Folgen der Finanzkrise:Die Verluste der Chefs

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Von 800 Millionen Dollar Vermögen sind noch zwei Millionen übrig: Auch die früheren Größen der Finanzwelt spüren die Finanzkrise - und müssen sich in neuer Bescheidenheit üben.

Andreas Oldag

Jahrelang haben die Chefs der Finanzkonzerne über alle Maßen abkassiert. Doch nun ist die Party zu Ende. Wenn die Topmanager in ihre Wertpapierdepots schauen, muss ihnen das kalte Grausen kommen. Der Absturz der Börsen hat auch ihren Wohlstand in Mitleidenschaft gezogen.

Ein ernster Blick - angesichts des schwindenden Vermögens nicht verwunderlich, denn auch US-Finanzminister Henry Paulson selbst verlor viel Geld durch die Finanzkrise. (Foto: Foto: Reuters)

Spitzenmanager wie Lloyd Blankfein von Goldman Sachs oder der Chef der nun zusammengebrochenen Investmentbank Lehman Brothers, Richard Fuld, wurden für ihre erfolgsabhängigen Leistungen Jahr für Jahr mit zweistelligen Millionenzahlungen verwöhnt. Ein erheblicher Teil davon basierte auf Aktien und Optionen, die nun enorm an Wert verloren haben.

Prämienzahlung von 53,4 Millionen Dollar

"Kann Blankfein noch ruhig schlafen?", fragte die New York Times. Immerhin erhielt der Chef des Geldhauses Goldman Sachs für das vergangene Jahr noch eine Prämienzahlung von 53,4 Millionen Dollar. Dies überstieg bei weitem sein Grundgehalt von 220.000 Dollar. Doch sein geschätztes Vermögen, das der 54-Jährige über Jahre hinweg angesammelt hat, schrumpfte seit Januar 2007 von 405,6 Millionen Dollar auf 291 Millionen.

Noch härter traf es Lehman-Brothers-Chef Richard Fuld. Während der Anfang 2007 noch 827 Millionen Dollar im Depot hatte, waren es am vergangenen Freitag nur noch 2,3 Millionen.

Den Großverdienern geht es jetzt wie Millionen von Kleinanlegern: Die Finanzkrise lässt den Wert ihrer Anlagen dramatisch sinken. Da heißt es, Nerven bewahren und auf bessere Zeiten hoffen - auch wenn keiner der Topmanager Gefahr läuft, ein Sozialhilfeempfänger zu werden. Mancher dürfte auch gar keine Zeit haben, lange über über den Wertverlust seiner Anlagen nachzudenken.

Kritik an Paulson

US-Finanzminister Henry Paulson zum Beispiel: Der ehemalige Goldman-Sachs-Chef, der in seiner Freizeit gern Vögel beobachtet, muss nun die Trümmer einer verfehlten Investmentbank-Strategie aufräumen. Der 62-Jährige ist im pausenlosen Einsatz, um staatliche Rettungspakete für die angeschlagenen Banken zu schnüren - für die im Zweifelsfall der Steuerzahler zur Kasse gebeten wird.

Gerade das löst auch Kritik aus: "Es ist eine Ironie de Geschichte. Paulson hat seine Schäfchen als schwerreicher Banker ins Trockene gebracht, auch wenn er jetzt ein paar Millionen einbüßt", meint ein Finanzanalyst in London.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Poltiker eine Deckelung der Prämien fordern.

Insgesamt mehr als 30 Milliarden Dollar, etwa 20 Milliarden Euro, hat die Finanzindustrie an der Wall Street noch im vergangenen Jahr an Prämien gezahlt. Europas größter Finanzplatz stand dem nur wenig nach: Londons Finanzhäuser füllten den Bonustopf mit umgerechnet elf Milliarden Euro auf. Um Übernahmen und hohen Umsatz zu belohnen, schütteten die großen angelsächsischen Geldhäuser bislang etwa die Hälfte ihres Bruttoertrags als Bonus aus.

Politiker werden aktiv

Doch nun müssen sich die "Meister des Universums", wie sie wegen ihrer Macht genannt wurden, auf eine neue Bescheidenheit einstellen - nicht nur der Börse wegen. Denn auch Politiker und Finanzaufsichtsbehörden werden aktiv.

Im US-Kongress fordern Abgeordnete eine Deckelung der Prämien, vor allem bei jenen Kreditinstituten, die direkt oder indirekt Hilfen vom Steuerzahler erhalten. Am weitesten hat sich der republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain vorgewagt: Er will das Limit für Vorstandsbezüge auf 400.000 Dollar festlegen. "Kein Vorstandschef, der einer staatlich unterstützten Bank vorsteht, soll mehr erhalten als die höchsten Regierungsmitarbeiter", sagte er.

Auch der britische Premierminister Gordon Brown prangerte jetzt auf dem Labour-Parteitag in Manchester die unheilvolle "Bonus-Kultur" an. Brown weiß, dass er mit solchen Vorstößen vor allem die Gewerkschaften hinter sich hat, die schon seit langem Maßnahmen gegen die Großverdiener in der Londoner City fordern.

Aber es geht nicht nur um Klassenkampf. Auch Experten der britischen Finanzaufsicht FSA plädieren für Restriktionen. Sie wollen allerdings keine Maximalbeträge festlegen, sondern die Banken dazu bewegen, strengere Kriterien anzuwenden. Bislang orientieren sich die Boni vor allem an kurzfristigen Erfolgen, etwa an bestimmten Umsatz- und Verkaufszahlen im Wertpapierhandel. Dies verleitet viele Bankmanager zu riskanten Spekulationsgeschäften. Insofern wird die Gier durch das Vergütungssystem angestachelt und hat dadurch nach Meinung der FSA-Experten sogar die Finanzkrise mit ausgelöst.

Mindestens ebenso umstritten wie die üppigen Anreizsysteme sind die großzügigen Abfindungszahlungen. Sogar im Falle eines Scheiterns wurden die geschassten Manager häufig noch mit "goldenen Handschlägen" belohnt. Ein krasses Beispiel für grenzenlose Gier lieferten kürzlich die ehemaligen Chefs der inzwischen verstaatlichen amerikanischen Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac: Daniel Mudd und Richard Syron wollten sich ihren Abgang trotz der Fast-Pleite mit insgesamt 24 Millionen Dollar versüßen lassen.

"Aufgeblasene Zahlungen"

Erst im letzten Moment stoppte der US-Kongress die Auszahlung. "Es wäre skrupellos, diese aufgeblasenen Zahlungen zu leisten", wetterte US-Senator Charles Schumer. Das es auch anders geht, zeigte der geschasste Chef der Versicherungsgesellschaft AIG. Robert Willumstad lehnte freiwillig eine Abfindungszahlung von 22 Millionen Dollar ab. Seine Arbeit habe keinen Erfolg gehabt, sagte er.

© SZ vom 24.8.2008/kim/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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