Folgen der Kreditkrise:Banker über Bord

Lesezeit: 2 min

Die globalen Banken erinnern derzeit an eine in Seenot geratene Flotte aufgemotzter Hochseeyachten.

Martin Hesse

Die große, schwere Citigroup, die wendige Merrill Lynch, die Europäer Deutsche Bank und UBS - sie und andere liefern sich seit Jahren ein Rennen um die ersten Plätze auf den Weltmeeren des Kapitals.

Zunächst traf es die kleinen Banken, jetzt die großen: Immer mehr Institute müssen offenlegen, das sie von der Immobilienkrise erheblich betroffen sind. (Foto: Foto: AP)

Lange trugen günstige Winde die Flotte geschlossen und rasch voran. Billiges Geld und ein in allen Bereichen boomender Kapitalmarkt bescherten den Banken unvorstellbare Gewinne. In diesem Sommer aber erhob sich das Meer und die Boote gerieten in Turbulenzen. Jetzt, als manch einer schon hoffte, die Lage werde sich beruhigen, wird die Flotte erneut durcheinandergewirbelt - und die Wall Street summt Variationen auf die Liedzeile: "und jeden Tag ging einer über Bord".

Nach Stan O'Neal, dem Chef von Merrill Lynch, hat an diesem Montag auch Chuck Prince seinen Rücktritt erklärt, weil seine Bank Citigroup als Folge der Krise an den amerikanischen Hypothekenmärkten weitere acht bis elf Milliarden Dollar abschreiben muss. Schon fragen Banker, ob Bear-Stearns-Chef James Cayne das nächste Opfer ist.

Beben selbst ausgelöst

"Opfer" ist freilich nicht der treffende Begriff für die Banker, die jetzt zurücktreten müssen. Das Mitleid hält sich schon deshalb in Grenzen, weil O'Neal, Prince und Co. in den Zeiten günstiger Winde Boni im zweistelligen Millionenbereich kassierten. O'Neal soll sogar der Abgang noch einmal mit 175 Millionen Dollar Abfindung versüßt werden.

Opfer sind die Bankchefs aber vor allem deshalb nicht, weil sie das Seebeben selbst auslösten. Jahrelang haben sie ihre Banken mit riskanten Treibstoff in Spitzenpositionen gelotst. Das Geschäft mit kompliziert strukturierten Finanzprodukten, deren Wert von Immobilienpreisen, Krediten oder anderen Wertpapieren abhängt, versprach Gewinne, wie sie das traditionelle Kreditgeschäft längst nicht mehr erzielt. Doch die Bank-Kapitäne haben die Risiken unterschätzt.

Jetzt explodiert ihnen der Treibstoff im Tank. Und glaubte man zunächst, nur kleine Schaluppen wie die deutsche Mittelstandsbank IKB könnten deshalb havarieren, zeigt sich nun nach und nach, dass die Detonationen auch in die größten Luxusyachten riesige Lecks gerissen haben. Bei den großen Universal- und Investmentbanken werden die Schäden zum Teil auch deshalb erst jetzt sichtbar, weil sie Abschreibungen verschleppten und Verluste verschleierten.

Es ist aber logisch, dass die Krise an die Wall Street zurückkehrt, von wo sie ihren Anfang nahm. Dort sitzen jene Banken, die die größten Summen in verbriefte US-Immobilienkredite investiert haben. Und es ist kein Zufall, dass mit der Citigroup jenes Institut besonders betroffen ist, das seit Jahren ein Führungs- und Strategieproblem hat. Jetzt zeigt sich in erschreckender Weise, wie schlecht Risikokontrolle und Unternehmensführung in einem Konzern mit der sagenhaften Bilanzsumme von mehr als zwei Billionen Dollar waren.

Doch ein so mächtiges Schiff wie die Citigroup bringen auch Milliardenlöcher nicht so leicht zum Sinken. Besser scheinen aber schlankere Investmentbanken wie Goldman Sachs, Morgan Stanley und die Deutsche Bank dazustehen. Offenbar hat dort das Risikomanagement besser funktioniert, wenngleich die Kursverluste auch bei der Deutschen Bank zeigen, dass Anleger das noch nicht so recht glauben wollen.

Dennoch geht Konzernchef Josef Ackermann schon in der Krise verbal zum Angriff über, um sich in der Regatta der Investmentbanken nach vorne zu schieben: Wir haben unsere Risiken besser im Griff als die anderen, besonders die Amerikaner, verbreitete er zuletzt. Interessant ist auch, dass die Analysten der großen Investmentbanken derzeit dazu neigen, jeweils die Aktien der Konkurrenz nach unten zu schreiben.

Auch wenn diese Studien richtig und unabhängig sind: In dem aktuellen Umfeld ist jede Breitseite gegen angeschlagene Konkurrenten gefährlich, weil sie das Misstrauen in der ganzen Bankbranche nährt. Die größte Gefahr besteht darin, dass die Banken einander wie im Spätsommer erneut gegenseitig den Geldhahn zudrehen. Denn jeder weiß: Sinkt eines der großen Schiffe, bringt der Sog die ganze Flotte in Seenot.

© SZ vom 06.11.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: