Geschäfte im Internet:Gewaltige Abmahn-Welle verunsichert Ebay-Händler

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Zu Tausenden werden Anbieter drangsaliert, weil sie angeblich falsche Formulierungen verwenden. Dabei entsprechen sie den Richtlinien des Justizministeriums.

Eine Serie von Abmahnungen verunsichert nach einem Bericht des Handelsblatts derzeit hunderttausende von Unternehmen, die ihre Waren über Ebay verkaufen.

Tausende seien schon abgemahnt worden, obwohl sie sich Wort für Wort an die Richtlinien des Bundesjustizministeriums hielten.

Widersprüchliche Gerichtsentscheide zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) für den Online-Handel hätten dafür gesorgt, dass zahlreiche deutsche Anwälte die Rechtsberatung ablehnten, weil ihnen das Haftungsrisiko zu groß sei.

"Versagen des Gesetzgebers"

Betroffen seien vor allem mehrere hunderttausend Unternehmen, die ihre Waren beim Internet-Auktionshaus Ebay verkauften. Pro Abmahnung werden 1200 Euro und mehr verlangt. "Sie können kaum etwas gegen diese Abmahnungen machen", wird Rechtsanwalt Johannes Richard zitiert.

Er habe sich auf das Onlinerecht spezialisiert und betreue Dutzende ähnlicher Fälle. "Für Anwälte sind diese Abmahnungen ein ganz leichtes Geschäft", sagte demnach Richard. "Das liegt vor allem am Versagen des Gesetzgebers."

Tatsächlich tobe zwischen Wirtschaft, Justiz und Regierung derzeit ein Streit um eine offizielle Mustervorlage des Gesetzgebers. Die so genannte Musterwiderrufsbelehrung im Anhang der Verordnung über Informations- und Nachweispflichten nach bürgerlichem Recht (BGB-InfoV) solle Unternehmen als Leitfaden für Geschäfte im Internet dienen.

Diese Vorlage wurde von der Bundesregierung erstellt und in der Vergangenheit auch von der Wettbewerbszentrale empfohlen. Inzwischen aber gibt es mehrere Gerichtsurteile, die diese Mustervorlage für unzureichend halten. Die Urteile wurden vom Kammergericht Berlin (AZ 5W 156/06) und Oberlandesgericht Hamburg (AZ 3U 103/06) bestätigt.

Die Bundesregierung dagegen sehe keinen Handlungsbedarf. "Wir halten die Widerrufsbelehrung für zutreffend", sagte ein Sprecher des Justizministeriums. "Aus diesem Grund kann eine Abmahnung nicht erfolgreich sein."

Ein besonders dreister Fall beschäftige bereits die Staatsanwaltschaft. Der Verein "Ehrlich währt am längsten", der in Oldenburg gegründet wurde und inzwischen in der Schweiz sitzt, habe nach Schätzung der Behörden 5000 Abmahnungen verschickt. Die meisten bezögen sich auf die Mustervorlage der Bundesregierung. 300 Unternehmer hätten schon gezahlt. Dem Verein wurde inzwischen das Abmahnen verboten, weil offensichtlich gewesen sei, dass es nicht um einen Wettbewerbsnachteil ging, sondern um das Eintreiben von Gebühren.

Peter Wagner, der Vorsitzende des Vereins sitze in Untersuchungshaft. Die Begründung der Staatsanwaltschaft Oldenburg: "Bei dem Angeklagten besteht Wiederholungsgefahr."

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