jahren hätte jeder das Design in den Vordergrund gestellt. Heute spielt die Sicherheit eine große Rolle.''

Damit konnte er in Dubai bereits punkten. Sein Büro entwarf ein 35 Stockwerke hohes Gebäude, das aus fünf übereinander liegenden Würfeln mit jeweils sieben Etagen besteht. Jeder dieser Würfel hat beispielsweise seine eigene Klimaanlage, die im Notfall auch den Rest des Gebäudes mit kühler Luft versorgen könnte. Wegen dieser klaren Trennung lassen sich unterschiedliche Nutzungen darin unterbringen: Büros oder ein Hotel ebenso wie die hochgradig gesicherte Wohnung eines Herrscherclans.

Teurer, aber nicht unendlich teurer

Die Resistenz gegen Terror hat ihren Preis. Die Baukosten liegen 20 bis 30 Prozent höher als bei einem normalen Objekt, doch diese Steigerung lässt sich zum Teil wieder hereinholen, weil Nachträge ausbleiben und die Versicherungsbeiträge günstiger werden. ,,Früher ging man davon aus, dass es bei einem Gebäude keinen Totalschaden gibt'', sagt Sicherheitsberater Ulrich A. Greiwe. Seit dem 11. September 2001 weiß man, dass die Schadenshöhe den Gebäudewert um ein Vielfaches übersteigen kann - mit entsprechenden Folgen für die Versicherungsprämie.

Eine Nachrüstung kann schwierig, sogar unmöglich werden. Das musste ein westdeutsches Industrieunternehmen feststellen, dessen Firmenzentrale kurz vor dem ersten Attentat auf das New Yorker World Trade Center (WTC) 1993 fertiggestellt worden war. Damals waren Bomben in der Tiefgarage unter dem WTC explodiert. Seither plant man Tiefgaragen in potentiell bedrohten Gebäuden nicht mehr direkt unter dem Gebäudekern. Für das Industrieunternehmen kam diese Einsicht zu spät, denn die gesamte Zentrale war längst mit einer Garage unterkellert.

© SZ vom 25. 5. 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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