Flugfirma in Turbulenzen:"Ich war ein Air-Berliner"

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Nach den jüngsten Insidervorwürfen gegen den Vorstand ist die Fluglinie Air Berlin, für die ZDF-Star Kerner warb, an der Börse unter Druck geraten. Doch Analysten raten zur Gelassenheit.

Ansgar Siemens

Vor gut einem Jahr warb Johannes B. Kerner ausgiebig mit seinem Gesicht für den Börsengang der Fluglinie Air Berlin. "Ich bin ein Air-Berliner", raunte der ZDF-Talker ("Kerner","Das aktuelle Sportstudio") von Plakaten herab dem aktiengeneigten Volk zu. Das Volk kaufte - und verlor. Der Kurs krachte in den ersten Wochen förmlich ein.

Über Kerner, einen Duz-Kumpel von Airline-Chef Joachim Hunold, ergoss sich eine Lawine der Kritik. Der smarte Sonnyboy habe ahnungslosen Anlegern ein mündelsicheres Papier vorgegaukelt - dabei sei Air Berlin eine riskante Sache. "Ein Journalist wirbt nicht", ereiferte sich ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender.

Doch schon bald berappelte sich die Aktie - und mit dem Kurs stieg offenbar Kerners Selbstbewusstsein. Im November 2006 gab er sich im Gespräch mit der Bunten keck: "Gott sei Dank habe ich selbst kräftig zugeschlagen", sagte er und verwies auf damals 35 Prozent Kursplus seiner Aktien. Offenbar sann der Moderator auf Genugtuung.

Die Zeit schien im April gekommen: Air Berlin startete eine erneute Kampagne mit dem Starmoderator - der Vertrag zwischen beiden war trotz der großen Schelte nie aufgelöst worden. "Klasse - ohne Wartezeit einchecken", versprach Kerner auf Plakaten jetzt. Oder: "Klasse - Service mit Herz."

Im Mai kletterte die Aktie auf mehr als 20 Euro, Air Berlin hatte den Kauf des Ferienfliegers LTU und und der Konkurrentin DBA verkündet. Rosige Zeiten, so schien es.

Und jetzt das: Die Führungsspitze von Air Berlin ist ins Visier der Bundesfinanzaufsicht (Bafin) geraten. Air-Berlin-Chef Hunold, der Aufsichtsratsvorsitzende Johannes Zurnieden und weitere Manager des Unternehmens werden des Insiderhandels verdächtigt. Prasselt jetzt die nächste Lawine über Kerner herab?

Die Aktie rutschte aufgrund der Nachricht vom Dienstag um bis zu acht Prozent ab, sie notierte am Ende des Tages mit 2,8 Prozent im Minus. Am Mittwoch gab sie noch einmal leicht - um 1,7 Prozent - nach. Offenbar sagen sich manche Anleger: "Ich war ein Air-Berliner!".

Ermittler durchsuchen die Wohnungen des Vorstands

Mitarbeiter der Bafin sowie Polizeibeamte durchsuchten am Dienstag Büros der Fluggesellschaft sowie Privatwohnungen mehrerer Verdächtiger. Sie stellten dabei unter anderem Protokolle von Vorstands- und Aufsichtsratssitzungen sicher. Air Berlin bezeichnete den Verdacht als "absurd''.

Die Untersuchungen, die von der Staatsanwaltschaft Stuttgart geleitet werden, stehen im Zusammenhang mit der Übernahme der DBA im August 2006. Die Bafin wirft Air-Berlin-Chef Hunold, Aufsichtsratschef Zurnieden sowie vier Mitarbeitern vor, in größerem Stil Aktien von Air Berlin gekauft zu haben, nachdem DBA und Air Berlin eine Geheimhaltungsvereinbarung über die Kaufverhandlungen abgeschlossen hatten. Das Ganze, bevor Air Berlin am 17. August eine Ad-hoc-Mitteilung herausgab.

Der Staatsanwaltschaft zufolge werden die Auswertung der Unterlagen und die weiteren Ermittlungen "eine längere Zeit in Anspruch nehmen''. Die Bafin hatte bereits Anfang März Anzeige erstattet.

Hunold und Zurnieden haben nach einer Auflistung von Air Berlin in den Monaten vor der Übernahme der DBA mehrfach Aktien gekauft. Hunold erwarb demnach am 1. und 8. Juni 2006 Papiere im Wert von 471.050 Euro, Zurnieden kaufte zwischen dem 3. und 17. Juli - also einige Wochen später - Aktien im Wert von 1.088.174 Euro.

Weitere Angestellte, drei Abteilungsleiter, machten Geschäfte in kleinerem Umfang. Airline-Chef Hunold gilt als eigenwilliger Kauz. So lässt der Chef das Unternehmen nicht als AG firmieren, sondern in der britischen Rechtsform plc. Der Hauptversammlung in London wohnten nur rund 20 Aktionäre bei.

Air Berlin reagiert "überrascht'' auf die Untersuchungen. Die Aktienkäufe seien öffentlich bekannt gewesen. Zum Zeitpunkt der Transaktionen sei der Kauf der DBA noch nicht beschlossen gewesen, außerdem habe niemand damit rechnen können, dass die Aktie nach der Bekanntgabe des Deals steigen würde. Normal sei in einem solchen Fall eher das Gegenteil.

Die Air-Berlin-Aktie war am 17. August 2006, dem Tag der Ankündigung, um über zehn Prozent gestiegen und hatte mit 10,99 Euro geschlossen.

Die Justizaktionen sind ein Rückschlag für Air Berlin, keine Frage. Dennoch raten Analysten den Aktionären zur Besonnenheit. "Die Erklärung der Vorstände von Air Berlin klingt plausibel", sagt Analystin Martina Noß von der Nord LB. Zwar sei es "normal", dass der Aktienkurs unter den Bafin-Vorwürfen leide. Dennoch bestehe "operativ" kein Grund zur Besorgnis. Soll heißen: Die Geschäfte dürften nicht automatisch schlechter laufen.

Zwar ist das Air-Berlin-Papier in den vergangenen Wochen bereits unter Druck geraten - doch habe es zuvor "Übertreibungen" gegeben, sagt Noß. Das derzeitige Kursniveau von etwa 16 Euro eigne sich "zum Einstieg". Vorsicht: Die Aktie schwankt traditionell stark und ist nichts für risikoscheue Investoren.

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