Fünf Jahre Euro:Wenn die Geldbörse der Statistik widerspricht

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Schlechtes Image: Wissenschaftler haben verschiedene Erklärungen, wieso der Euro nach wie vor als Teuro gilt.

Die Aussage ist eindeutig: "Wenn man sich die Entwicklung der Inflationsrate in Deutschland ansieht, spricht nichts für die Annahme, der Euro habe den Preisauftrieb beschleunigt", sagt Günther Elbel, Referatsleiter für Verbraucherpreisstatistik beim Statistischen Bundesamt in Wiesbaden.

Ob an der Tankstelle oder im Supermarkt: "Hat das in Mark auch so viel gekostet?" (Foto: N/A)

In den fünf Jahren vor der Einführung des neuen Bargelds, also bis Ende des Jahres 2001, sei die Teuerungsrate in Deutschland im Schnitt bei ungefähr 1,4 Prozent gelegen. "In den fünf Jahren danach hat sie im Schnitt etwa 1,5 Prozent betragen", sagt Elbel, der das allerdings nur schätzen kann, da die Zahlen für Dezember dieses Jahres noch nicht vorliegen.

"Diese Teuerungsraten sind im langfristigen Vergleich sehr niedrig", erklärt er. "Die Europäische Zentralbank jedenfalls sieht alles, was sich unter zwei Prozent bewegt, als unkritisch an."

Gefühlte Teuerung ist höher

Trotzdem: In den Köpfen der Bürger hält sich hartnäckig die Überzeugung, dass der Euro alles teurer gemacht hat. Und ganz falsch liegen sie damit nicht.

Die von einem Durchschnittshaushalt wahrgenommene Inflation sei deutlich höher als die offiziell gemessene, sagt Hans Wolfgang Brachinger, Statistik-Professor an der Universität Fribourg in der Schweiz.

Er hat im vergangenen Jahr gemeinsam mit dem Statistischen Bundesamt erstmals den "Iwi" veröffentlicht, den Index der wahrgenommenen Inflation. Und dieser bestätigt: Die gefühlte Inflation ist zum Teil fünfmal höher als die amtlich gemessene.

Die Erklärung

Drei Erklärungen hat Brachinger dafür. Zum einen: Je häufiger ein Produkt gekauft werde, umso intensiver würden die Kunden Preissteigerungen spüren.

Wer also täglich Brötchen kauft, ärgert sich täglich über den höheren Preis. In der Statistik schlage sich der höhere Preis aber kaum nieder, einfach weil Brötchen trotz des häufigen Kaufs insgesamt nicht viel kosten.

"Zudem vergleichen viele die heutigen Euro-Preise immer noch mit den früheren D-Mark-Preisen", sagt Brachinger. "Dabei vergessen sie völlig, dass seither fünf Jahre vergangen sind. Auch ohne Euro wären die Preise allein durch die ganz normale Inflation sicher gestiegen."

Als letzten, aber sehr wichtigen Grund nennt der Professor das Phänomen der Loss Aversion, also die Abneigung gegen Verluste. "Kunden nehmen Preissteigerungen einfach viel intensiver wahr als Preissenkungen", sagt Brachinger.

Das kann Tobias Greitemeyer vom Institut für Psychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München nur bestätigen. Seit Jahren hat er in diversen Studien untersucht, wie die Deutschen mit dem Euro umgehen.

In einem der jüngeren Tests, dessen Ergebnisse noch unveröffentlicht sind, erhielt jeder Proband zwei Speisekarten. Auf der ersten waren die Preise in D-Mark angegeben, auf der zweiten in Euro.

Einige Angebote sind dabei teurer geworden, andere billiger. Um das zu verdeutlichen, stand die Veränderung gleich dabei: "Diese Speise kostet 80 Cent mehr als zu D-Mark-Zeiten und diese 80 Cent weniger, das hatten wir ausdrücklich so gekennzeichnet", erklärt Greitemeyer. Die Testteilnehmer sollten dann auf einer Skala von minus fünf bis plus fünf angeben, wie sie die Preisveränderung wahrnehmen und bewerten.

Alarmglocken bei Preiserhöhung

"Es zeigte sich ein eindeutiges Ergebnis", sagt der Psychologe. "Die negative Wirkung einer Preiserhöhung wird viel stärker empfunden als die positive Wirkung einer Preissenkung." Auch würden die Menschen selbst bei konstanten Preisen oft Preissteigerungen wahrnehmen.

Dieses Phänomen hat man auch beim Bundesverband der Verbraucherzentralen festgestellt. Die Verbraucherschützer hatten ein halbes Jahr vor der Euroumstellung damit begonnen, regelmäßig die Preise zu beobachten.

Ihr Fazit im Dezember 2002, also knapp ein Jahr nach der Einführung des Euro: In einzelnen Bereichen, vor allem im Dienstleistungssektor seien die Preise zwar tatsächlich deutlich gestiegen. Insgesamt aber sei die empfundene Teuerung drastischer ausgefallen als die tatsächliche.

Die Generation ohne D-Mark

Wie lange die Deutschen ihrer D-Mark noch nachtrauern werden, vermag niemand zu sagen. "Ich bin verwundert, dass sich immer noch so viele Leute mit dem Euro schwertun", sagt Greitemeyer.

Doch der Psychologe bleibt zuversichtlich, dass sich die Abneigung gegen die neue Währung irgendwann geben wird. Das sieht auch Brachinger so: "Spätestens mit der Generation, die die D-Mark gar nicht mehr kennengelernt hat."

© SZ vom 19.12.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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