Geothermie:Ozapft is!

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Die Wohnungsbaubranche macht sich zunehmend Energie aus dem Boden zunutze.

Von Roswitha Loibl

Die Wärme der Erde macht es möglich, ganz ohne Brennstoff zu heizen. Bisher hatte die Geothermie noch einen sehr geringen Anteil an der Wärmebereitstellung in Deutschland. Im Jahr 2006 wies ihre Wachstumskurve jedoch steil nach oben, ebenso wie bei allen regenerativen Energien. Dazu trugen nicht nur Besitzer von Einfamilienhäusern bei, sondern auch die Wohnungswirtschaft.

Das Prinzip der Geothermie zeigt die Fotomontage: Die Wärmepumpe entzieht dem Wasser Energie, das heißt, das Wasser wird abgekühlt und dann über einen zweiten Brunnen (Schluckbrunnen) dem Erdreich erneut zugeführt. Die Energiemenge, die dem Grundwasser entzogen wird, "pumpt" die Wärmepumpe auf das benötigte Temperaturniveau Hausbeheizung. (Foto: Bild: GAG-Immobilien)

Diese Tendenz zeigt sich beispielsweise in Köln. Dort sind zwei Wohnquartiere in Bau, die ihre Wärmeenergie aus der Erde beziehen. 383 Wohneinheiten, darunter 50 Eigenheime, entstehen bis Ende 2009 im Stadtteil Niehl, nach Angaben des Bauherrn ,,Deutschlands größte Wärmepumpen-Siedlung''.

Kleiner ist ein Projekt im gediegenen Stadtviertel Lindenthal, dessen 107 Eigentumswohnungen Ende 2007 bezugsfertig sind. Beide schöpfen ihre Wärme aus dem Grundwasser.

Für Wohnanlagen im Kommen

Den Überblick über die Kölner Projekte hat Rüdiger Schulz von der Unteren Wasserbehörde. Er bekommt alle Anträge auf Genehmigung von Wärmepumpenanlagen auf den Tisch. 16 Stück waren es im Jahr 2004, doch seither wächst das Volumen: ,,Wir verzeichnen eine Verdoppelung von Jahr zu Jahr'', stellt er fest. Die Zahlen für das erste Halbjahr 2007 zeigen, dass der Boom andauert. Bisher lag der Schwerpunkt eher auf Einfamilienhäusern und Bürogebäuden, doch seit 2006 seien schon Wohnanlagen dabei, sagt Schulz.

Eine Parallele zur Solarenergie sieht Ingrid Vogler vom GdW Bundesverband Deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen: ,,Die Technologie wurde zunächst für Einfamilienhäuser entwickelt. Große Gebäude folgten erst später.'' Der Verband befragte seine Mitgliedsunternehmen zuletzt 2002 nach ihren Heizsystemen. Damals erhielten nur 0,7 Prozent der Wohneinheiten ihre Wärmeenergie aus der Erde. Wenn 2008 zum nächsten Mal gefragt wird, geht der GdW von einem wesentlich höheren Anteil aus.

Die Statistik stützt diese Annahme: Die Mitgliedsunternehmen des Bundesverbands Haus-, Energie- und Umwelttechnik (BDH) verkauften im vergangenen Jahr 200 Prozent mehr Wärmepumpen als 2005. Im Jahr 2006 wurden 24000 neue geothermische Anlagen in Privathäusern, Gewerbebauten und öffentlichen Einrichtungen installiert und damit doppelt so viele wie im Jahr zuvor, meldet der Bundesverband Geothermie.

Die Umweltbilanz der Pumpen trübt zwar der Strombedarf für ihren Betrieb. Doch moderne Pumpen erzeugen immerhin drei bis vier Mal so viel Energie wie sie verbrauchen. Die Stromerzeuger wollen ihre Kunden bei der Stange halten und locken mit günstigen Wärmepumpen-Tarifen.

Wichtiges Marketing-Argument

Die große Erdwärme-Siedlung in Köln-Niehl zapft das Grundwasser in etwa 20 Metern Tiefe an. Diese günstigen örtlichen Gegebenheiten spielten eine Rolle bei der Entscheidung der Bauherrin, der Wohnungsbaugesellschaft GAG Immobilien AG, für den Energieträger Erdwärme. Nun lässt die GAG sieben Brunnen zum Fördern und 20 zum Zurückpumpen bohren.

,,Die kostenlose Umweltwärme bringt den Eigentümern und Mietern Energiekosteneinsparungen von bis zu 50 Prozent,'' versprach GAG-Vorstand Günter Ott beim Start der Bohrungen im Frühjahr. Die Mehrkosten liegen bei voraussichtlich 17 Prozent gegenüber herkömmlichen Wohnungsbauprojekten, sagte Ott. Dennoch werde sich die Investition in sieben bis zehn Jahren amortisieren. Von dieser Amortisation profitiert ein Investor nicht unmittelbar - im Gegensatz zum Häuslebauer. Doch hier zeigt sich die Macht des Verbrauchers: Inzwischen ist die Energieeinsparung ein wichtiges Marketing-Argument im Wettbewerb um Käufer und Mieter geworden.

Die Kölner Gebäude werden nach dem Standard ,,KfW-Energiesparhäuser 60'' errichtet; das heißt, dass ihr jährlicher Energiebedarf bei 60 Kilowattstunden pro Quadratmeter Wohnfläche liegt. Die Erdwärme verschafft dem Projekt ein Alleinstellungsmerkmal. Die GAG wirbt mit Heizkosten von 22 bis 25 Cent pro Quadratmeter. ,,Überall da, wo es sich wirtschaftlich rechnet, werden wir diese regenerativen Energien einsetzen'', sagt Ott.

Wissenschaftliche Begleitung

Weil das Unternehmen jedoch genau wissen möchte, ob diese Technik ihre Versprechen einhält, wird das Projekt wissenschaftlich begleitet. Nicht nur Energiesparen, sondern auch besonderen Komfort verspricht der Mannheimer Projektentwickler Fay den Käufern seiner 107 Eigentumswohnungen in Köln-Lindenthal. Die ,,Clarenbach-Gärten'' nutzen das Grundwasser mit seiner Temperatur von 14 Grad nicht nur im Winter zur Wärmegewinnung, sondern auch im Sommer zur Kühlung. Durch die Fußbodenheizung fließt dann das kalte Wasser, um die Raumtemperatur zu senken.

Geothermische Energie kann direkt aus dem Grundwasser gewonnen werden, wie bei den beiden Kölner Projekten, oder mit Hilfe von Sonden aus dem Erdreich. Grundwasser-Pumpen arbeiten effizienter als Erdsonden, die ein Trägermedium benötigen. In den Sonden zirkuliert Sole, die Erdwärme aufnimmt und nach oben befördert.

Dennoch bevorzugen die Besitzer von Einfamilienhäusern die Sonden, weil sie kaum Wartung brauchen. Ob die Erde unter ihrem Grundstück warm genug ist, erfahren die Bürger Nordrhein-Westfalens vom Geologischen Dienst des Landes, der eine Potentialstudie erarbeitet hat. Ähnliche Informationen gibt es in auch anderen Bundesländern wie Bayern und Bremen.

© SZ vom 3. 8. 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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