Gemeinsame Reaktion auf die Krise:Europäer retten ihre Großbanken

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Mit Sofortmaßnahmen will die EU den Finanzmarkt stabilisieren und die Spareinlagen der Europäer sichern. Die Regierungen sollen außerdem bei Personalfragen und den Gehältern der Banker mitreden.

Cerstin Gammelin

Die Europäische Union stellt Großbanken unter ihren Schutz und will die Krise mit sofortigen Maßnahmen mildern. "Wir stimmen darin überein, dass wir Institute unterstützen, die für das ganze System wichtig sind", sagte die französische Finanzministerin Christine Lagarde nach den Beratungen der EU-Finanzminister.

Christine Lagarde, Frankreichs Finanzministerin und Vorsitzende der EU-Finanzministerrunde, scheint zuversichtlich zu sein. (Foto: Foto:)

Entscheidung "von Fall zu Fall"

Mit der umfassenden Schutzzusage wolle die EU den europäischen Finanzmarkt stabilisieren und die Spareinlagen der Europäer sichern, sagte Lagarde, amtierende EU-Ratspräsidentin. Welche Finanzhäuser zu den unter Schutz gestellten Banken gehören, blieb zunächst offen.

Es werde "von Fall zu Fall" entschieden, welche Bank systemrelevant sei und welche nicht, sagte Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen, der nach der Absage von Minister Peer Steinbrück an den Beratungen in Luxemburg teilnahm. Die EU-Staaten können unterschiedliche Maßnahmen ergreifen, um bedrohte Finanzinstitute zu retten. Möglich seien etwa staatliche Bürgschaften oder direkte Finanzhilfen, sagte Asmussen.

Jedes Land ist selbst verantwortlich

Das bedeutet, dass jedes europäische Land selbst dafür verantwortlich ist, nationale Banken zu retten. Es soll auch kein Geld aus Europa fließen. Die Bundesregierung lehnt das Ansinnen der französischen Regierung strikt ab, einen gemeinsamen Rettungsfonds für faule Kredite europäischer Banken in Höhe von 300 Milliarden Euro aufzulegen.

Die EU-Finanzminister wollen nötige Aktionen koordiniert angehen. Die staatlichen Hilfen sollten rechtzeitig erfolgen, zeitlich beschränkt sein und grenzüberschreitende Wettbewerbsverzerrungen vermeiden, sagte der Luxemburger Premierminister Jean-Claude Juncker, der auch der Gruppe der Staaten mit Euro-Währung vorsitzt.

Regierungen müssten künftig in die Besoldung des Managements von Banken eingreifen oder personelle Veränderungen verfügen dürfen, erklärte Juncker. Die staatlichen Eingriffe sollten vor allem den Interessen der Steuerzahler dienen. "Es ist nicht unser Hauptanliegen, die Aktionäre zu stützen", erklärte Juncker. Diese sollten vielmehr selbst die Konsequenzen der Krise tragen.

Neue Bilanzregeln

Das Überleben der Banken wollen die EU-Finanzminister auch mit einer sofortigen Änderung der Bilanzierungsregeln sichern. Die Europäische Kommission sei aufgefordert, umgehend einen Vorschlag zu unterbreiten, der es den Banken erlaubt, ihre Wertpapiere flexibler zu bewerten, sagte Lagarde. Das Gesetz solle rasch beschlossen werden und bereits rückwirkend für das dritte Quartal 2008 gelten. Die neuen Bewertungsregeln sollen verhindern, dass Produkte, deren Tageswert auf null gesunken ist, nicht mehr wie bisher abgeschrieben werden müssen.

Die Europäer sollen nicht um ihre Spareinlagen bangen. Die EU-Finanzminister verständigten sich darauf, dass künftig Spareinlagen bis zu 50.000 Euro garantiert werden sollen. In Einzelfällen sei auch ein höherer Betrag von 100.000 Euro möglich, sagte der slowenische Finanzminister Andrej Bajuk in Luxemburg. Die Europäische Kommission soll dazu ebenfalls rasch ein Gesetz vorschlagen.

Bisher liegt die Garantiesumme in einigen Ländern nur bei 20.000 Euro, darunter auch in Deutschland. Angesichts der aktuellen Krise hatte Kanzlerin Angela Merkel am vergangenen Wochenende allerdings eine umfassende Garantie abgegeben. Kein Sparer werde einen Euro seiner Einlagen verlieren, erklärte die Kanzlerin. Finanzstaatssekretär Asmussen wollte sich nicht dazu äußern, ob Deutschland einer generellen Erhöhung der Garantiesumme auf 50.000 Euro zustimme.

Auch die Vergütungen von Vorstandschefs und Managern standen auf der Tagesordnung in der EU-Finanzminister. In einem Papier empfehlen die Politiker, deren Bezahlung künftig vom langfristigen Erfolg des Unternehmens abhängig zu machen. Die Leistung der Manager müsse sich in der Vergütung widerspiegeln. Hohe Abfindungen, auch Goldene Fallschirme genannt, dürfe es nicht mehr geben. Zudem solle die Besoldung "in transparenter Weise festgelegt werden", erklärte Lagarde.

Bezahlung offenlegen

Unternehmen sollen ihre Entlohnungspolitik für Topmanager künftig offenlegen und bei Hauptversammlungen mit allen Aktionären diskutieren. In einem marktwirtschaftlich geprägten Umfeld müssten Aktionäre und Sozialpartner über die Höhe von Managergehältern entscheiden. Eine europäische Gesetzgebung ist bisher nicht geplant. Die Europäische Kommission wird jedoch weiterhin die Vergütungspraxis in den Unternehmen prüfen und Leitlinien für Mitgliedsstaaten entwickeln.

© SZ vom 08.10.2008/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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