Geldanlage:Milchmädchenrechnung mit Betongold

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Kaum ein Anleger weiß, was seine Immobilien wirklich als Netto-Rendite einbringen.

Interview: Hans-Kaspar von Schönfels

Die Wertentwicklung von Immobilien kannte in der Vergangenheit immer nur eine Richtung, und die zeigte nach oben. Doch seit Steuervorteile schwinden, Leerstände ebenso wachsen wie die Zukunftsängste der Bürger, während die Einkommen stagnieren, müssen Immobilien differenzierter betrachtet werden.

Auch im Hundertwasser-Haus in Magdeburg stehen Wohnungen leer. (Foto: Foto: dpa)

Rechtsanwalt Thomas Fleischmann und Vermögensanlageberater Martin Pickert erläutern, was private Investoren verunsichert, die traditionell vorrangig auf Betongold setzten.

SZ: Herr Fleischmann, Herr Pickert, Sie haben vor kurzem eine große Transaktion, den Verkauf von 273 Betriebsstandorten der ATU Auto-Teile-Unger Gruppe an einen englischen privat organisierten Investmentfonds initiiert und begleitet. Wie kam es dazu, was ist daran signifikant für das Thema "Kapitalanlage in Immobilien"?

Fleischmann: Der bisherige Eigentümer hatte sich bereits 2004 vom operativen Geschäft der ATU-Gruppe, die bekanntlich an den Investmentfonds KKR verkauft worden ist, getrennt. Aus unserer Sicht als Vermögensverwalter und Anlageberater war damit auch eine Trennung von den noch dem früheren Unternehmer gehörenden Betriebsimmobilien zwingend erforderlich.

SZ: Risikosteuerung und Diversifikation von Kapitalanlagen ist ja nichts wirklich Neues, was hat das denn mit Immobilienanlagen zu tun?

Fleischmann: Portfoliomanagementansätze werden von sehr vielen Anlegern heute für Aktien- und Rentendepots verfolgt. Sehr viel seltener findet man solche Ansätze bei des deutschen Anlegers liebstem Kind, der Immobilie. So rational viele Anleger mit ihren Geldanlagen umgehen, so irrational gehen sie oft mit Immobilienanlagen um.

SZ: Dafür hat man doch seinen Vermögensverwalter oder Vermögensberater.

Fleischmann: Wir als Vermögensberater erkennen oft, dass wir eigentlich nur die Spitze des Eisbergs beeinflussen können und uns bestenfalls mit 20 bis 30 Prozent des Gesamtvermögens eines Kunden ernsthaft beschäftigen können. Denn 70 bis 80 Prozent des Vermögens der Bundesbürger ist im Durchschnitt im Immobilienbereich angelegt.

SZ: Aber was ist denn so falsch daran, sein Geld in Immobilien anzulegen?

Pickert: Fast alles, wenn man ohne klares Konzept wegen der vermeintlich damit verbundenen Sicherheit sein ganzes Geld hineinsteckt. Das ist in Deutschland aus historischen Gründen geschehen: Die Sachwerte überdauerten zwei Inflationen. Ohnehin ging man bei moderat inflationärer Entwicklung in der Bundesrepublik davon aus, dass sich jeder Immobilieneigentümer letztlich über die Inflation entschuldet. Denn der Wert der Immobilie würde ja steigen, während der des Darlehens gleich bliebe. Unter diesen Umständen haben viele Anleger im großen Stil Immobilien gekauft, die zu 100 Prozent fremdfinanziert waren. Das böse Erwachen kam später.

SZ: Wie meinen Sie das?

Fleischmann: Die oben geschilderten Faktoren haben die Preise für Immobilien in Regionen getrieben, die aus der Wertentwicklung der Mietrenditen, die erzielt worden sind, nicht mehr gerechtfertigt sind. Preisbereinigt sind die Mietrenditen seit Mitte der siebziger Jahre nicht mehr gewachsen, ganz im Gegensatz zu den Immobilienpreisen. Nach Untersuchungen der Analysten von Bulwien & Partner betrugen die Nettomietrenditen in den Jahren zwischen 1975 und 1990 im Durchschnitt unverändert nur etwa 2,4 Prozent pro Jahr. Die Korrekturen begannen anfangs eher unbemerkt.

SZ: Ist denn die Immobilie nicht unter Gesichtspunkten der Altersvorsorge und der Inflationssicherheit eigentlich die bestmögliche langfristige Anlageform?

Fleischmann: Die bestmögliche Anlageform gibt es nicht. Was als Anlage für einen Investor sinnvoll ist, muss sich an seinen Bedürfnissen und seinem Chancen- und Risikoprofil ausrichten. Nach unseren Erfahrungen weiß kaum ein Anleger, was seine Immobilien wirklich als Netto-Rendite einbringen und welche Risiken er dafür eingegangen ist.

SZ: Was verstehen Sie in diesem Zusammenhang unter Rendite und Risiko?

Pickert: Beginnen wir doch bei der Nettorendite: Landläufig setzt man die erzielten Mieteinnahmen ins Verhältnis zu den Anschaffungskosten und Zinsen, die man für das Fremdkapital bezahlt oder für das Eigenkapital erhalten hätte. Das ist eine Milchmädchenrechnung, wie jeder Fachmann weiß. Den Eigentümer treffen mehr Kosten, als nur entgangene Zinsen auf Eigenkapital und zu zahlende Zinsen auf Fremdkapital. Nicht alle Bewirtschaftungskosten sind als Nebenkosten umlagefähig.

SZ: Was für Risiken meinen Sie?

Fleischmann: Typische Beispiele für verkannte Risikopositionen sind vermeintlich einfacher zu verwaltende Monostrukturen oder Standortrisiken, die man nur deshalb eingeht, weil man meint, je näher am Wohnort, desto besser sei die Immobilienanlage. In vielen Fällen wurden Objekte gekauft und einfach nie wieder verkauft.

SZ: Was ist daran falsch? Schließlich hat man einen Sachwert, ist gegen die Inflation geschützt und erzielt verlässliche, kalkulierbare Einnahmen.

Pickert: Wir sind der Ansicht, dass, anders als bei anderen Anlageentscheidungen, Immobilien oft aus irrationalen Beweggründen gekauft werden. Gerade die Wertentwicklung von Immobilien im Osten zeigt als Menetekel auf, was uns nicht nur dort bevorsteht. Die zukünftige demographische und wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland gibt bezüglich vieler Anlageregionen zur Besorgnis Anlass, was den Bestand betrifft. Ein halbes Jahrhundert nach dem zweiten Weltkrieg beginnen sich nun erstmals in der Geschichte Deutschlands zyklische Immobilien-Märkte herauszubilden.

SZ: Im Moment beobachten wir, dass ausländische Investoren deutsche Immobilien kaufen. Die können doch dann so schlecht nicht sein.

Fleischmann: Das ist eine Frage der Betrachtungsweise. Ausländische professionelle Investoren, und nur diese waren in den letzten Jahren im deutschen Markt unterwegs, haben ein sehr viel klareres Bild von Marktzyklen und den damit verbundenen Wertbewegungen. Diese Investoren haben den deutschen Markt längere Zeit beobachtet und meinen feststellen zu können, dass der Markt, was die Preise anlangt, sich seinem unteren Wendepunkt nähert.

SZ: Was kann der Anleger lernen?

Fleischmann: Er sollte beherzigen, dass der Gesichtspunkt der Risikostreuung nicht nur im Geldvermögen, sondern auch beim Immobilienvermögen eine erhebliche Rolle spielt. Auch hier muss der Portfolioansatz verfolgt werden. Wer jetzt investiert, sollte daher eine Mischung zwischen Gewerbe- und Wohnungsimmobilien genauso beherzigen, wie einen angemessenen Standortmix im In- und Ausland. In gleicher Weise sollte er, so wie er seine Vermögensverwalter ja durchaus zu Recht kontrolliert, auch die Immobilienobjekte mehr unter die Lupe nehmen.

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